Am Dienstag gelangte ein SPÖ-Strategiepapier aus der Feder des Meinungsforschungsinstituts SORA unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit. Der Leak macht die politische Schlagseite von SORA deutlich.
In dem Dokument werden persönliche Überlegungen von SORA-Sozialforscher Günther Ogris skizziert. Dabei geht es unter anderem um das Potenzial des Bundesparteivorsitzenden der Sozialdemokraten (SPÖ) Andreas Babler als Kanzlerkandidat im Kontext der Wahlen im Jahr 2024 und wie eine Ampelkoalition jenseits von Türkis-Blau ermöglicht werde. Doch statt an die SPÖ ging das Dokument an 800 andere Adressaten.
In der 42-seitigen Powerpoint-Präsentation sind ausserdem mögliche Agenda-Themen für Babler zu finden sowie Antworten auf unangenehme Fragen vorformuliert. Sogar ein Schattenkabinett wird in Betracht gezogen. Für ein positives Kanzler-Image soll Babler als volksnah und volksverbunden dargestellt werden.
So soll Babler (Mitte) in der Öffentlichkeit positiv dargestellt werden. Quelle: Screenshot Strategiepapier
Schmutzkampagnen inklusive
Das Papier handelt auch davon, Schmutzkampagnen gegen politische Gegner zu fahren. Der ÖVP soll im Wahlkampf eine Nähe zur FPÖ vorgeworfen werden und dass sie «die Hure der Reichen» sei. Um die Ampelkoalition zu ermöglichen, müsse die SPÖ in ihrer Erzählung das «Image der Neos in Richtung ÖVP drängen, damit sie von der ÖVP Stimmen» gewinnen.
Der FPÖ soll wiederum vorgeworfen werden, den Menschen die Rechte zu nehmen oder Hass auf Kinder zu schüren. Unter anderem steht im Papier: «FPÖ = Hass». Das Duell um die Kanzlerschaft müsse lauten: «Babler oder Kickl» – «Liebe oder Hass».
Herbert Kickl, Bundesparteivorsitzender der FPÖ, bezeichnete die Unterlagen als einen «Aufmarschplan für eine links-linke Bundesregierung für die österreichische Ausgabe der Ampel» (siehe Video). SORA habe der Sozialdemokratie eine Gebrauchsanweisung für dieses Ziel angeboten. Dieses Problem betreffe nicht nur SORA. Kickl:
«Das Problem besteht darin, dass dieselben Firmen, die Meinungsforschung betreiben und damit den Anspruch erheben, sozialwissenschaftlich tätig zu sein, unter anderem Namen Strategieberatung machen. Das heisst, die Zahlen, die erhoben werden, stehen bei den allermeisten in einem unmittelbaren Konnex mit strategischen Beratungsleistungen für irgendwelche politischen Parteien und sind natürlich vor diesem Hintergrund auch zu interpretieren.»
ORF beendet Zusammenarbeit
Brisant: SORA erstellte für den Österreichischen Rundfunk (ORF) seit Jahren Wahlprognosen und -analysen. Nun sah sich der öffentlich-rechtliche ORF am Mittwoch gezwungen, die Zusammenarbeit per sofort zu beenden. Damit sollte jeglicher Anschein von Einseitigkeit unterbunden und die Glaubwürdigkeit bewahrt werden.
Zwar erstellte SORA die strategischen Empfehlungen, die am Montag Babler präsentiert wurden, ohne dafür einen Auftrag von der SPÖ erhalten zu haben. Dennoch ist der Interessenkonflikt offensichtlich, wenn SORA sich dieser Mittelinkspartei anbietet und gleichzeitig mit dem ORF zusammenarbeitet.
Ogris hatte sich seit Wochen um einen Termin bei Babler bemüht. Es ist dem Mitgründer und Co-Leiter von SORA wohl darum gegangen, öffentliche Gelder in Form eines offiziellen Auftrags für das Unternehmen einzuwerben, indem er sein Wissen bereitwillig zur Verfügung stellt.
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