«Trumps Zoll-Hammer gegen die Schweiz» – so habe ich meinen Kommentar von Freitag betitelt (weiterer Link zu einer entsprechenden Analyse im Beitrag). Nun sind die ersten Schmerzschreie in der Schweiz nach der Ankündigung eines exorbitanten Zolls von 39% verhallt.
In der Schweiz mischt sich die Dauerkritik an Trump mit der Erkenntnis, dass die Schweiz falsch verhandelt und sich in Sicherheit gewogen hat. Es tauchen erste Stimmen auf, die verlangen, dass man sich gegenüber den US-Amerikanern weniger hörig und unterwürfig gibt und neue Akzente setzt.
Offenbar hatte Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP/St. Gallen) das Dossier an sich gerissen und fast im Alleingang behandelt. Im letzten Telefongespräch, das stattfand, unmittelbar bevor der Zollhammer niedersauste, versuchte sie offenbar, Trump zu erklären, dass es falsch ist, nur die Handelsbilanz zu betrachten, die stark zugunsten der Schweiz ausfällt, und die Zahlungsbilanz zu vernachlässigen, die ausgeglichener ist.
Das ist zwar alles richtig, aber es erscheint blauäugig angesichts der Tatsache, dass Trump seit den 80er Jahren behauptet, dass Länder, die eine positive Handelsbilanz gegenüber den USA aufweisen, diese benachteiligen würden. Dennoch hat die Schweizer Bundespräsidentin am Telefon versucht, ihn von dieser Überzeugung abzubringen.
Die Handelsbilanz ist aus zwei Gründen gegenüber den USA in starker Schieflage: Einerseits wegen des teuren Exportes von Pharmaprodukten aus Basel, andererseits wegen des Umschmelzens von Gold im Tessin und im Kanton Neuenburg. Es handelt sich bei Letzterem nur um ein simples Umschmelzen: Gold wird in die Schweiz verschoben, umgeschmolzen und wieder ausgeführt. In der Handelsbilanz erscheint das nun aber zum vollen Goldwert.
Paradoxerweise scheint es, dass eben gerade diese beiden Zweige vom Zollhammer ausgeschlossen sind. Die Zeche zahlen also kleine und mittelgroße Schweizer Betriebe mit großem oder mittelgroßem Exposure in den USA.
Es geht noch ein paar Tage, bis das neue Zollregime in Kraft tritt. Und nun versucht man, zu retten, was zu retten ist. Offenbar soll nun Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP/Waadt) die Verhandlungsführung übernehmen. Was kann der lange sträflich unterschätzte Waadtländer Weinbauer überhaupt ausrichten?
Anzubieten hat er nicht viel. Ein Deal wie derjenige der EU, überteuertes Flüssiggas aus den USA gegen geringere Zölle zu kaufen, würde sich nicht empfehlen, schon aus Gründen der Selbstachtung. Man weiß nicht, was Trump geritten hat, dass er die Schweiz schlechter behandelt als praktisch alle anderen Industrieländer. Aber man kann es vermuten.
Die Schweiz ist ein kleines Land, das sich kaum wehren kann. Aber sie ist wohlhabend. Es gibt etwas zu holen. Das haben die US-Amerikaner in den letzten Jahrzehnten entdeckt und weidlich ausgenutzt. Dass diese Deals jeweils sehr einseitig zugunsten von Uncle Sam ausfallen, realisiert die amerikafreundliche Schweizer Elite noch nicht – ist sie jetzt am Erwachen?
Die Basler Pharma macht mit dem Verkauf von sündteuren Pharmaprodukten in den USA ein Heidengeld. Möchte Trump zeigen, dass er das nicht länger akzeptiert? Anstatt ihn zu belehren, wäre es angezeigt gewesen, bereits im Frühling den Pharmachefs, wie Novartis-Chef und Groß-Abzocker Vas Narasimhan, hart aufs Hühnerauge zu treten und Preissenkungen gewisser Medikamente zu dekretieren. Das hätte etwas Mut gebraucht, aber wenn große Firmen mit Arbeitsplatzverlusten drohen, macht die Schweiz meist den Bückling.
Auch bei der wenig lukrativen Goldschmelze wäre es angezeigt gewesen, dieses Geschäft mit Exportzöllen zu belasten. Das hätte auf der Handelsbilanz sehr schnell etwas gebracht. Nun dürfte es wieder kleine und mittlere Firmen treffen, die es nicht schaffen, die Zölle über die Preise überzuwälzen, in den USA zu produzieren oder diesen Markt aus Drittländern zu beliefern.
Wie weiter? Am Anfang steht die Erkenntnis, dass die USA nicht (mehr) der natürliche Freund und Partner sind, dass die USA überschuldet sind, Weltmarktanteile verlieren und ihre Macht, die sie (noch) haben, schamlos ausnützen.
Zweitens drängt sich auf, wie man das am Wochenende in den Medien lesen konnte, endlich die wenigen Stellhebel zu bewegen, die wir gegenüber den Vereinigten Staaten haben. Dazu gehört ein Kurswechsel bei der Kampfjetbeschaffung. Wie das gehen könnte, hat FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann skizziert.
Und drittens geht es darum, nicht mehr alles auf die Karte USA zu setzen und handelspolitisch zu diversifizieren, zum Beispiel Richtung Europa, China und den BRICS. Ebenfalls am Wochenende wurden erste Stimmen laut, die darauf hinwiesen, dass wir nun umso mehr auf geregelte Wirtschaftsbeziehungen zur EU angewiesen sind. Trumps Zollhammer spielt den Befürwortern der neuen Serie von bilateralen Verträgen in die Hände.
Die am Wochenende vorgeschlagenen Maßnahmen wie Kurzarbeit sind vielleicht nötig, aber Pflästerli, die das oben Genannte nicht ersetzen können.