Der Druck auf die Schweiz nimmt zu. Souveränität, Unabhängigkeit und Neutralität stehen unter Beschuss. Dies geht klipp und klar aus dem «Entwurf eines Berichts zu den Beziehungen EU-Schweiz» hervor. Verfasst wurde dieser vom EU-Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten im April 2023.
Die Schweiz wird darin unter anderem für ihre Ukraine-Politik gewürdigt. In dem Bericht liest man Zeilen wie diese: Die EU «begrüsst, dass sich die Schweiz in diesem Zusammenhang den EU-Sanktionen angeschlossen hat und damit von ihrer traditionell neutralen Haltung abweicht».
Brüssel, so der Bericht, habe vor dem Hintergrund des «russischen Angriffskriegs» schliesslich ein starkes «Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Schweiz in Fragen des internationalen Friedens, der Sicherheit und der Verteidigung».
Auch begrüsst Brüssel: «Eine engere Zusammenarbeit» der Schweiz mit der EU und der NATO, welche die Schweiz «anstrebt» und «die Beteiligung der Schweiz am Programm ‹Partnerschaft für den Frieden›».
Doch damit nicht genug: Der EU-Bericht fordert die Schweiz «mit Nachdruck» auf, «ihre Zusammenarbeit mit der EU in den Bereichen Ernährungssicherheit und Verteidigung zu vertiefen».
Auch bei der Schweizer Finanzpolitik will die EU noch ein Wörtchen mitzureden haben: Die Schweiz, findet der EU-Bericht, solle «die Beschlagnahme und Konfiszierung von russischen Vermögenswerten» weiter verstärken.
Zudem «ermutigt» die EU die Schweiz, «restriktive Massnahmen» gegen Russland «streng und konsequent anzuwenden und ihre Umgehung zu verhindern».
Und zuletzt anvisiert die EU, ihre Fühler auch bis in die Schweizer Justiz auszustrecken. Eine «gemeinsame Gerichtsbarkeit», so der Bericht, sei «eine Voraussetzung für einen gemeinsamen Markt» zwischen der EU und der Schweiz. Die bisherigen bilateralen Abkommen seien «überholt».
In Bern sei man offenbar nicht gerade erfreut über den EU-Bericht. Dies zumindest sagt Weltwoche-Chefredaktor und Nationalrat Roger Köppel.
Köppel zufolge habe Aussenminister Ignazio Cassis diesen Bericht jüngst kommentiert. Über die Reaktionen in Bern sagte Köppel: «Ich spüre da ein gewisses Unbehagen gegenüber diesem Bericht. Und dieses Unbehagen teile ich.»
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) nehme die Angelegenheit ernst. Unklar ist aber, was der Aussenminister über den Bericht genau gesagt hat. «Diese Kommentare unterstehen dem Kommissionsgeheimnis», sagte Köppel am Mittwoch auf Weltwoche Daily.
Das Thema Schweiz-EU könnte derzeit kaum aktueller sein. Heute Mittwoch soll der Bundesrat offenbar die Eckpunkte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU vorlegen.
Zur Erinnerung: Am 26. Mai 2021, also vor rund zwei Jahren, hat der Bundesrat die Verhandlungen um das Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen.
Kommentar Transition News
Immerhin löst dieser Bericht auch in der Schweizer Hauptstadt scheinbar «Unbehagen» aus. Vielleicht rütteln die Zeilen ja den einen oder anderen Politiker in Bern auf. An Deutlichkeit lässt der Bericht nichts zu wünschen übrig. In den Augen der EU-Spitzenpolitiker ist die Schweiz schon längst nicht mehr neutral, wie aus dem Bericht hervorgeht. Dass die Schweiz neutral sei, glaubt offenbar bloss noch das Polit-Establishment in Bern.
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