Seine erste offizielle Auslandsreise seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine führte den ukrainischen Präsidenten nicht etwa nach Europa, das auch an den Folgen des Krieges in seinem Land leidet. Auch machte sich Wolodymyr Selenski nicht nach Russland auf, um mit dessen Präsidenten Wladimir Putin zu verhandeln. Nein, er ging gewissermassen zu seinen Auftraggebern, nach Washington.
Zumindest trat Selenski am Mittwoch vor einer gemeinsamen Sitzung des US-Senats und des Repräsentantenhauses nicht im üblichen olivgrünen T-Shirt auf. Doch einen Anzug? Fehlanzeige; und auch die martialische Farbe legte er nicht ab, sowohl beim Pullover als auch bei der Cargohose nicht. Damit wirkte er wie so oft «underdressed». Das mag man nun als trivial ansehen, ist es jedoch nicht. Kleider machen Leute, und die Botschaft ist klar: Ich bin im Krieg und brauche dafür Waffen und Geld.
So warb der ukrainische Präsident auch in seiner Rede für Finanzhilfen an sein Land. Wie die Austria Presse Agentur feststellt, war der Zeitpunkt des Besuchs gut gewählt: Kurz vor der Abstimmung des Kongresses über zusätzliche knapp 50 Milliarden Dollar an neuer Soforthilfe. Daneben fand er genau 300 Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine statt und am selben Tag wurde ein neuer US-Botschafter für Russland bestätigt. Selenski versicherte:
«Ihre Gelder sind keine Almosen. Sie sind eine Investition in die globale Sicherheit und Demokratie.»
Dass sein Land spätestens seit dem Putsch von 2014 keine wirkliche Demokratie und dessen Regierung massgeblich für den gegenwärtigen Krieg verantwortlich ist – und somit die globale Sicherheit unterwandert – liess Selenki aus.
An kriegerischem Pathos fehlte es nicht bei der Visite des ukrainischen Präsidenten. Viele Abgeordneten trugen die blau-gelben Farben der ukrainischen Flagge. Und Selenski überreichte dem Kongress eine ukrainische Kampfflagge, beschrieben mit Botschaften von Soldaten aus der Frontstadt Bachmut, und verkündete:
«Diese Flagge ist ein Symbol unseres Sieges. In diesem Krieg halten wir stand, wir kämpfen und wir werden gewinnen, weil wir vereint sind. Die Ukraine, Amerika und die gesamte freie Welt.»
Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, überreichte Selenski derweil eine amerikanische Flagge, die während seines Besuchs über dem US-Kapitol wehte.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski hält eine amerikanische Flagge, die über dem US-Kapitol wehte. Auf dem Pult liegt die von Selenski mitgebrachte Kampfflagge. Quelle: Greg Nash/The Hill
Schon im Vorfeld wurde Selenskis Besuch in Washington mit demjenigen von Winston Churchill über 80 Jahre zuvor verglichen. Im Dezember 1941 hatte auch er um Hilfe für sein angegriffenes Land gebeten. Dies geschah kurz nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour und dem offiziellen Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Der ukrainische Präsident bekräftigte am Mittwoch diesen Vergleich und sagte in Anlehnung an einen von Churchills berühmtesten Sätzen: «Die Ukraine bleibt standhaft und wird sich niemals ergeben». Das wurde mit stehenden Ovationen bedacht.
Bereits Anfang dieses Jahres hatte Selenski Churchill in einer Videoansprache vor dem britischen Unterhaus zitiert und versprochen, «in den Wäldern, auf den Feldern, an den Küsten und auf den Strassen zu kämpfen».
In Washington scheute auch der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, nicht vor der Parallele zurück und teilte mit, dass «dort, wo Winston Churchill vor Generationen stand, auch er heute Abend steht, nicht nur als Präsident, sondern als Botschafter für die Freiheit selbst.»
Der Vergleich hinkt jedoch in mehrerer Hinsicht. Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass Grossbritannien damals nicht ein Teil seiner Bevölkerung bombardiert, beschossen und ansonsten im Stich gelassen hatte, wie es die ukrainische Regierung und deren Streitkräfte seit 2014 im Osten des Landes getan und damit den Krieg erst ausgelöst haben.
Und das bringt uns gleich zu einem weiteren Punkt, der die Parallele ad absurdum führt: Dass in der Ukraine neofaschistische Kräfte entscheidend an der Politik des Landes und am Krieg beteiligt sind. Wie so oft bleibt auch unerwähnt, dass die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg entscheidend zum Sieg der Alliierten beigetragen hat.
Selenski als «Botschafter für die Freiheit selbst» darzustellen, bedingt zudem eine gehörige Portion an Orwell’schem Doppeldenk. Beispielsweise brachte er im Mai 2020 zum ersten Mal nach den Rassengesetzen der Nazis vor fast einem Jahrhundert ein Rassengesetz in Europa ein. «Das Gesetz teilt die Ukrainer nach völkischen Kriterien in Menschen erster und zweiter Klasse ein», titelte der in Russland lebende deutsche Journalist Thomas Röper.
Ausserdem ist Mitte Januar 2022 ein 2019 verabschiedetes Gesetz in Kraft getreten, das die russische Sprache im öffentlichen Leben sowie im Verlagswesen massiv einschränkt und zum Teil faktisch verbietet. Wer dagegen verstösst, kann bei einer Art «Sprachpolizei» angezeigt und im Wiederholungsfall gebüsst werden.
Was die Meinungsfreiheit betrifft, entzog der ukrainische Geheimdienst der dänischen Star-Reporterin Matilde Kimer beispielsweise gerade die Akkreditierung. Er bietet ihr nun einen Deal an: Die Akkreditierung erhält sie zurück, wenn sie «gute Geschichten über die Ukraine» bringt.
Wie Florian Warweg auf den NachDenkSeiten berichtet, zeigte sich selbst Lars Løkke Rasmussen, der dänische Aussenminister, besorgt über die Situation. Seine Aufgabe bestehe darin, «den ukrainischen Behörden klarzumachen, dass wir der Pressefreiheit grosse Bedeutung beimessen». Und die Präsidentin des Dänischen Journalistenverbandes (DJ), Tine Johansen, nannte den Entzug «einen Schlag gegen die Pressefreiheit». Sie kritisierte das Vorgehen der ukrainischen Behörden scharf:
«Ich bin empört über diesen Angriff auf die freie Presse. Wenn ein Land darauf besteht, sich als Demokratie zu bezeichnen, muss es die Unabhängigkeit der Medien schützen. Wir alle brauchen dringend talentierte Journalisten, die unsere Augen und Ohren vor Ort in der Ukraine sind, und die ukrainischen Behörden müssen das natürlich respektieren.»
In Bezug auf Neonazis ist es bezeichnend, dass im Dezember 2021 einzig die Ukraine und die USA gegen eine russische UN-Resolution stimmten, die sich gegen die Verherrlichung des Nazismus und andere Praktiken wendet, die zeitgenössische Formen von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz verschärfen. Diese Resolution kommt jährlich zur Abstimmung, und die Ukraine und die USA stimmen regelmässig als einzige dagegen.
So konnte Selenski in Washington die Unrechtmässigkeiten in seinem Land bedenkenlos ignorieren und auf den US-amerikanischen Patriotismus appellieren, indem er den Kriegseinsatz seines Landes mit demjenigen der US-Armee im Zweiten Weltkriegs verglich:
«Genau wie die tapferen amerikanischen Soldaten, die an Weihnachten 1944 ihre Linien hielten und Hitlers Truppen zurückschlugen, tun tapfere ukrainische Soldaten diese Weihnachten dasselbe gegen Putins Truppen.»
Am liebsten hätte der ukrainische Präsident wohl, wenn die USA und Grossbritannien – oder heute die NATO – Russland in Grund und Boden bombardieren würden, wie sie es im Zweiten Weltkrieg mit Deutschland getan haben. Falls dem so ist, sollte er einen wichtigen Aspekt bedenken: Im Gegensatz zu Deutschland damals, hat Russland heute Atombomben.
Waffen und Ausbildung liefern die USA der Ukraine ja bereits. Und die Biden-Administration wartete nicht einmal auf Selenskis Besuch, um anzukündigen, dass sie weitere Rüstung zur Verfügung stellt. Nur wenige Stunden vor der Landung des ukrainischen Präsidenten auf der Joint Base Andrews informierte das Weisse Haus über das 1,85 Milliarden Dollar schwere Paket an Militärhilfe, welches Waffen und Ausrüstungsgegenstände im Wert von einer Milliarde Dollar aus Pentagon-Beständen beinhaltet.
Darunter befindet sich erstmals das bodengestützte Patriot-Flugabwehrraketen-System, sowie 850 Millionen Dollar an Mitteln aus der Ukraine Security Assistance Initiative. Ein Teil davon wird AP zufolge zur Finanzierung eines Satellitenkommunikationssystems verwendet, zu dem wahrscheinlich auch das wichtige SpaceX-Satellitennetzwerk Starlink von Elon Musk gehören wird.
Seit dem Amtsantritt des Präsidenten Joe Biden im Januar 2021 steigen mit dem neuen Paket die US-Militärhilfen an die Ukraine dem US-Aussenminister zufolge somit auf «beispiellose 21,9 Milliarden Dollar», wie Nau informiert.
Moskau erklärte am Donnerstag laut Reuters, dass der Erwerb von Patriot-Raketen aus den USA durch die Ukraine weder zur Beilegung des Konflikts beitragen noch Russland daran hindern wird, seine Ziele zu erreichen. Obwohl das Luftabwehrsystem weithin als fortschrittlich gelte, habe Putin es als «ziemlich alt» bezeichnet und gegenüber Reportern erklärt, Russland werde einen Weg finden, ihm zu kontern. Gleichzeitig habe er erklärt, dass Russland ein Ende des Krieges in der Ukraine anstrebe und dass dies unweigerlich eine diplomatische Lösung einschliessen werde. Putin weiter:
«Unser Ziel ist es nicht, das Schwungrad des militärischen Konflikts weiterzudrehen, sondern ganz im Gegenteil, diesen Krieg zu beenden. Wir werden uns um ein Ende bemühen, und je früher, desto besser, versteht sich.»
Wie Reuters feststellt, lösten diese Äusserungen in den USA Skepsis aus. Dem Sprecher des Weissen Hauses, John Kirby, zufolge, hat Putin «absolut keine Anzeichen dafür gezeigt, dass er bereit ist, über ein Ende des Krieges zu verhandeln». Ein Krieg, fügt Reuters fälschlicherweise an, der mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar begonnen habe. Und die Skepsis beruht eher auf dem eigenen Unwillen, eine friedliche Lösung anzustreben.
Doch zurück zu Selenskis Besuch in Washington: Nicht alle US-Abgeordnete waren glücklich darüber. Wie die Frankfurter Rundschau mitteilt, hörte man nachträglich aus den Reihen der Republikaner viel Kritik. Die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene nannte Selenski einen «Schattenpräsidenten der USA». Donald Trump Jr., Sohn des ehemaligen Präsidenten Donald Trump, beschimpfte Selenski gar als «undankbaren Sozialschmarotzer» (ungrateful welfare queen).
Selenski ist allerdings weit gefährlicher als ein Sozialschmarotzer. Als westliche Marionette und «Schattenpräsident der USA» trägt er wesentlich dazu bei, die Welt an den Rand eines nuklearen Konfliktes zu treiben. Was sich indes hinter seiner – und der seiner «Auftraggeber» – blumigen Rethotik über Freiheit und Demokratie verbirgt, sind Faschismus und US-Imperialismus.
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