Eine faszinierende Studie des Weizmann Institute of Science in Israel hat überraschende Erkenntnisse darüber zutage gefördert, wie Ameisen und Menschen an komplexe räumliche Problemlösungen herangehen, und wichtige Unterschiede in ihrer kollektiven Intelligenz aufgezeigt.
In der im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichten Arbeit wurden die Problemlösungsfähigkeiten von sogenannten «Black Crazy Ants» (Paratrechina longicornis) und Menschen anhand eines geometrischen Puzzles verglichen, das dem «piano mover’s problem» nachempfunden ist. Bei dieser Aufgabe mussten die Teilnehmer eine T-förmige Last durch schmale Räume und enge Ecken manövrieren. Das ähnelt realen Herausforderungen wie dem Bewegen von Möbeln durch eine Türöffnung, jedoch mit zusätzlicher mathematischer Komplexität. Study Finds berichtete über die Forschung.
Drei Jahre lang führten die Forscher Experimente mit über 1250 Personen und mehreren Ameisenvölkern durch. Die Menschen wurden durch Wettbewerb motiviert, während den Ameisen vorgegaukelt wurde, dass es sich bei der Rätselladung um Nahrung handelte, die sie zu ihrem Nest transportieren sollten. Beide Arten wurden einzeln und in Gruppen unterschiedlicher Größe getestet. Bei den Ameisen reichten die Gruppen von einzelnen Individuen bis hin zu größeren Clustern von etwa 80 Ameisen, während die menschlichen Teilnehmer allein oder in Teams von 6 bis 9 beziehungsweise 16 bis 26 Personen arbeiteten.
Erstaunlicherweise zeigten die Ergebnisse einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Arten. Größere Ameisengruppen schnitten deutlich besser ab als kleinere Gruppen oder einzelne Individuen, indem sie kollektive Bewegungen und Ausdauer nutzten, um das Rätsel effizient zu lösen. Ameisen nähern sich demnach der Problemlösung durch kollektive Bewegung, was zu neuen kognitiven Fähigkeiten führt, obwohl die einzelnen Ameisen die Gesamtaufgabe nicht verstehen.
Menschen verstehen das Rätsel gemäß den Autoren hingegen auf eine Weise, die es ihnen ermöglicht, einen reduzierten Suchraum zu erkunden. Im Durchschnitt werden sie die Ameisen übertreffen. Wenn jedoch die Kommunikation eingeschränkt sei, würden Gruppen von Menschen auf die offensichtlichsten Manöver zurückgreifen, um einen Konsens zu erzielen. Dies erinnere an das Verhalten von Ameisen und wirke sich negativ auf ihre Leistung aus. Die Forscher resümieren:
«Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass einfache Gehirne leicht skalierbar sind, während komplexe Gehirne umfangreiche Kommunikation benötigen, um effizient zu kooperieren.»
So nahm bei den Menschen die Gruppenleistung ab, wenn ihre Kommunikation eingeschränkt wurde. Wenn sie nicht sprechen oder gestikulieren durften und Masken und Sonnenbrillen tragen mussten, verschlechterte sich die Leistung von Gruppen im Vergleich zu Einzelpersonen, die alleine arbeiteten. Ofer Feinerman, einer der Autoren der Studie, erklärte in einer Medienmitteilung:
«Ein Ameisenvolk ist eigentlich eine Familie. Alle Ameisen im Nest sind Schwestern, und sie haben gemeinsame Interessen. Es ist eine engmaschige Gesellschaft, in der die Zusammenarbeit den Wettbewerb bei weitem überwiegt. Deshalb wird ein Ameisenvolk manchmal als Superorganismus bezeichnet, als eine Art lebender Körper, der aus mehreren ‹Zellen› besteht, die miteinander kooperieren.»
Diese familiäre Einheit ermöglicht es den Ameisen anscheinend, durch einfache kollektive Handlungen neue Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln. Dies zeigt sich an ihrer Fähigkeit zur Koordinierung, zum Ausharren nach Hindernissen und zum effizienten Absuchen ihrer Umgebung nach Lösungen. Im Gegensatz dazu zeigt die Studie, dass Menschen in hohem Maße auf explizite Kommunikation angewiesen, und ihre kollektive Intelligenz ohne diese schwächelt. Study Finds zufolge stellt dies die populäre Vorstellung von der «Weisheit der Massen» in sozialen Kontexten in Frage.
Die Implikationen dieser Forschung gehen den Wissenschaftlern zufolge über das Verständnis des Tierverhaltens hinaus. Die Studie biete zum Beispiel wertvolle Lehren für die Robotik. Roboterschwärme könnten die kollektiven Strategien der Ameisen zur Navigation in komplexen Umgebungen nachahmen. Die Forschung könne uns vielleicht auch helfen, zu verstehen, warum von allen sozialen Tieren nur Ameisen und Menschen im kooperativen Transport überragend sind.
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