In einer Nacht- und Nebelaktion hat die Weltgesundheitsversammlung am 1. Juni, wie gemeldet, einen bis dahin der Öffentlichkeit unbekannten Text zur Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) angenommen. Ein zentraler Punkt der Reform ist, dass der WHO-Generaldirektor künftig schon eine Pandemie ausrufen kann, wenn er die Gefahr sieht, dass Gesundheitssysteme überlastet werden könnten – eine Situation, die bei jeder größeren Grippeepidemie eintreten kann.
Erhebliche Bedenken wurden hinsichtlich des intransparenten Prozesses bei der Verabschiedung der Änderungen der IGV laut. In der Nacht von Freitag auf Samstag wurden die Änderungen beschlossen, ohne dass diese den eigenen Regeln gemäß vier Monate vorher vorlagen.
Die WHO hatte zwar geltend gemacht, dass eine Auswahl von möglichen Änderungen schon im November 2023 publiziert worden war und dass die Frist deshalb eingehalten worden sei. Doch nun wurde in letzter Minute ein völlig neuer Abschnitt eingefügt. Kritische Anwälte äußerten den Verdacht, dass dieser aus dem Entwurf des vorläufig gescheiterten Pandemieabkommens übernommen wurde. Kritiker wie Norbert Häring kamen bereits zu ersten negativen Einschätzungen zu dieser neuen Regelung und zur Rolle der WHO.
Nach der Abstimmung erklärte die Vertreterin der Schweiz, dass man genau wie andere Unterzeichnerstaaten interne Verfahren einleiten werde, um zu prüfen, ob die Änderungen auf nationaler Ebene umgesetzt werden können. Das Aktionsbündnis freie Schweiz (ABF) sieht dadurch das von ihr beauftragte Rechtsgutachten bestätigt, das zu dem Schluss kommt, dass die IGV-Reform dem Parlament unterbreitet werden muss. Eine entsprechende Petition des ABF läuft noch bis zum 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag.
In der Debatte über mögliche neue Pandemien war die geringe Berücksichtigung menschenrechtlicher Aspekte kritisiert worden. Die Forderungen nach digitalen Gesundheitsdokumenten und digitalen Ausweisen und Identitätskarten wurde nun im verabschiedeten Dokument gestrichen. Die detaillierten Anforderungen zum Nachweis der «Echtheit» solcher Dokumente wurden auf die Notwendigkeit der Unterschrift eines Arztes abgeschwächt.
Ein Punkt, der verabschiedet wurde, ist der «Kampf gegen Fehlinformation und Desinformation», ein Bereich, in dem sich vor allem die EU bereits intensiv engagiert. Dies könnte zu einer stärkeren Kontrolle und Zensur von Informationen führen, was wiederum die Diskussion über die Rolle der WHO und deren Einfluss auf die globale Gesundheitspolitik befeuert.
Die «Machtergreifung» der WHO wurde im Großen und Ganzen von den Nationen abgelehnt. Das betrifft etwa den «One-Health»-Ansatz, die Streichung der Menschenrechte innerhalb der IHR und die massive Ausweitung der Kompetenzen der WHO.
Abgelehnt wurden gemäß Stefan Homburg insbesondere:
- der gesamte One-Health-Ansatz
- digitale Impfpässe und digitale IDs
- die Streichung der Passage, wonach die Menschenrechte zu achten sind
- die WHO-Kompetenz, andere Notfälle auszurufen, z.B. den Klimanotstand
- die WHO-Kompetenz, Medikamente einzuschränken, und Impfungen vorzuschreiben
- die Pflicht der WHO-Länder, von der WHO geforderte Gesetze zu verabschieden
- die Forderung, ungetestete, nicht zugelassene Impfstoffe auf den Markt zu bringen
- die Forderung nach einem Haftungsausschluss für nicht zugelassene Impfstoffe und Medikamente
- die WHO-Kompetenz, Produkte zu beschlagnahmen
Die Meinungen über die Reform gehen auseinander. Die Journalistin Meryl Nass sieht einen «großen Erfolg» für die Gegner der IGV-Änderungen, da das Dokument den Globalisten wenig gebe, was sie wirklich wollten. Kritiker wie James Roguski hingegen sehen die geänderten IHR als einen «wesentlichen Sieg für die bösen Kräfte».
Der geplante Pandemievertrag wurde um ein Jahr verschoben, und die Verhandlungen werden im Juli 2024 weitergeführt. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die WHO ihre Position in der globalen Gesundheitsgovernance durch dieses Instrument weiter stärken kann, ob dieser Vertrag überhaupt zustande kommt und welche Länder ihn dann ratizifieren.
WHO-Generaldirektor Tedros hat zudem einen scharfen Ton angeschlagen gegen sogenannte «Impfgegner», die er als eine ernsthafte Herausforderung betrachtet. Diese aggressive Haltung hat jedoch bereits eine Welle der Empörung und Entrüstung ausgelöst, insbesondere bei jenen, die die Maßnahmen der WHO kritisch sehen.
Die Reform der Internationalen Gesundheitsvorschriften und die damit verbundenen Maßnahmen der WHO bleiben ein kontroverses Thema. Die kritischen Stimmen zur Intransparenz, zur geringen Berücksichtigung von Menschenrechten, zu innerstaatlicher Demokratie und zu Kontrollorganen innerhalb der WHO zeigen, dass die Diskussionen über die zukünftige Rolle der WHO und deren Einfluss auf die globale Gesundheitspolitik noch lange nicht abgeschlossen sind.
**********************
Unterstützen Sie uns mit einem individuellen Betrag oder einem Spenden-Abo. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag für unsere journalistische Unabhängigkeit. Wir existieren als Medium nur dank Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Vielen Dank!
Oder kaufen Sie unser Jahrbuch 2023 (mehr Infos hier) mit unseren besten Texten im Webshop:
Kommentare