Die Digitalisierung durchdringt nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens. Immer mehr Handlungen finden online statt und hinterlassen dabei Datenspuren, die oft unbewusst und unkontrolliert gesammelt werden.
Mit den Fortschritten in der Künstlichen Intelligenz (KI) und steigender Rechenleistung sind wir an einem Punkt angelangt, an dem diese Daten vollautomatisiert ausgewertet werden können. Dies bietet sowohl Chancen als auch Risiken. Während die Digitalisierung viele Vorteile bringt, birgt sie auch Gefahren, die nicht unterschätzt werden dürfen.
Die Piratenpartei sieht die Notwendigkeit, die vielen Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu minimieren, schreibt das Initiativkomitee auf seiner Webseite.
«Unser Ziel ist, dass die Digitalisierung den Menschen dient und nicht gegen die Interessen der breiten Bevölkerung eingesetzt wird», betont Monica Amgwerd, Generalsekretärin der Zürcher Piratenpartei auf der Plattform Watson.
Die Zeit sei reif für ein Grundrecht auf digitale Integrität, das als humanistische Antwort auf den Paradigmenwechsel des Digitalzeitalters dienen soll.
Das Grundrecht auf digitale Integrität soll den Menschen ein Mittel geben, sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen und ihre Daten zu schützen. Der Gesetzgeber wäre verpflichtet, diese neuen Rechte zu respektieren und umzusetzen. Ein solches Grundrecht würde die Pflicht aller Akteure betonen, ihre Tätigkeiten und Dienstleistungen so zu gestalten, dass die digitale Integrität der Menschen gewährleistet bleibt.
Ereignisse wie der Cambridge-Analytica-Skandal und zahlreiche Datenlecks bei staatlichen Stellen in der Schweiz haben die Gefahren des Überwachungskapitalismus und staatlicher Datensammlung deutlich gemacht. Diese Vorfälle zeigen, wie wichtig es ist, solche Gefahrenpotenziale zu minimieren. Die Piratenpartei sieht es als ihre Pflicht an, dafür zu sorgen, dass der Staat und private Unternehmen ihre Macht nicht missbrauchen.
Trotz der Dringlichkeit des Themas hat das Schweizer Parlament im Dezember 2023 entschieden, die Bundesverfassung nicht um das Recht auf digitale Unversehrtheit zu erweitern. Ein Vorstoß des SP-Politikers Samuel Bendahan wurde im Nationalrat klar abgelehnt. Die Piratenpartei bedauert diesen Entscheid und sieht ihn als Zeichen dafür, dass der Druck durch Volksinitiativen notwendig ist, um die digitale Unversehrtheit der Bürger zu schützen.
Kritiker argumentieren, dass der bestehende Grundrechtskatalog der Bundesverfassung ausreicht. Doch Monica Amgwerd weist darauf hin, dass wesentliche Rechte fehlen:
«Es existiert weder ein Recht auf Vergessenwerden noch ein Recht auf ein Offline-Leben. Auch ein Recht auf Informationssicherheit oder darauf, nicht von einer Maschine beurteilt zu werden, fehlt.»
Diese Lücken zeigen, dass ein Grundrecht auf digitale Integrität notwendig ist, um die digitalen Rechte der Bürger umfassend zu schützen.
Die Herausforderungen im digitalen Bereich sind vielfältig und miteinander verknüpft. Die Piratenpartei sieht die Notwendigkeit, rechtliche Standards zu installieren, um eine Kultur der Sorgfalt im Umgang mit Daten zu etablieren. Dies umfasst auch das Recht auf Datensicherheit und den Schutz vor Datenlecks, wie sie in der Schweiz zum Beispiel bei der Zürcher Justizdirektion und der Firma Xplain aufgetreten sind.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Initiative ist das Recht darauf, nicht von einer Maschine beurteilt zu werden. Algorithmen entscheiden heute in vielen Lebensbereichen, sei es bei Bewerbungsverfahren oder auch bei kriminalistischen Vorhersagen. Diese Algorithmen sind oft intransparent und ihre Entscheidungen schwer nachvollziehbar. Ein Mensch müsse immer die letzte Instanz bleiben, fordert die Piratenpartei.
Auch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung steht unter Druck. In der EU gibt es Bestrebungen, abhörsichere digitale Kommunikation aufzuweichen, und ähnliche Gefahren drohen auch in der Schweiz. Das Nachrichtendienstgesetz (NDG) und kantonale Polizeigesetze sehen den Einsatz von Staatstrojanern vor. Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, solche Eingriffe in die digitale Privatsphäre zu verhindern.
Die Hürde für die Initiative im Kanton Zürich ist machbar, aber dennoch bleibt die Sammlung von 6.000 Unterschriften in 6 Monaten eine Herausforderung – die Unterschriftensammlung läuft bis am 8. August. Die Piratenpartei ist zuversichtlich, dass die Initiative vom Stimmvolk angenommen wird, zumal in Genf bereits eine ähnliche Initiative mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde.
Würden immer mehr Kantone ein derartiges Grundrecht in ihre Verfassungen schreiben, dann würde das den Druck auf den Bund erhöhen, das ebenfalls zu tun.
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