Die aktualisierte «S3-Leitlinie Demenzen» erweitert die Diagnosemöglichkeiten von Alzheimer, und zwar insofern, als dass sie es Ärzten erlaubt, Alzheimer zu diagnostizieren, ohne dass Demenzsymptome vorliegen. Die Leitlinie, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), ermöglicht Ärzten somit eine frühzeitige Diagnosestellung und damit die Option, frühzeitig mit der Behandlung zu beginnen, wie der Infosperber berichtet.
Die Neuerung, die von Medizinern kritisiert wird, erlaubt die Vergabe der Diagnose Alzheimer bereits bei «leichter kognitiver Störung» und einem «eindeutigen Hinweis» basierend auf Biomarkern.
Kritisiert wird daran vor allem, dass die Kriterien für die Diagnose zu unscharf seien und keine zuverlässigen Nachweise für das Vorliegen der Alzheimer-Krankheit darstellten. Auch könne eine «leichte kognitive Störung» verschiedene Ursachen haben, von Medikamentennebenwirkungen bis zu Durchblutungsstörungen. Und die Relevanz der Biomarker, insbesondere von Amyloid-Plaques im Gehirn, wird ebenfalls angezweifelt, da sie nicht zuverlässig mit dem Krankheitsbild korrelieren.
Zwei Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) haben dagegen gestimmt, dass man eine Alzheimer-Diagnose schon bei leichten kognitiven Störungen stellen könne. Sie sehen in der neuen Definition eine «Ausweitung des Krankheitsbegriffs» und eine Möglichkeit des «Disease Mongering», also der Krankheitserfindung. Sie betonen, dass die international gültigen Kriterien nicht erfüllt seien und somit keine Alzheimer-Krankheit vorliege.
Diese zwei Vertreter, Horst Christian Vollmar und Thomas Lichte, heben hervor, dass die Ausweitung der Diagnose möglicherweise darauf abzielt, den Weg für den Absatz teurer Medikamente zu ebnen. Ein konkret genanntes Präparat ist Leqembi, das bereits in den USA erhältlich ist und das Anfang 2024 in Europa zugelassen werden könnte. Es wird im Artikel auch darauf hingewiesen, dass die Leitlinien-Koordinatoren von Interessenkonflikten betroffen seien, da sie auch für verschiedene Arzneimittelfirmen arbeiten.
Die Kritiker warnen davor, zu früh eine Alzheimer-Diagnose zu stellen, da dies negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben könnte. Im schlimmsten Fall sei auch eine erhöhte Rate von Suizidversuchen eine mögliche Folge.
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