Sein Land sei «heute das grösste Problem in der Welt», sagt der ehemalige US-Marine-Offizier und UN-Waffen-Inspektor Scott Ritter in einem Interview. Das hat die Schweizer Zeitung Die Weltwoche in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht.
Ritter verweist auf «die Art und Weise, wie wir mit dem Rest der Welt umgehen». Und fügt hinzu:
«Wir treten als einzigartiger Hegemon auf und bestehen darauf, dass sich die Welt um ein aussergewöhnliches Amerika dreht. Aber auch der Rest der Welt hat eine Stimme, ist von Menschen bevölkert, die gemeinsame Werte haben.»
Er ist sich sicher, dass Russland den Ukraine-Konflikt gewinnen wird. Für den US-geführten Westen sei das ein Problem, da dieser Konflikt jahrzehntelang mit dem Ziel aufgebaut worden sei, Russland zu besiegen.
Doch Russland habe einen Strich durch die westliche Rechnung gemacht und sich als Gegenkraft entwickelt. Dadurch seien «die gesamten nationalen Sicherheits- und aussenpolitischen Strategien von USA und NATO in Europa nicht mehr gültig».
Der Westen empfinde das als existenzielle Bedrohung, mit für alle gefährlichen Folgen:
«Daher wird aktiv über einen Einsatz von Atomwaffen gesprochen. Die Russen hingegen werden keine Atomwaffen präventiv einsetzen.»
Das hatte Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag auf dem Waldai-Forum bestätigt, als er auf eine entsprechende Frage auf die russische Verteidigungsstrategie verwies. Danach würden Atomwaffen zum einen als Antwort auf einen Atomschlag gegen Russland, zum anderen bei der Bedrohung der Existenz der Russischen Föderation durch eine konventionelle Aggression eingesetzt. Nichts davon zeichne sich aktuell ab, so Putin.
Ex-Offizier Ritter kritisiert gegenüber der Weltwoche die westlichen Medien ebenso wie die westlichen Politiker. Sie würden lügen angesichts der Tatsache, dass Russland auf dem Schlachtfeld in der Ukraine die Oberhand habe. Die russische Armee schlachte die ukrainischen Truppen ab, die zwar westliche Waffen bekämen, dafür aber nicht genügend ausgebildet seien. «Sie haben die ukrainische Armee besiegt», stellt der Militärexperte klar.
Und er sagt deutlich:
«Schande über Deutschland, Schande über Europa, Schande über Amerika. Ihr seid verantwortlich für den Tod von einer halben Million ukrainischer Männer.»
Der Westen habe keine andere Wahl, als seine Niederlage in der Ukraine zu akzeptieren, auch wenn er sich dagegen sträube. Russland werde den Krieg gewinnen, betont er, und erst dann sei er zu Ende.
Der Zeitpunkt sei dann gekommen, wenn zum einen die ukrainische Armee nicht mehr weiterkämpfen könne, was in Kürze der Fall sei. Zum anderen werde der Krieg mit einer politischen Lösung beendet, so Ritter.
Er erinnert daran, dass Moskau deutlich gemacht hat, dass die Ukraine niemals der Nato beitreten darf. Das hat Putin in Sotschi erneut erklärt und darauf hingewiesen, dass diese Bedrohung der russischen Sicherheit nicht akzeptiert werde.
Ritter dazu:
«Solange eine ukrainische Regierung darauf besteht, wird der Krieg weitergehen. Er endet erst, wenn diese Regierung kaputt, fertig, weg ist. Wir kommen diesem Zeitpunkt immer näher. Das Selenskyj-Experiment ist vorbei. Wer ihn ersetzt, wird eine bedingungslose Kapitulation unterzeichnen.»
Europa müsse nervös werden, so der Ex-US-Offizier, da die USA zwar in der Defensive seien, aber an ihren Zielen festhalten. Dazu gehöre, Europa als US-Kolonie zu behalten und vom Dollar und der US-Wirtschaft abhängig zu machen, indem der Euro zerstört werde.
Die USA sind aus Sicht Ritters «die grösste Bedrohung für den Weltfrieden», da die Welt von der US-Vorherrschaft zur «multipolaren Realität» übergehe. Während die USA ihre seit mehr als 100 Jahren anhaltende Dominanz über Europa sichern würde, würden Russland und China den Rest der Welt übernehmen, einschliesslich des Bankenplatzes Schweiz.
Der ehemalige UN-Waffeninspektor widerspricht westlichen Behauptungen, Putin sei irrational und ein Diktator. Der russische Präsident höre zu, wenn er sich mit anderen berate – das sei «nicht die Arbeitsweise von Diktatoren».
Und zum Vergleich Putins mit westlichen Politikern sagt Ritter:
«Er ist der einzige Erwachsene im Raum, und ich mag ihn als Kindergärtner, der in einer Klasse mit widerspenstigen Kindern ist.»
Putin sei «der grösste Führer in der Geschichte Russlands», der sein Land aus der existenziellen Krise der 1990er Jahre heraus wieder stark gemacht habe. Aber damit sei er zum Feind des US-amerikanischen aussenpolitischen Establishments geworden. Dazu werde jeder, «der in Russland aufsteht und sagt: Ich will nicht ausgebeutet werden. Ich will, dass Russland auf seinen eigenen Füssen steht.»
«Und wer ist der prominenteste Russe, der aufsteht und sagt: Ich will nicht ausgebeutet werden? Wladimir Putin.»
Ritter schätzt ein, dass es nach dem Ende des Krieges in der Ukraine wieder zu einer Annäherung zwischen Russland und dem Westen kommen kann. Putin werde «der Retter der westlich-russischen Beziehungen sein, weil er nicht verbittert ist».
Der Schweiz rät der US-Militärexperte, an der Neutralität festzuhalten: «Sie macht die Schweiz zu einer grossen Nation, ja, zu einer der grössten Nationen.» Mit einem möglichen Beitritt zur NATO verliere die Schweiz ihre Unabhängigkeit und werde «völlig abhängig von allen anderen».