Das International Neutrality Colloquium fand am 25. und am 26. Juni im beschaulichen Troinex nahe Genf statt, organisiert vom Geneva Center for Neutrality (GCN) und unterstützt von namhaften Friedensorganisationen wie World BEYOND War, dem International Peace Bureau oder REDIPAZ. Etwa 90 Teilnehmende aus 27 Ländern hatten sich angemeldet – rund 50 waren vor Ort, etwa ein Dutzend digital zugeschaltet. Mit dabei: Peter König und Ariet Güttinger von der Bewegung für Neutralität, (bene.ch), das sich für eine Kultur der Gewaltfreiheit engagiert.
Im Zentrum der Veranstaltung stand eine Vision: Neutralität nicht als Passivität, sondern als aktive Kraft für Frieden neu zu denken.
Schon zum Auftakt des Kolloquiums wurde deutlich: In einer Welt, die von neuen Spannungen, Kriegen und einer beschleunigten Aufrüstung – auch im digitalen Raum – geprägt ist, muss Neutralität neu verortet werden. Die Teilnehmenden diskutierten in fünf thematischen Arbeitsgruppen:
- Praktiken der Neutralität heute
- Digitale Neutralität in Zeiten von Cyberkrieg und KI-Aufrüstung
- Neutralität und Medien
- Gemeinsame Sicherheit in einer militarisierten Welt
- Aufbau einer neuen blockfreien Bewegung
Dabei wurde betont, dass Neutralität heute mehr ist als außenpolitische Zurückhaltung. Vielmehr handelt es sich um eine aktive, ethische Haltung, die sich durch diplomatische Vermittlung, Nichtbeteiligung an Sanktionen und Kriegen sowie durch Engagement für Gerechtigkeit auszeichnet.
Zu den zentralen Diskussionsergebnissen gehörte die Erkenntnis, dass Neutralität keinesfalls mit Gleichgültigkeit verwechselt werden darf. Vielmehr sei sie:
- Ein Instrument aktiver Friedensförderung: Neutralität bedeutet nicht Wegschauen, sondern diplomatisches Engagement zur Konfliktlösung.
- Ein Bekenntnis zu Souveränität und Blockfreiheit: Staaten sollen unabhängig handeln können, ohne sich globalen Machtblöcken zu unterwerfen.
- Auch digital notwendig: Angesichts zunehmender Cyberkonflikte müsse sich Neutralität auf digitale Räume erstrecken.
- Medienverantwortung eingeschlossen: Neutralität brauche verlässliche, faktenbasierte Information statt gezielter Desinformation.
- Zivilgesellschaft als treibende Kraft: Statt alter Begriffe wie «Blockfreiheit» soll Neutralität künftig verstärkt durch zivilgesellschaftliche Initiativen getragen werden.
- Ein zentrales Ergebnis des Kolloquiums ist die Erarbeitung einer Aktionsagenda, die aktive Neutralität als Grundlage für nachhaltigen Frieden versteht.
Das Programm umfasst:
- Kurzfristig (2025–2026): Aufbau eines internationalen Netzwerks von Akteuren neutraler Politik – darunter Universitäten, NGOs und Regierungsstellen.
- Mittelfristig (2026–2030): Einsatz für eine UN-Erklärung zur aktiven Neutralität, insbesondere mit Blick auf digitale Räume.
- Langfristig (ab 2030): Verabschiedung eines global bindenden Abkommens über Neutralität im digitalen Zeitalter sowie Integration neutraler Prinzipien in UN-Reformen und regionale Friedensarchitekturen.
Besonders betont wurde: Aktive Neutralität braucht keine verfassungsrechtliche Verankerung – sie kann, wie Beispiele aus Asien (Vietnam, Bhutan, Malaysia) zeigen, auch politisch und diplomatisch gelebt werden.
Die Ergebnisse des Kolloquiums sollen als Grundlage für den Zweiten Internationalen Neutralitätskongress dienen, der noch 2025 in Genf stattfinden wird. Zudem ist geplant, die verabschiedete Final Declaration sowie die Action Agenda to Promote Active Neutrality in überarbeiteter Form bald zu veröffentlichen.
Das Kolloquium in Genf hat gezeigt: Neutralität ist kein Auslaufmodell, sondern ein politischer Kompass für eine friedlichere Weltordnung. Wenn sie aktiv verstanden und global getragen wird, kann sie eine wirkungsvolle Alternative zur Logik von Machtblöcken und militärischer Eskalation sein.