Die Gruppierung «No Name» hat am Montag Systeme der Bundesverwaltung angegriffen. Mehrere Internetseiten des Bundes waren gestern nicht erreichbar. Darunter auch diejenige des Parlaments.
«Pro-russische Hacker legen Webseiten des Bundes lahm», titelte der Blick. Die Spezialisten der Bundesverwaltung hätten den Angriff jedoch rasch bemerkt und Massnahmen getroffen, um die Erreichbarkeit der Webseiten und Anwendungen so rasch wie möglich wieder herzustellen, teilte der Bund gestern mit.
Die Angriffe scheinen kein Ende zu nehmen. Denn nach wie vor hat der Bund zu kämpfen. Auch die Seite des Verteidigungsdepartements war heute von Angriffen betroffen, wie 20 Minuten berichtet.
Es handelte sich um sogenannte DDoS-Attacken. Mit unzähligen Anfragen via sogenannter Bot-Netze werden dabei Server bombardiert, bis sie den Geist aufgeben. Sicher ist: Im virtuellen Raum herrscht Krieg. Der Konflikt in der Ukraine ist auch ein Cyberkrieg. Und er kennt keine nationalen Grenzen. Betroffen ist auch die Schweiz, wie sich nun zeigt.
«Während die Schweizer Behörden weiterhin Waffen an ukrainische Nazis liefern, bestrafen wir die russophoben Portale des Landes», schreibt die Gruppierung «No Name» auf Telegram.
Und weiter: «Der ukrainische Präsident Selenski dankte der Schweiz für ihr Mittragen des zehnten EU-Sanktionspakets gegen Russland. Wir dankten nun den Russophoben unter den Schweizern ebenfalls und sandten DDoS-Raketen an die Website des Schweizer Parlaments.» Ob sich Selenski tatsächlich bedankte, ist unklar. Klar ist aber: Die Angriffe sorgen in der Schweiz gegenwärtig für rege Diskussionen.
Die Schweiz müsse ihre Politik unabhängig von Druckversuchen und Hackerangriffen festlegen, sagt etwa FDP-Präsident und Sicherheitspolitiker Thierry Burkart: «Wir dürfen uns nicht erpressen lassen. Nur so sind wir ein souveräner Staat.»
Weniger Bedeutung misst die Grüne Nationalrätin Marionna Schlatter dem Angriff zu. «Die Attacke ist leider nichts Aussergewöhnliches», sagt die Zürcher Sicherheitspolitikerin. Die Schweiz sei ein attraktives Ziel für Hacker – als bedeutender Finanzplatz, als reiches Land und Sitz vieler internationaler Organisationen.
Ganz anders sieht es die Organisation MASS-VOLL!. Die Bewegung, die sich für die Nationalratswahlen im kommenden Herbst in Stellung bringen will, nahm den Angriff sogleich zum Anlass, um eine Medienmitteilung zu veröffentlichen.
«Verantwortungslos gab die Schweiz ihr Erfolgsmodell der Neutralität auf und verhängte Sanktionen gegen Russland. Als Reaktion hierauf attackieren Hacker erfolgreich die Eidgenossenschaft», schrieb die Organisation am Montag.
MASS-VOLL! erachtet es als grossen Fehler, dass die Schweiz die Sanktionen gegen Russland übernommen hat. Gefordert wird, dass diese nun sofort aufgehoben werden.
Die Schweiz müsse zu einer «friedensstiftenden Neutralität» zurückkehren und Waffenlieferungen an Kriegsparteien via Drittstaaten unterbinden. Anstatt sich immer mehr an Militärbündnisse wie die NATO anzubinden, sollte die Schweiz sich wieder für Friedenverhandlungen einsetzen. «Die mutlose Landesregierung muss endlich Verantwortung übernehmen», so die Organisation.
Ein Dorn im Auge ist für MASS-VOLL! insbesondere auch die geplante Rede von Wolodimir Selenski. «Der Bundesrat muss die Rede von Selenski absagen. Das Parlament ist keine Bühne für Staatschefs von kriegsführenden Nationen. Auch nicht für Putin», sagt MASS-VOLL!-Präsident Nicolas A. Rimoldi gegenüber Transition News.
Auch in Bundesbern gibt die angekündigte Rede viel zu reden. Die SVP will sich vom Selenski-Auftritt fernhalten. Ein Verhalten, das wiederum die SP empört.
SP-Präsident Cédric Wermuth schrieb kürzlich auf Twitter an die Adresse der SVP: «Was sie machen ist Cancel Culture im Auftrag Moskaus.» Derselbe Wermuth war es auch, der im März 2022 zu Cyberangriffen gegen russische Seiten aufrief.
Doch zurück zu Selenskis geplantem Auftritt: Hinter vorgehaltener Hand wird im Bundeshaus gegenwärtig eifrig diskutiert, ob russische Akteure versuchen werden, Selenskis virtuellen Auftritt zu verhindern. Dies zumindest berichten Medien. Insider sagen jedoch, dass dazu mehr nötig wäre als ein DDoS-Angriff.
Unabhängig davon: Für Kritiker steht fest, dass die Schweiz ihre Ukraine-Politik anpassen muss. Rimoldi ist überzeugt: Die einseitige Parteinahme der Schweiz zugunsten der Selenski-Regierung schade der Schweiz. «Die jetzige Schweizer Ukraine-Politik animiert staatliche und auch nicht staatliche Akteure geradezu, die Schweiz anzugreifen.»
Der MASS-VOLL!-Präsident macht auf den Zeitpunkt des Angriffs aufmerksam. «Es ist wohl kein Zufall, dass die Angriffe auf Systeme der Schweizer Bundesverwaltung genau am russischen Nationalfeiertag stattgefunden haben.»
Rimoldi verweist zudem auf das NATO-Grossmanöver «Air Defender 23», das diese Woche in Deutschland begonnen hat. Es handelt sich hierbei um die grösste Luftverlegeübung in der Geschichte der NATO.
Gerade auch vor diesem Hintergrund sei es jetzt höchste Zeit für die Schweiz, ihre Aussenpolitik wieder anzupassen. «Die Rolle der Schweiz muss es sein, ein neutraler Vermittler zu sein.» Dies sei gerade jetzt umso wichtiger, weil die geopolitischen Zeichen gegenwärtig auf Eskalation stünden.
Gemäss dem MASS-VOLL!-Präsidenten stehen die Grundsätze der Schweizer Politik und insbesondere die Aussenpolitik auf dem Spiel. «Was wir gerade beobachten, ist eine schleichende Zersetzung der Schweizer Souveränität. Diese müssen wir uns zurückerkämpfen», so Rimoldi, der eine gleichnamige Initiative lancieren wird.
Der MASS-VOLL-Präsident befindet sich gerade im Endspurt um das Covid-19-Gesetz. Am Sonntag werden die Schweizer Stimmbürger zum dritten Mal über das umstrittene Gesetz abstimmen. Dies, nachdem MASS-VOLL! und die Freunde der Verfassung erfolgreich das Referendum ergriffen haben.
Zudem arbeitet er am Wahlprogramm für MASS-VOLL! Rimoldi und weitere Protagonisten der Organisation wollen im kommenden Herbst für den Nationalrat kandidieren.
Kommentare