Satire gilt seit jeher als eine Kunstform, mit der Kritik an der Obrigkeit geübt wird. Sie erfolgt von unten nach oben und dient als Ventil gerade für die einfachen Bürger. Wie sonst sollen sie den Personen an den Schalthebeln der Macht möglichst wirkungsvoll mitteilen, dass sie mit ihrer Politik unzufrieden sind?
Satirische Bilder haben eine lange Tradition. Sie kamen schon im England des 17. Jahrhunderts zum Einsatz und wurden auch während der Französischen Revolution gerne herangezogen, um die Mächtigen zu verspotten. Im vermeintlich «besten Deutschland aller Zeiten» ziehen sie hingegen Strafverfolgung wegen Majestätsbeleidigung nach sich.
Der prominenteste Fall in jüngster Vergangenheit ist die sogenannte «Schwachkopf»-Affäre. Der Regisseur Alexander Tuschinski hat sie nun dokumentarisch verarbeitet, in einer Machart, die bereits aus seinen früheren Dokumentationen bekannt ist. Meistens zeichnet er kurze, prägnante Porträts von Personen, die dem Zeitgeist und der gegenwärtigen Politik kritisch gegenüberstehen, so wie der Musiker Yann Song King in «Flüstern und Lachen» oder der Künstler Vanderkurth in «Statue of Liberty».
Nur ein einfacher Retweet
In seinem jüngsten Film rückt Tuschinski Stefan Niehoff in den Vordergrund, einen 64-jährigen Rentner aus Franken, der die «Schwachkopf»-Affäre ausgelöst hatte. Dabei tat dieser nichts anderes, als auf der Plattform X ein Meme zu retweeten. Auf dem Foto zu sehen waren der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und darunter das bekannte Logo der Firma «Schwarzkopf Professional».
In einem simplen Wortspiel wurde dieses in «Schwachkopf» umgewandelt. So unspektakulär diese Art der Satire daherkam, so filmreif waren deren Folgen. Niehoff bekam kurz darauf in den frühen Morgenstunden Besuch von mehreren Polizisten, die als Geschenk einen Durchsuchungsbeschluss mitbrachten. Die Strafanzeige hatte Habeck höchstpersönlich erstattet. Der Vorwurf: Volksverhetzung.
Der Fall schlug hohe Wellen, mehrere Medien griffen ihn auf, insbesondere die alternativen Portale. Doch die rezipiert nur ein geringer Teil der Bevölkerung, sodass der Rest die Hintergründe der Geschichte nicht kennen dürfte. Sie folgen den Assoziationen, die die Berichterstattung des regierungstreuen Mainstreams auslöst. Entspricht dieses Bild aber der Realität? Dieser Frage geht Tuschinski in seiner Dokumentation nach, indem er wie schon in den vorherigen Filmen seinem Protagonisten bis in den privaten Bereich folgt.
Ein bodenständiger und sympathischer Protagonist
Die meisten Szenen spielen sich in Niehoffs Haus oder in unmittelbarer Umgebung ab, mal in dessen beschaulicher Gemeinde Ibind, mal an der Grenze zu Thüringen, wo der 64-jährige Rentner seine Erinnerungen an den Mauerfall rekapituliert. Niehoff erzählt von seiner familiären Vergangenheit, von seinem Berufsleben oder von Parteien, die er früher wählte.
Er präsentiert sich als bodenständiger Bürger, als der er auch erkennbar wird. Tuschinski gelingt es, ein authentisches Porträt von dem vermeintlich hochgefährlichen «Dissidenten» zu zeichnen, auch weil er dessen Familie miteinbezieht. Niehoff erweist sich als ein sympathischer, höflicher Mensch, der das Herz am rechten Fleck hat – keineswegs als verhärteter Aktivist oder gar Agitator. Das häusliche Interieur ist schlicht, die Lebensweise bescheiden.
Ebenso wenig erkennt man in ihm einen «Rechtsradikalen», den die Ermittlungsbehörden und dann die Leitmedien aus ihm gemacht haben. Diese gerieten nämlich infolge der «Schwachkopf»-Affäre in die Defensive und mussten die aufschäumende Kritik künstlich übertünchen, um ihr unverhältnismäßiges Vorgehen zu rechtfertigen.
Also durchkämmte man Niehoffs Social-Media-Aktivitäten und suchte verkrampft nach Aussagen und Bildern, die sich mit viel Fantasie als «rechtsextrem» framen ließen. Irgendwann spielte das «Schwachkopf»-Meme in den Ermittlungen keine Rolle mehr, sondern sechs Bilder und Zitate mit Bezug zum Dritten Reich – die jedoch kritisch gemeint waren, kritisch gegenüber der autoritären Politik, wie sie in der Strafverfolgung Niehoffs quasi performativ zum Ausdruck kommt.
Filmische Mängel
Die Auseinandersetzung mit der eigentlichen Polit-Affäre und deren Folgen erfolgt erst in der zweiten Hälfte des Films – und selbst dann relativ kurz. Bis dahin kreist er größtenteils um das Privatleben des Protagonisten, wobei sich Tuschinski oftmals selbst einbringt, ob als Erzähler, Fragensteller aus dem Off oder als Mitwirkender vor der Kamera.
Im Großen und Ganzen plätschert die Dokumentation ein wenig dahin. Sie hat weder Subtext noch einen Fokus, kein Motiv, das auf ein Wahrheitszentrum außerhalb der filmischen Welt verweist. Nur hier und da finden sich Sequenzen, die dieses Potenzial deutlich machen, dort etwa, wo Niehoff eine einst frequentierte, mittlerweile aber geschlossene Bäckerei zeigt oder den Regisseur auf den Marktplatz im thüringischen Hildburghausen bringt, der seit der DDR-Zeit brachliegt.
Im Verfall dieser Orte spiegelt sich der schleichende Untergang des ganzen Landes, er verweist darauf, was die Bürger bei der gegenwärtigen Politik erwartet – ebenso wie die «Schwachkopf»-Affäre. Möglicherweise wäre es besser gewesen, sich mit ihr nicht in Form eines Porträts auseinanderzusetzen, sondern in einem unkommentierten Dokumentarfilm, der die Brisanz und Tragweite des Falles mit Parallelen zu Skandalen ähnlicher Art zur Geltung bringt, durch die Montage widersprüchlicher Aussagen der Politiker und Leitmedien, durch Memes, die formal in die gleiche Kerbe schlagen, aber einen ideologisch anderen Inhalt haben und deshalb keine Strafverfolgung nach sich ziehen.
Das Thema bietet jedenfalls genug Raum für eine weitgreifende und tiefgründige Auseinandersetzung. Doch dafür müsste man sich mehr Zeit nehmen. Tuschinski drehte sein filmisches Porträt innerhalb weniger Monate, was die Mängel rechtfertigt. Es ist kein spannungsreicher Enthüllungsfilm, aber ein kleines Denkmal für einen mutigen Bürger.
Und Niehoff hat es verdient, schon allein wegen seines unerschütterlichen Glaubens an die Demokratie. In einer Szene sagte er, dass er noch das Gefühl habe, in einer zu leben. Deshalb werde er auf X weiterhin seine Meinung äußern, wenn es sein muss satirisch. Der Mann lässt sich nicht einschüchtern – gut so!
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