«Es ist schon etwas Seltsames, wenn ein US-Präsident mit Israel darüber verhandelt, welche Ziele getroffen werden sollen, anstatt alles in seiner Macht Stehende zu tun, um weitere Bombenangriffe zu stoppen.»
Das schreibt der investigative US-Journalist Seymour Hersh in seinem jüngsten Beitrag, in dem er der Frage nachgeht, ob US-Präsident Joseph Biden Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bremsen kann. Er stützt sich dabei auf einen Bericht der Zeitung The Washington Post, wonach Biden dem israelischen Regierungschef übermittelt habe, er werde «einen israelischen Angriff auf nukleartechnische Einrichtungen im Iran» nicht unterstützen.
Zuvor habe die Netanjahu-Regierung über einen Schlag gegen den Iran nach dessen Raketenangriff debattiert, «und eine besorgte Welt hat zugesehen, wie der militärische Wahnsinn im Nahen Osten, der durch US-amerikanische Waffen angeheizt wird, weiter eskaliert», so Hersh. Biden habe sich daraufhin an Netanjahu gewandt und ihn aufgefordert, keine Nuklearanlagen anzugreifen, was dieser dann zugesagt habe.
Der renommierte Journalist zeigt sich verwundert, dass der derzeitige US-Präsident immer noch das Rampenlicht sucht, anstatt seiner Vizepräsidentin und Nachfolge-Kandidatin Kamala Harris die Chancen zu geben, sich außenpolitisch zu profilieren. Diese hätte «in diesen Wochen bei allen ernsten außenpolitischen Angelegenheiten die Führung übernehmen sollen».
«Die traurige Tatsache ist, dass der Präsident die Unterstützung vieler junger Amerikaner verloren hat, weil er den Krieg der Ukraine gegen Russland und den Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen und gegen die Hisbollah im Libanon weiterhin mit zig Milliarden Dollar an Militärhilfe unterstützt.»
Es sei zudem «tragische Wahrheit», dass Biden und sein außenpolitisches Team unter der Leitung von Außenminister Antony Blinken und dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan die Vereinigten Staaten in Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten verstrickt haben, ohne einen unmittelbaren Ausweg zu finden. So würden sie ihr Amt verlieren, nimmt Hersh den Wahlausgang Anfang November vorweg.
Er setzt sich in dem Beitrag außerdem mit den fortgesetzten israelischen Behauptungen auseinander, der Iran arbeite an einem eigenen Atomwaffen-Programm. Das gebe es nicht, stellt er auch anhand früherer eigener Recherchen fest.
Die iranische Atomindustrie produziere und lagere zwar 60-prozentig angereichertes Uran öffentlich, das nicht waffentauglich sei. Das geschehe aber als «abschreckende politische Botschaft» an Israel, dass das Land in der Lage wäre, waffenfähiges Uran herzustellen.
Der US-Journalist geht dabei auf die Entwicklung der Ereignisse um das iranische Atomprogramm ein, bis hin zu dem Vertrag «Joint Comprehensive Plan of Action» (Gemeinsamer umfassender Aktionsplan) im Oktober 2015 zu dessen Überwachung unter Beteiligung mehrerer Staaten. Nachdem 2018 der damalige US-Präsident Donald Trump den Rückzug der USA aus dem Plan ankündigte, habe der Iran mitgeteilt, trotzdem die übernommenen Verpflichtungen zur Überwachung seines Programms weiter einzuhalten.
Dennoch habe Israels Premier Netanjahu weiterhin öffentlich darauf beharrt, dass Teheran auf betrügerische Weise eine Atombombe bauen lasse. Aber auch hochrangige US-Geheimdienstbeamte und selbst der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO Rafael Grossi hätten wider die bekannten Fakten Zweifel am iranischen Verhalten gesät. Das habe sogar innerhalb der IAEO für Verärgerung gesorgt, berichtet Hersh.
«Das Fazit ist, dass der Iran immer noch große Mengen an Uran produziert, das in einigen Fällen aus den oben genannten Gründen auf 60 Prozent Reinheit angereichert wird, aber es gibt keine Hinweise auf ein aktives Bombenprogramm in einer der bekannten iranischen Nuklearforschungseinrichtungen.»
Die Geheimdienste der USA und ihrer Verbündeten hätten trotz intensiver Suche mit allen Mitteln keine unterirdische iranische Atomwaffenanlage entdeckt, so der US-Journalist. Er schreibt, es gebe «keine Beweise für eine iranische Atombombe»:
«Werden solche Fakten Netanjahu von seinen ständigen Äußerungen über die iranische nukleare Bedrohung abhalten? Wahrscheinlich nicht. Er hat seine eigene Muse, seine eigenen Dämonen und eine Menge Blut an seinen Händen.»