Am Ende wird es doch keine Abschaltung von Telegram in Spanien geben. Nachdem Richter Santiago Pedraz vom Nationalen Gerichtshof am Montagmorgen seine eigene Sperrungsanordnung vom Freitag zunächst vorübergehend ausgesetzt hatte, hob er sie bereits wenige Stunden später definitiv auf.
Mit der Aussetzung hatte der Magistrat auch einen polizeilichen Bericht über den Messenger-Dienst sowie über die Auswirkungen einer Blockierung auf dessen Nutzer – über acht Millionen Menschen in Spanien – angefordert. Dieser muss ihn kurz darauf schon erreicht haben, so dass er die Massnahme endgültig zurückzog. Die ursprüngliche Entscheidung sei «übertrieben und nicht verhältnismässig» gewesen, gab er zu.
Der gesamte Vorfall wirft eine Reihe von Fragen auf, auf die auch das spanische Onlineportal Economist & Jurist hinweist. Die Entscheidungsgrundlage für die Sperrungsverfügung erscheine fragwürdig, wenn Tage später ein Bericht über die Plattform und die möglichen Auswirkungen angefordert werde. In den Augen des Anwalts und Experten in Digitalrecht Borja Adsuara zeige dies, dass Pedraz Telegram nicht kannte und «er nicht wirklich wusste, womit er es zu tun hatte».
Adsuara sei der Meinung, dass die Berichtigung rechtzeitig vorgenommen worden sei, so das Portal. Der Anwalt José Leandro Núñez sehe das ähnlich: Der Richter habe sich geirrt und deswegen gut daran getan, sich zu korrigieren.
Für die Bürgerbewegung Iustitia Europa stellt sich dieser Aspekt jedoch etwas anders dar. Nach spanischem Recht können Richter ihre Entscheidungen nicht mehr ändern, sobald sie unterzeichnet sind, erklärt der Präsident der Bewegung, Luis María Pardo. Die Kehrtwende des Richters in Sachen Telegram habe daher noch zu einer Ausweitung der Beschwerde geführt. Die Bewegung hatte gegen Pedraz Klage wegen mutmasslicher Rechtsbeugung beim Obersten Gerichtshofs eingereicht.
Gleichzeitig plante der Rechtsanwalt Josep Jover von der katalanischen Piratenpartei, eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission einzureichen, als Vorstufe zu einer Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union. Er habe seine Entscheidung mit dem europäischen Gesetz über digitale Dienste (DSA) begründet. Dort werde klargestellt, dass die Entscheidung über eine derartige Sperrung von der EU und nicht von einem nationalen Richter getroffen werden müsse.
Das europäische DSA erwähnt indes auch Richter Pedraz in seinem definitiven Beschluss. Plattformen wie Telegram müssten angesichts dieser neuen Richtlinien überlegen, wie sie in Zukunft auf die an sie gestellten Anforderungen (wie in der Frage des Urheberrechts) reagieren könnten.
Ein Netzwerk wie Telegram, das in Putins Russland entstanden ist, könne de facto in jedem Land ungeachtet der Intervention des Staates funktionieren, kommentiert José Leandro Núñez diesen Aspekt. Und Josep Jover betont, seine Gruppe werde die vorbereitete Klage aufheben – falls die Verfügung doch noch einmal reaktiviert werde.
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