Mit dem tatsächlich völkerrechtswidrigen und alle Regeln brechenden israelischen Angriff auf den Iran hat ein neuer Krieg begonnen. Das macht der US-amerikanische investigative Journalist Seymour Hersh (88) in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht deutlich.
Hersh bezeichnet seinen Text als «Bericht über die wahrscheinlichsten Ereignisse in Iran, die laut israelischen Insidern und amerikanischen Beamten, denen ich seit Jahrzehnten vertraue, bereits an diesem Wochenende eintreten könnten». Demnach werden die USA den Iran bombardieren. Er habe diesen Bericht mit einem langjährigen US-Beamten in Washington abgeglichen, so der Journalist.
Sein Informant habe erklärt, dass alles «unter Kontrolle» sein werde, wenn der oberste iranische Revolutionsführer Ali Khamenei «abtritt». Es sei aber nicht bekannt, wie das geschehen könnte, abgesehen von seiner Ermordung, schreibt Hersh. Es gebe seines Wissens nach «kaum praktische Überlegungen, wie ein verehrter religiöser Führer mit einer enormen Anhängerschaft entfernt werden könnte».
Der renommierte US-Journalist berichtet seit Jahrzehnten aus der Ferne über die Atom- und Außenpolitik Israels. Sein 1991 erschienenes Buch «The Samson Option» erzählt die Geschichte der Entwicklung der israelischen Atombombe und der Bereitschaft der USA, dieses Projekt geheim zu halten.
«Die wichtigste unbeantwortete Frage zur aktuellen Lage ist die Reaktion der Welt, einschließlich derjenigen von Wladimir Putin, dem russischen Präsidenten, der ein Verbündeter der iranischen Führung ist.»
Die USA bleiben Israels wichtigster Verbündeter, stellt Hersh klar, obwohl viele in den USA selbst und weltweit Israels fortgesetzten mörderischen Krieg in Gaza verabscheuen. Die Trump-Regierung unterstütze voll und ganz Israels aktuellen Plan, den Iran von jeglichen Spuren eines Atomwaffenprogramms zu befreien, in der Hoffnung, dass die von Ayatollahs geführte Regierung in Teheran gestürzt wird.
Laut Hersh hat das Weiße Haus eine umfassende «Bombardierungskampagne» im Iran genehmigt. Aber die eigentlichen Ziele, die mindestens achtzig Meter unter der Erde in Fordow vergrabenen Zentrifugen, würden zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels erst am Wochenende angegriffen werden. Die Verzögerung sei auf das Drängen von US-Präsident Donald Trump zurückzuführen, der den Schock der Bombardierung durch die Eröffnung der Wall Street am Montag so weit wie möglich abmildern wolle.
In Fordow befindet sich demnach der Großteil der modernsten Zentrifugen des Iran, mit denen laut jüngsten Berichten der Internationalen Atomenergiebehörde, der auch der Iran angehört, 900 Pfund auf 60 Prozent angereichertes Uran produziert wurden. Das sei nur noch einen kleinen Schritt von waffenfähigem Uran entfernt. Bei den jüngsten israelischen Bombenangriffen auf den Iran sei nicht versucht worden, diese Zentrifugen, die mindestens achtzig Meter unter der Erde lagern, zu zerstören.
Am Mittwoch wurde laut Hersh vereinbart, dass US-Bomber mit Bunkerbomben, die diese Tiefe durchdringen können, am Wochenende mit dem Angriff auf die Anlage in Fordow beginnen werden. Die Verzögerung gebe den US-Streitkräften im Nahen Osten und im östlichen Mittelmeerraum – in der Region gibt es mehr als zwei Dutzend Stützpunkte der US-Luftwaffe und Marinehäfen – Zeit, sich auf mögliche iranische Vergeltungsmaßnahmen vorzubereiten.
Es werde davon ausgegangen, dass der Iran noch über einige Raketen- und Luftwaffenkapazitäten verfügt, die auf der Bombenliste der USA stehen. «Dies ist eine Chance, dieses Regime ein für alle Mal zu beseitigen», habe ihm ein informierter Regierungsmitarbeiter erklärt, «also können wir auch gleich groß rauskommen». Es werde zumindest keine Flächenbombardierung sein.
Die für das Wochenende geplanten Bombenangriffe werden demnach auch neue Ziele haben: die Stützpunkte der Republikanischen Garde, die seit dem Sturz des Schahs von Iran Anfang 1979 gegen die Gegner der revolutionären Führung vorgeht. Die israelische Führung unter Premierminister Benjamin Netanjahu hofft, dass die Bombenangriffe «die Mittel zur Auslösung eines Aufstands» gegen die derzeitige Führung des Iran liefern werden, die wenig Toleranz gegenüber denen zeigt, die sich der religiösen Führung und ihren Verordnungen widersetzen.
Den Hoffnungen der US- und israelischen Kriegsplaner nach werden iranische Polizeistationen angegriffen werden, ebenso Regierungsbüros, in denen Akten über mutmaßliche Dissidenten im Iran aufbewahrt werden. Laut Hersh hofft die israelische Führung offenbar auch, dass Khamenei aus dem Land flieht und sich nicht bis zum Ende behauptet. Er habe erfahren, dass sein Privatflugzeug am frühen Mittwochmorgen in Begleitung von zwei Kampfflugzeugen den Flughafen von Teheran in Richtung Oman verlassen hat, aber es sei nicht bekannt, ob er an Bord war.
Der US-Journalist verweist darauf, dass nur zwei Drittel der 90 Millionen Einwohner des Iran Perser sind. Zu den größten Minderheiten zählten Aserbaidschaner, von denen viele seit langem heimliche Verbindungen zur Central Intelligence Agency (CIA) unterhalten. Aserbaidschan sei Standort einer großen geheimen CIA-Basis für Operationen im Iran. In dem ins Visier genommenen Land leben außerdem Kurden, Araber und Belutschen. Auch Juden seien dort eine «kleine Minderheit», immerhin die größte jüdische Bevölkerung im Nahen Osten außerhalb Israels.
Die Rückkehr des Sohnes des Schahs, der derzeit im Exil in der Nähe von Washington lebt, sei nach seinen Informationen von den US-amerikanischen und israelischen Planern nie in Betracht gezogen worden, so Hersh. Aber in der Planungsgruppe des Weißen Hauses, zu der auch Vizepräsident J.D. Vance gehört, sei darüber gesprochen worden, einen moderaten religiösen Führer an die Macht zu bringen, falls Khamenei gestürzt werde. Die Israelis würden diese Idee vehement ablehnen.
«Die religiöse Frage ist ihnen scheißegal, sie wollen nur eine politische Marionette, die sie kontrollieren können», zitiert der Journalist seinen US-Informanten. «Wir sind in dieser Frage mit den Izzies (Israelis, Anm. d. Red.) uneinig», habe dieser erklärt.
«Das Ergebnis wäre eine dauerhafte Feindschaft und ein endloser Konflikt, in dem Bibi verzweifelt versuchen würde, die USA als Verbündeten gegen alles Muslimische zu gewinnen, indem er die Not der Bürger als Propagandamittel benutzt.»
Hersh schreibt, dass die US-amerikanischen und israelischen Geheimdienste hoffen, dass sich Teile der aserbaidschanischen Gemeinschaft einer Volksrebellion gegen das herrschende Regime anschließen, sollte es während der anhaltenden israelischen Bombardierungen zu einer solchen kommen. Es gibt auch die Vermutung, dass sich einige Mitglieder der Revolutionsgarde einer «demokratischen Erhebung gegen die Ayatollahs» anschließen könnten – ein lang gehegter Wunsch der US-Regierung.
Der plötzliche und erfolgreiche Sturz von Bashar al-Assad in Syrien gelte als mögliches Vorbild, obwohl Assads Sturz nach einem langen Bürgerkrieg erfolgte. Der US-Journalist hält es für möglich, dass die massiven Bombenangriffe Israels und der USA den Iran in einen Zustand permanenter Schwäche versetzen könnten, wie es nach der westlichen Intervention in Libyen 2011 der Fall war. Das führte zur brutalen Ermordung von Muammar Gaddafi, der die unterschiedlichen Stämme in Libyen dort unter Kontrolle gehalten hatte. Aber:
«Die Zukunft Syriens, des Irak und des Libanon, die alle Opfer wiederholter Angriffe von außen sind, ist noch lange nicht geklärt.»
Hersh schreibt zu den Motiven Trumps, den Iran bombardieren zu wollen, der US-Präsident wolle «ganz klar einen internationalen Erfolg, den er vermarkten kann. Um das zu erreichen, führen er und Netanjahu Amerika an Orte, an denen es noch nie zuvor gewesen ist.»
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