Der Frage, ob Russland für die neue US-Führung vom Gegner zum Geschäftspartner wird, geht der US-amerikanische Journalist Seymour Hersh (87) in seinem aktuellen Text, veröffentlicht am Donnerstag, nach. Er gibt dabei Informationen über die Gespräche zwischen den beiden Präsidenten Donald Trump und Wladimir Putin wieder, die sich demnach auf eine Einigung hinbewegen.
Hersh erinnert an ein Interview der britischen Zeitschrift The Economist im November 2023 mit dem ukrainischen General Waleri Saluschnyj, dem damaligen Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte. Dieser habe darin zugegeben, dass der Krieg mit Russland in eine Pattsituation geraten sei.
Als Grund wurde der Einsatz von Drohnen angegeben, der für beide Seiten keinerlei getarnte Operationen auf dem Schlachtfeld möglich mache. «Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, brauchen wir etwas Neues, wie das Schießpulver, das die Chinesen erfunden haben und das wir immer noch benutzen, um uns gegenseitig zu töten», sagte der heutige ukrainische Botschafter in Großbritannien damals.
Das Interview habe zwar für Schlagzeilen gesorgt, aber nichts verändert. Der Krieg sei fortgesetzt und Saluschnyj vom Kiewer Präsidenten Wolodymyr Selenskyj entlassen worden. Der General galt als mögliche Alternative zu Selenskyj im Präsidentenamt.
Hersh schrieb im Februar 2024, die erstaunlichen Worte von Saluschnyj seien im Voraus geplant worden, was die Redakteure des Economist nicht wissen konnten. Das sei durch eine Reihe indirekter Kontakte zwischen dem ukrainischen General und dem russischen Generalstabschef Waleri Gerasimov geschehen.
Der US-Journalist will von einem beteiligten US-Regierungsbeamten erfahren haben, dass das Ziel des Interviews mit Saluschnyj darin bestand, öffentlichen Druck auf die USA und Russland auszuüben. Es sei darum gegangen, einen Grabenkrieg zu beenden, in dem es keinen Sieg zu erringen gab.
«Generäle aus der Ukraine und Russland führen immer noch Gespräche, wie mir diese Woche mitgeteilt wurde, und die Aussichten auf eine Einigung sind viel besser, da der Beitrag der USA nicht von der starren Biden-Regierung, sondern von Präsident Donald Trump kommt, der einem Kontakt mit Russland weitaus offener gegenübersteht.»
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger sei Trump daran interessiert, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Geschäfte zu machen, zitiert Hersh seinen Informanten. Russland verfüge über Milliarden von Dollar an sanktionierten Gas- und Ölreserven sowie über Millionen Tonnen an seltenen Erden und Metallen, die noch nicht abgebaut wurden.
In den Presseberichten des Weißen Hauses über das Telefongespräch mit Putin in dieser Woche seien Trumps wirtschaftliche Ambitionen nicht erwähnt worden. Das wichtigste Ergebnis sei Putins Zusage gewesen, die Energieziele in der Ukraine nicht anzugreifen, wenn Selenskyj dasselbe tun würde. Doch der Krieg gehe unvermindert weiter und beide Seiten würden sich seit 24 Stunden gegenseitig mit Raketen und Bomben beschießen.
Laut Hershs Informanten besteht Trumps Hauptziel darin, die derzeitigen Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufzuheben und eine Partnerschaft mit Putin einzugehen, um die Krim zu einem bedeutenden internationalen Ferienort zu machen. Das Gleiche könnte demnach auch im Donbass geschehen, einer von vier ostukrainischen Provinzen, in denen die russische Armee bedeutende Gebietsgewinne erzielt habe.
Der Journalist berichtet von Schätzungen, wonach Russland inzwischen bis zu zwanzig Prozent des ukrainischen Territoriums erobert habe. Die neuen russischen Gebiete seien für Moskau bei künftigen Friedensgesprächen nicht verhandelbar.
Hersh stellt fest: Im Gegensatz zur Ukraine verfüge Russland über riesige Erdöl- und Erdgasreserven. Es habe es trotz schwerer internationaler Sanktionen geschafft, genügend Märkte für sein Erdöl und Erdgas zu finden, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch in den letzten drei Kriegsjahren aufzuhalten.
Laut dem US-Journalisten war Vizepräsident James D. Vance Trumps Hauptansprechpartner bei den jüngsten Gesprächen mit Russland. Vance habe in Kontakt mit einer Gruppe russischer Generäle gestanden, die ihm eine Botschaft übermittelten, die die Aussagen von Saluschnyj vor zwei Jahren wiederholten:
«Wir wollen, dass die Schießerei aufhört. Wir brauchen eine Pause. Lasst nicht zu, dass sich der Zweite Weltkrieg wiederholt. Alles, was östlich von Berlin lag, war Schutt und Asche.»
Hersh gibt Aussagen seines Informanten wieder, wonach Russland nordkoreanische Soldaten erfolglos in der russischen Region Kursk eingesetzt habe, um die dort eingedrungenen ukrainischen Truppen zu vertreiben. Die schlecht ausgebildeten Nordkoreaner hätten enorme Verluste dabei erlitten, während russische Truppen kürzlich den größten Teil des Gebiets zurückeroberten.
Der Zeitpunkt für ein großes Geschäft sei günstig, habe der US-Beamte erklärt:
«Trump weiß, dass Putin die Politiker kontrolliert, aber nicht das Militär. Die Armee wollte raus.»
Der Krieg bringe immer weniger ein, und Trump als Geschäftsmann habe Putin gesagt, dass man aus seinem Krieg stärker herauskommen muss, als man hineingegangen ist. Es gehe ums Geld verdienen – einen finanziellen Vorteil erzielen.
Es sei auch über die noch nicht abgebauten Vorkommen an sogenannten Seltenen Erden in Russland gesprochen worden. Hersh gibt die Behauptung wieder, würden die russischen Quellen erschlossen, «wird China sie zerstören.»
China verfüge über die weltweit größten Vorkommen an diesen begehrten Mineralien und Metallen und habe nahezu ein Monopol auf deren Raffination. Trump habe Putin angeboten, US-Investitionen in dem Bereich zuzulassen und «ein Geschäftspartner» zu werden.
«Selenskyj wurde gesagt, dass dies seine letzte Chance sei», habe der US-Regierungsbeamte erklärt. Die USA hätten ihre Unterstützung für Kiew nach dem Prinzip «Alles, was nötig ist, solange es nötig ist» beendet.
Selenskyj könne entweder behalten, was er jetzt habe – ohne das Stück Kursk –, oder langsam weiter Territorium verlieren, bis Kiew besetzt sei. Putin sei gesagt worden: «Viele Äpfel am Baum. Sie können sie ernten, aber der Obstgarten gehört immer noch uns.»