Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von l’AntiDiplomatico übernommen.
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In seiner abendlichen Ansprache am Samstag gratulierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden zu ihrer Arbeit. Und in der Tat kann man nicht behaupten, dass die Polizei, der Sicherheitsdienst SBU und die Generalstaatsanwaltschaft bei ihrer Jagd erfolglos gewesen wären. Innerhalb eines Tages wurden mehrere Personen wegen Hochverrats und anderer absurder Anschuldigungen wie «Verbreitung der Kreml-Narrative» und «Rechtfertigung der russischen Aggression» festgenommen, darunter:
- Der IT-Leiter einer bekannten ukrainischen Bank, dem laut offizieller Mitteilung des SBU vorgeworfen wird, mit Kryptowährungen die russischen Streitkräfte finanziert zu haben.
- Der ehemalige Abgeordnete Wadim Nowinski, Eigentümer des Unternehmens Metinvest und orthodoxer «Philanthrop». Er wird beschuldigt, ein Spion Putins zu sein, dessen Aufgabe es sei, «religiösen Hass» zu säen.
- Der Journalist Max Nasarow, dem «Verbreitung russischer Narrative» vorgeworfen wird, weil er ein Interview mit Jewgeni Murajew, dem Vorsitzenden der Partei Nash, geführt hatte. Diese Partei wurde im Mai 2022 von Präsident Selenskyj (mit Applaus aus der freien Welt) demokratisch verboten.
- Ein Interim-Richter des Handelsgerichts in Kiew, der beschuldigt wird, drei Milliarden Hrywnja (etwa 69 Millionen Euro) «im Interesse der Russischen Föderation» transferiert zu haben.
Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, würde dies zeigen, dass prorussische Gefühle nicht nur in der breiten Bevölkerung, sondern auch in verschiedenen Bereichen des Establishments verwurzelt sind – ein Schlag ins Gesicht für die Befürworter einer «reinen ukrainischen Identität», die der historischen, kulturellen und spirituellen Einheit zwischen Russen und Ukrainern entgegengesetzt wird.
Falls die Vorwürfe jedoch nicht bestätigt werden oder die Beschuldigten Schauprozessen unterzogen werden (wie im Fall der Brüder Kononowitsch und anderer politischer Gefangener), würde dies beweisen, dass die Ukraine ein Polizeistaat ist, der darauf angewiesen ist, prorussische «Monster» öffentlich vorzuführen, um die Politik von Selenskyj und der NATO zu rechtfertigen.
So oder so, es handelt sich um eine beeindruckende «Beute», die in der Bankowa-Straße (Sitz des Präsidenten) präsentiert wird – nur 48 Stunden vor der Amtseinführung von Donald Trump im Weißen Haus, der versprochen hat, den Krieg in der Ukraine an seinem ersten Arbeitstag zu beenden (oder spätestens innerhalb der ersten sechs Monate des Jahres).
Hexenjagd in der Ukraine
In der Ukraine sind religiöse und politische Verfolgungen sowie die Hexenjagd auf prorussische Bürger – darunter Babuschkas, die auf Facebook für Putin oder Patriarch Kyrill beten – nie zum Stillstand gekommen. Der SBU meldet täglich auf seinen offiziellen Kanälen die Verhaftung vermeintlicher Putin-Agenten oder «Feinde der Nation».
Die Situation ist so gravierend, dass sie in mehreren Berichten des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen angesprochen wurde. Besonders besorgniserregend sind die Verhaftungen von Geistlichen der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK). Die sogenannten «Vatniks» – eine abwertende Bezeichnung für Prorussen in der Ukraine – werden oft illegal inhaftiert und gefoltert.
Für Aufsehen sorgte in diesen Tagen der Fall des ukrainischen Abgeordneten Artyom Dmytruk, der im August das Land verließ, nachdem ein Gesetz verabschiedet wurde, das die Grundlage für ein Verbot der UOK legt. Dmytruk, der gegen das Gesetz gestimmt hatte, wurde von Mitgliedern des Asow-Regiments und (öffentlich) von Selenskyj selbst bedroht. Er floh nach London, wo er auf Antrag Kiews verhaftet wurde. Die geforderte Auslieferung wurde bislang nicht gewährt.
Dmytruk ist mit einem Video wieder in den Nachrichten, in dem er enthüllt, dass er nach der Eskalation des Krieges mit Russland unrechtmäßig vom SBU verhaftet und in einem Geheimgefängnis gefoltert wurde. Die Geschichte, die er erzählt, ähnelt der der Brüder Michail und Aleksandr Kononowitsch, mit dem Unterschied, dass Dmytruk weder Kommunist noch ein Gegner Selenskyjs ist, sondern Abgeordneter seiner eigenen Partei «Diener des Volkes». Außerdem diente er zum Zeitpunkt der Entführung in der Territorialen Verteidigungseinheit (TRO).
Die Entführung eines Abgeordneten während seines Dienstes in der Territorialverteidigung von Odessa
Der Abgeordnete des gesetzgebenden Organs Werchowna Rada berichtet, dass er im März 2022 an einem Kontrollpunkt in der Stadt Odessa Wachdienst leistete. Er erklärt, dass er extra aus Kiew zurückgekehrt sei, um zusammen mit der Nationalpolizei die Verteidigungseinheiten der Stadt zu organisieren. Statt auf «russische Agenten» stieß er jedoch auf die SBU-Agenten Denis Schapowalow und Oleksandr Nagornjuk, die darauf aus waren, ihn zu liquidieren. Es war die Zeit der Hexenjagd und der Konzentrationslager, die auf Anordnung von Iwan Bakanow, dem ehemaligen Leiter des SBU und engen Freund Selenskyjs, eingerichtet wurden.
Die Sicherheitskräfte wurden entwaffnet und fortgeschickt. In der darauffolgenden Nacht wurden Dmytruk und zwei seiner Assistenten während ihrer Patrouille auf der Straße von einer Gruppe bewaffneter Personen entführt. Der Abgeordnete berichtet, dass er angegriffen wurde und das Bewusstsein verlor.
Folter im Geheimengefängnis
Als er wieder zu sich kam, fand sich Dmytruk gefesselt mit einem Sack über dem Kopf in einem Lieferwagen wieder. Er wurde erneut geschlagen und dann in einen Keller der SBU in Odessa geschleppt.
«Man warf mich auf den kalten, nassen Boden. In der Nähe hörte ich die Schreie meiner Freunde, weiter entfernt das Stöhnen anderer und die furchtbaren Geräusche der Folter. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich so etwas hörte», erzählt er im Video.
Im Keller wurde er erneut brutal misshandelt und gefoltert. Seine Peiniger verdrehten ihm die Finger und traten auf seinen ganzen Körper, während er mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt war. Sie verspotteten ihn dabei mit höhnischen Kommentaren wie: «Wann hat man schon mal die Gelegenheit, auf einem Abgeordneten herumzutrampeln?» «Sie liefen auf meinem Körper herum, rannten vor und zurück, traten auf meine Arme und Beine», berichtet er. Später wurde er zu einem Verhör gebracht.
Das Verhör
Viele der anwesenden Agenten waren überrascht, als sie, nachdem man ihm den Sack vom Kopf genommen hatte, Dmytruks blutüberströmtes Gesicht sahen. Die Schläger hatten ihm die Nase gebrochen und das Blut floss in Strömen. Man stellte ihm alle möglichen Fragen, versuchte jedoch vor allem, ein Geständnis zu erzwingen. Sie wollten, dass er sich des Verrats bezichtigte. Er berichtete:
«Es war schrecklich. Ich verlor mehrmals das Bewusstsein und fiel von meinem Stuhl. Jedes Mal, wenn ich wieder zu mir kam, begannen die Folterungen von Neuem. Es schien kein Ende zu nehmen.»
Vorgetäuschte Hinrichtungen
Als Teil der Folter brachte man Dmytruk auf das Dach und drohte ihm damit, ihn hinunterzuwerfen. Sie taten so, als würden sie es tun. Dann führten sie ihn vor ein Erschießungskommando, das sich jedoch als Attrappe herausstellte. Während sie ihn bedrohten, lachten seine Peiniger untereinander und tauschten «lustige Anekdoten» aus. Sie luden ihre Waffen durch, doch ein Anruf unterbrach die Szene: Jemand bestand darauf, dass er reden sollte. Sie drohten ihm, ihn zu verkrüppeln oder seine Genitalien abzuschneiden.
Dann wurde er in die Turnhalle der SBU gebracht. Dort filmten Bakanows Agenten ihn, während sie ihn zwangen, zu versprechen, Selenskyj und Jermak nie wieder zu kritisieren und sich nicht mehr politisch zu engagieren.
«Die ganze Zeit bohrte sich der Lauf eines Gewehrs in meinen Rücken und der Sack um meinen Kopf zog sich immer enger zusammen», sagt Dmytruk.
Am Ende wurde er freigelassen, jedoch mit der Drohung, getötet zu werden, falls er jemandem etwas erzählen würde. Er sollte seine Verletzungen als Folge eines Sturzes oder einer Schlägerei erklären.
Ein Neonazi aus Odessa bestätigt die Geschichte
Die Geschichte Dmytruks wurde von Damian Ganul, einem bekannten Neonazi aus Odessa bestätigt. Ganul prahlte damit, am Pogrom im Gewerkschaftshaus am 2. Mai 2014 beteiligt gewesen zu sein. «So sollte ein prorussischer Abgeordneter in der Ukraine jeden Tag aussehen», kommentierte er zynisch, während er Bilder von Dmytruks von Folter entstelltem Gesicht zeigte.
Ganul ist aktiv an der Denunzierung und Bestrafung vermeintlicher Prorussen oder russischsprachiger Bürger in Odessa über seinen Telegram-Kanal beteiligt. Er fördert die «Entkommunisierung» und «Entsowjetisierung», das heißt den Abriss von Kunstwerken, historischen Denkmälern und die Umbenennung von Straßen, die mit der sowjetischen oder russischen Geschichte der Stadt verbunden sind.
Bakanows Terrorregime
Der Fall Dmytruk bestätigt erneut, dass Bakanow unter dem Schutz von Selenskyj und Jermak ein Terrorregime etabliert hatte, das erst mit seiner Absetzung von der Spitze des SBU endete. Es wird angenommen, dass seine Absetzung wahrscheinlich mit der Ermordung von Denis Kirejew zusammenhängt, einem Unterhändler in den Verhandlungen mit Russland und Mitglied des Gegenspionagedienstes. Kirejew wurde Anfang März 2022 vom SBU ermordet, um die Verhandlungen zu sabotieren, so der Chef des GUR in einem Interview mit Radio Svoboda.
Am Anfang seines Videos erklärt Dmytruk, dass Bakanow und sein Stellvertreter Maljuk (heute SBU-Chef) ein Konzentrationslager direkt unter ihrem Büro in der Wolodymyrska-Straße 33 in Kiew errichtet hatten. Dorthin wurden illegal verhaftete Personen gebracht, die auf der Straße gefangen genommen oder sogar aus ihren Häusern entführt worden waren. Sobald sie im Hauptquartier des SBU in Kiew ankamen, wurden sie gefoltert, um Geständnisse zu erzwingen.
Die Gefangenen wurden bis zu sechs Monate lang in Kellern oder in der Turnhalle des SBU-Gebäudes festgehalten, ständig «mit einem Sack über dem Kopf, auf dem Boden der Turnhalle liegend, geschlagen, verletzt, gefoltert und gequält – ausschließlich zu dem Zweck, Geständnisse und sogenannte Aussagen zu erpressen.» Gegen sich selbst und gegen die von den Agenten vorgeschlagenen Namen. Dies rechtfertigt laut der Videoaussage die vielen Fälle von Menschen, die sich selbst Verbrechen wie Hochverrat und Kollaboration mit den Russen vorwerfen können.
Die Konzentrationslager bestanden von März bis November 2022. Dmytruk wurde am 3. März 2022 verschleppt und einen Tag später, in der Nacht vom 4. auf den 5. November, freigelassen. Seine Schilderung deckt sich mit den Aussagen der Gebrüder Kononowitsch, des ehemaligen Parlamentsabgeordneten und politischen Gefangenen Dubinsky und findet sich in den UN-Akten wieder. Die Arbeit des SBU gegen «Putins Agentennetzwerk» wird von der EU und den sogenannten liberalen Demokratien unterstützt.
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