Mit derzeit 15 aktiven WHO Collaborating Centres (WHO CCs) ist die Schweiz alles andere als ein neutraler Zuschauer im Weltgesundheitsgeschehen, wie die Organisation ABF Schweiz vor einigen Tagen schrieb. Universitäten, Bundesämter und Forschungsinstitute übernehmen im Auftrag der WHO Aufgaben, die weit über freiwillige Kooperation hinausgehen. Die Beteiligung der Schweiz am WHO-Netzwerk ist institutionell tief verankert – nicht zuletzt durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das selbst als WHO-Zentrum fungiert.
Die WHO CCs arbeiten nicht unabhängig oder lose vernetzt, sondern nach einem klar definierten Rahmen: Grundlage ist ein vierjähriger Vertrag, der nur bei vollständiger Vertragstreue verlängert wird. Die Arbeitspläne, die ein WHO Collaborating Centre erfüllen muss, sind nicht verhandelbar und folgen ausschließlich den Zielen der WHO – nationale Prioritäten finden darin keinen Platz.
Zu den vertraglichen Pflichten gehören unter anderem die jährliche Berichterstattung über das eCC-System, eine sogenannte Non-Compete-Klausel, die Kooperationen mit konkurrierenden Organisationen untersagt, sowie die Abtretung oder Lizenzierung geistigen Eigentums an die WHO. Forschung mit menschlichen Probanden unterliegt ausschließlich der WHO-Ethikprüfung, nicht der nationalen Gesetzgebung. Selbst das WHO-Logo darf nur unter ausdrücklicher Genehmigung und ausschließlich im Rahmen offizieller WHO-Projekte verwendet werden.
Besonders brisant ist die Rolle des BAG, das als WHO Collaborating Centre für Strahlenschutz und öffentliche Gesundheit agiert. Das Amt übernimmt auf Anforderung der WHO Aufgaben in vier sensiblen Bereichen: Strahlen-Notfälle, Expositionsszenarien, nicht-ionisierende Strahlung (wie 5G) und medizinische Strahlenanwendung. Dabei gibt nicht Bern die Richtung vor, sondern die WHO. Die zuständigen WHO-Verantwortlichen, etwa Zhanat Kenbayeva und Irina Zastenskaya, leiten und beaufsichtigen die Arbeit des BAG – nicht die Schweizer Politik.
Interne WHO-Arbeitspläne und Fortschrittsberichte sind nicht öffentlich zugänglich, was eine transparente nationale Kontrolle weiter erschwert. Die Entscheidungsgewalt über Inhalte und Ausrichtung liegt bei WHO-Offizieren, die direkt an die Zentrale in Genf oder WHO-Regionaleinheiten wie das EURO-Büro in Kopenhagen berichten.
Auch die übrigen WHO CCs in der Schweiz – etwa an den Universitäten Zürich, Genf, Luzern oder am Schweizer Tropeninstitut in Basel – zeigen die Bandbreite der Themen, in denen die Schweiz WHO-Programme unterstützt: psychische Gesundheit, Epidemien, Bioethik, Tropenkrankheiten, Rehabilitation und mehr. Doch überall gilt dasselbe Prinzip: Schweizer Einrichtungen stellen Personal und Infrastruktur, doch die Kontrolle liegt bei WHO-Verantwortlichen aus aller Welt – von Japan über Mexiko bis Belarus.
Die enge institutionelle Bindung an die WHO wirft grundlegende Fragen auf: Wie unabhängig können nationale Behörden agieren, wenn sie im Auftrag einer supranationalen Organisation handeln? Welche Rechenschaftspflichten gelten gegenüber der Schweizer Bevölkerung – wenn die Berichte in Genf bleiben? Und: Ist es mit demokratischen Prinzipien vereinbar, dass strategische Entscheidungen im Gesundheitsbereich zunehmend in internationalen Gremien getroffen werden, statt in nationalen Parlamenten?
Die WHO Collaborating Centres erscheinen nach außen als wissenschaftliche Kooperationen – in Wirklichkeit handelt es sich um streng kontrollierte Durchführungsorgane einer internationalen Organisation. Die Schweiz ist dabei nicht etwa Kooperationspartnerin, sondern Teil eines Systems, das von der WHO gesteuert wird. Neutralität, Eigenständigkeit und demokratische Kontrolle bleiben dabei zunehmend auf der Strecke.
Was im Gesundheitsbereich als nationale Aufgabe erscheint, wird längst international gelenkt. Die Schweiz liefert Know-how, Daten und Ressourcen – doch die Fäden laufen nicht in Bern, sondern in Genf zusammen.
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