Der scheidende US-Präsident Joe Biden warnte in seiner Abschiedsrede vor einer Oligarchie. Begriffe wie «Technoligarchie» geistern durch die Medienlandschaft. Doch ein genauerer Blick, wie ihn der Economist wagt, zeigt: Die Ängste vor einer «Oligarchisierung» der amerikanischen Wirtschaft sind überzogen.
Die beeindruckenden Vermögen von Elon Musk, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg sorgten in den vergangenen Monaten für Aufsehen – nicht zuletzt, weil das 911 Milliarden US-Dollar schwere Trio bei Trumps Amtseinführung prominenter platziert war als so mancher Minister. Doch trotz ihrer Medienpräsenz und ihres Reichtums: Die Kontrolle dieser Tech-Magnaten über die amerikanische Wirtschaft ist überraschend begrenzt.
Zusammen repräsentieren Amazon, Meta und Tesla nur 1,8% des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP = jährliche Wirtschaftsleistung in Geld ausgedrückt). Auch wenn die drei Unternehmen etwa 10% der Marktkapitalisierung der an der Börse kotierten US-Firmen ausmachen, ist ihre tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung im Vergleich zur Gesamtwirtschaft eher gering. Ihre Investitionen machen lediglich 9% der Unternehmensausgaben der 1500 größten US-Firmen aus – ein Bruchteil dessen, was etwa Reliance Industries in Indien erreicht.
Ein Vergleich mit der Vergangenheit zeigt, dass die Macht von Wirtschaftsmagnaten in den USA traditionell Grenzen hat. John D. Rockefeller, der legendäre Gründer von Standard Oil, verfügte in seinen besten Zeiten über ein Vermögen, das Musk heute weit in den Schatten stellen würde. Doch selbst Rockefeller scheiterte daran, die Politik zu dominieren.
Ein weiterer Grund, warum Tech-Milliardäre nicht mit russischen Oligarchen gleichzusetzen sind, liegt in den Dynamiken der US-Wirtschaft. Anders als in Russland, wo Oligarchen oft monopolartige Strukturen innerhalb ganzer Sektoren bilden, agieren die großen Tech-Konzerne in den USA in einem hochkompetitiven Umfeld.
Die Interessen von Musk, Bezos und Zuckerberg überschneiden sich häufig und geraten in Konflikt. Musk und Bezos konkurrieren im Weltraumgeschäft, Zuckerberg und Musk betreiben rivalisierende Social-Media-Plattformen und Amazon bedroht Metas Werbegeschäft. Diese Rivalitäten verhindern eine monolithische Machtbildung und betonen den Wettbewerb im Technologiebereich.
Die USA zeichnen sich durch eine flexible und diversifizierte Wirtschaft aus. Die Schattenseite: Die Arbeitnehmer bezahlen diese Flexibilität mit einem für europäische Verhältnisse extrem unsicheren Arbeitsplatz. Selbst wenn Amazon oder Meta von heute auf morgen verschwinden würden, gäbe es schnell Ersatz. Walmart könnte die Lücke von Amazon schließen, während der Verlust von Instagram kaum mehr als eine Rückbesinnung auf Bücher bedeuten würde, wie der Economist augenzwinkernd anmerkt.
Selbst Tesla, einst Vorreiter der Elektromobilität, ist längst nicht mehr unangefochtener Marktführer. Der technologische Fortschritt und die Innovationskraft anderer Unternehmen verhindern eine Abhängigkeit von einzelnen Akteuren.
Obwohl Trump als unternehmensfreundlicher Präsident gilt, ist seine Beziehung zu den Tech-Milliardären nicht frei von Spannungen. In seiner Antrittsrede erwähnte er Technologie kaum, während «flüssiges Gold» – ein Hinweis auf Öl – deutlich prominenter war. Teile seiner Anhängerschaft, insbesondere die MAGA-Bewegung, stehen den Tech-Giganten ohnehin kritisch gegenüber.
Die Ängste vor einer «Technoligarchie» à la Russland oder China sind in den USA gemäß dem Economist zumindest stark übertrieben. Der Einfluss von Musk, Bezos und Zuckerberg sei durch die Größe und Vielseitigkeit der US-Wirtschaft, den Wettbewerb untereinander und die kritische Öffentlichkeit begrenzt. Der Versuch, die Macht der Tech-Milliardäre mit der früherer Industriebarone zu vergleichen, ignoriere fundamentale Unterschiede in der Struktur der Wirtschaft und Gesellschaft.
Kommentare