Mit dem TV-Wahlkampf-Duell zwischen dem derzeitigen US-Präsidenten Joseph Biden und Herausforderer und Ex-Präsident Donald Trump sei der Zustand des Amtsinhabers «völlig entlarvt» worden. Das schreibt der US-Journalist Seymour Hersh in einem aktuellen Beitrag, in dem er auch die Frage stellt, wer wirklich das Land regiert.
Bei dem Duell in der Nacht zum vergangenen Freitag habe sich gezeigt, dass Biden «möglicherweise nicht für das verantwortlich ist, was er im kommenden Wahlkampf tut, ganz zu schweigen von seinen Aktionen im Nahen Osten und in der Ukraine». Der derzeitige US-Präsident sei «einfach nicht mehr in der Lage, die Widersprüche der von ihm und seinen außenpolitischen Beratern verfolgten Politik zu verstehen».
Hersh macht in seinen Texten schon seit geraumer Zeit darauf aufmerksam, dass Biden «seit Monaten in die Bedeutungslosigkeit abdriftet». Insbesondere seine Außenpolitik habe nichts mit der Realität zu tun. Das werde daran deutlich, dass der Präsident und seine außenpolitischen Berater auf einen Waffenstillstand für den Gaza-Streifen drängen, der nicht zustandekommen werde. Gleichzeitig würden die USA weiterhin die Waffen liefern, die einen Waffenstillstand unwahrscheinlich machten.
Ähnlich paradox sei es beim Krieg in der Ukraine, «wo Biden einen Krieg finanziert, der nicht zu gewinnen ist, und sich weigert, an Verhandlungen teilzunehmen, die das Gemetzel beenden könnten». Aus Hershs Sicht handelt es sich um eine «Schande», dass die Mitarbeiter des Präsidenten diesen zunehmend «unter Verschluss» hielten und ihn isolierten.
«Er ist ein Gefangener und in den letzten sechs Monaten hat er rapide abgebaut.»
Der Journalist berichtet von Informationen aus Bidens langjährigem Umfeld, wonach der Präsident bereits vor Monaten um Hilfe gebeten habe, wegen des «Chaos im Weißen Haus». Seine Mitarbeiter würden Biden auch vor alten Freunden abschirmen.
Demnach sei Tom Donilon, der ehemalige nationale Sicherheitsberater aus Bidens Vizepräsidentschaft, für dessen zunehmende Isolation in außenpolitischen Fragen verantwortlich. Donilon habe sich erfolglos um die Ernennung zum CIA-Chef beworben und habe als «Insider» immer noch Einfluss.
Für Hersh ist es unverständlich, warum das Weiße Haus einer historisch frühen Wahlkampf-Debatte mit Trump zugestimmt hat. Bidens Team habe den frühen Termin gewollt, heißt es in Berichten. Laut den Informationen des Journalisten hofften die Wahlkampfmanager, ein erfolgreiches Duell hätte die anhaltende Debatte um Bidens Gesundheits- und Geisteszustand verstummen lassen können.
Entsprechenden Druck habe es auch von Spendensammlern der Demokratischen Partei, vor allem in New York City, gegeben. Hersh erfuhr zudem nach eigenen Worten davon, «dass mindestens ein ausländischer Spitzenpolitiker nach einem geschlossenen Treffen mit Biden sagte, dass der Verfall des Präsidenten so offensichtlich sei». Deshalb sei es schwer zu verstehen, warum Biden zur Wiederwahl antrete.
Doch solche Warnungen seien ignoriert worden. In Washington werde inzwischen von einer «nationalen Sicherheitskrise» der Demokraten gesprochen. Es gebe Forderungen nach einen frühzeitigen Rücktritt Bidens, um einem neuen Kandidaten der Demokratischen Partei Platz zu machen. Andere hätten die Präsidentschaftswahl 2024 als bereits als verloren aufgegeben und würden für einen langfristigen Neuaufbau der Partei plädieren.
Hersh erinnert an den 25. Zusatz der US-Verfassung, wonach der jeweilige Vizepräsident und eine Mehrheit der Regierung den Präsidenten für regierungsunfähig erklären können. Und er fragt:
«Was geht im Weißen Haus von Biden vor?»
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