Das elektronische Patientendossier (EPD), das bereits 2021 eingeführt wurde, hat bisher nur einen geringen Teil der Schweizer Bevölkerung erreicht (wir berichteten). Bislang haben lediglich etwa 72.000 Menschen ein EPD eröffnet, was weniger als einem Prozent der Bevölkerung entspricht. Um die Verbreitung zu steigern und die Nutzung zu erleichtern, hat der Bundesrat, also die Landesregierung, weitreichende Änderungen beschlossen, wie am Freitag bekannt wurde. Diese sollen dem EPD zum Durchbruch verhelfen und seine Rolle im Gesundheitssystem festigen.
Eine der zentralen Änderungen ist die Einführung eines Opt-out-Modells. Künftig wird jedem Bürger automatisch ein EPD erstellt, es sei denn, man widerspricht aktiv. Wer kein Dossier möchte, muss dies dem Wohnsitzkanton melden.
Zusätzlich soll die bisher dezentral organisierte technische Infrastruktur, die von acht verschiedenen Anbietern bereitgestellt wird, in staatliche Hand übergehen. Der Bund wird eine einheitliche Plattform schaffen, um die Komplexität zu reduzieren und den Austausch von medizinischen Daten effizienter zu gestalten. Diese Zentralisierung, die von vielen politischen Akteuren im Vernehmlassungsverfahren gefordert wurde, soll die Interoperabilität verbessern und die Sicherheit der Daten gewährleisten.
Das EPD wird in Zukunft nicht nur in Spitälern und Pflegeeinrichtungen verpflichtend genutzt, sondern auch bei ambulanten Leistungserbringern wie Hausärzten, Apotheken und Therapeuten. Dies bedeutet, dass alle relevanten Gesundheitsinformationen entlang der gesamten Behandlungskette im Dossier festgehalten werden. Übergangsfristen sollen dafür sorgen, dass sich die Leistungserbringer an die neuen Regelungen anpassen können.
Für den Zugang zum EPD soll die geplante staatliche elektronische Identität (E-ID), die ab 2026 verfügbar sein wird, genutzt werden (wir berichteten).
Während die Mehrheit der politischen Akteure die geplanten Änderungen befürwortet, gibt es auch kritische Stimmen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP), die größte Schweizer Partei, äußerte Bedenken bezüglich des Opt-out-Modells und befürchtet eine Stigmatisierung von Personen, die kein EPD nutzen möchten. Die SP fordert, dass der Schutz der Daten oberste Priorität hat, während die Grünliberalen einen Neustart des gesamten Systems vorschlugen.
Die nächsten Schritte sehen vor, dass der Bundesrat im Frühjahr 2025 dem Parlament die Botschaft zur Gesetzesrevision vorlegt. Die neue technische Infrastruktur soll durch eine Ausschreibung beschafft werden, und die bisherigen Provider werden weiterhin als Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten sowie für Leistungserbringer fungieren.
Kommentar von Transition News
- Sicher hat ein elektronisches Patientendossier, das von allen Leistungserbringern gepflegt wird, einen gewissen Nutzen, indem Doppelspurigkeit in der Diagnose und Behandlung vermieden wird.
- Dem stehen jedoch gewichtige Datenschutzbedenken gegenüber. Sobald Daten vorhanden sind und es technisch möglich ist, diese zu verknüpfen, entstehen Begehrlichkeiten.
- Die Tatsache, dass heute in der Schweiz praktisch jede Institution eine eigene Digitalisierungsstrategie hat und Systeme baut, die nicht kompatibel sind, ist der beste Datenschutz. Dazu kommt, dass das Schweizer Patientendossier heute praktisch nicht genutzt wird.
- Gefährlich für den Datenschutz ist also nicht die Digitalisierung an sich, sondern die Möglichkeit, Daten zu verknüpfen und immer neue Auswertungen zu machen, zum Beispiel in Bezug auf den Impfstatus, was dann neue Möglichkeiten gäbe, Ungeimpfte zu diskriminieren.
- Bei einer Neuauflage des EPD reicht ein Opt-out nicht. Es muss auch garantiert sein, dass dieses zu keinerlei Diskriminierung führt. Zusätzlich ist die Möglichkeit zu schaffen, jeden Eintrag gegenüber Leistungserbringern und letztlich gegenüber dem Staat offenzulegen oder zu sperren. Solche Sperrungen müssen auf einfache Art möglich sein und dürfen keine negativen Folgen haben.
- Heute ist es zum Beispiel für den Schweizer Staat unmöglich, den Impfstatus eines Bürgers zu erheben. Er hat nur aggregierte Daten über die prozentuale Impfquote. Diese Daten haben – wenn überhaupt – die Leistungserbringer und bei der Covid-«Impfung» die Krankenkassen. Und diese dürfen sie nicht weitergeben.
- Wer immer die Möglichkeit hat, dem EPD Steine in den Weg zu legen, soll das tun. Vielleicht lässt sich sogar eine Partei oder Organisation dazu bewegen, das Referendum zu ergreifen. Die Verknüpfung mit der E-ID lässt alle Alarmglocken läuten.
- Und falls das System mal fliegt, sollte ein massenhaftes Opt-out erfolgen. Auch unsere Kinder sollen die Möglichkeit nutzen. Je mehr Bürgerinnen und Bürger davon Gebrauch machen, desto geringer ist die Diskriminierungsgefahr.
- Der Bund möchte den Bürgern dieses System aufoktroyieren. Er weiss aber, dass er damit scheitern würde, wenn er aufträte wie die gegenwärtige österreichische Regierung, die heute hoffentlich abgewählt wird. Deshalb schafft er eine Hintertür.
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