Die Macht der Konzerne und die der Oligarchie: Das sind laut dem US-Journalisten und Autor Chris Hedges die zwei Formen des ausbeuterischen Kapitalismus, die das politische System der USA beherrschen. In einem Beitrag auf Scheerpost argumentiert er, dass beide darauf abzielen, die Öffentlichkeit zu verarmen und zu entmachten, während sie eine kleine Klasse von Milliardären bereichern. Beide würden permanente Kriege führen, «einschließlich des Völkermordes in Gaza».
Die Macht der Konzerne, die von Persönlichkeiten wie Kamala Harris, Joe Biden und Emmanuel Macron repräsentiert wird, strebt laut Hedges nach Stabilität und technokratischer Regierungsführung und setzt auf eine konsequente Politik und langfristige Investitionen. Die oligarchische Macht, symbolisiert durch Donald Trump, lebe hingegen vom Chaos, dem Abbau von Vorschriften und der Förderung des «Warlord-Kapitalismus», der gesellschaftliche Strukturen für kurzfristigen Profit zerstöre. Beide Formen seien nicht demokratisch, und beide hätten politischen Einfluss, die Medien und die Wissenschaft gekauft.
Die Macht der Konzerne, der «stubenreine Kapitalismus», erfordert Hedges zufolge eine stabile Politik für Branchen wie das verarbeitende Gewerbe und die Landwirtschaft. Die Macht der Oligarchen ziele indes darauf ab, alle Hindernisse für die Profitakkumulation zu beseitigen, angetrieben von Private-Equity-Firmen, die Unternehmen, Arbeitskräfte und öffentliche Güter ausbeuten. Die «Demagogen der extremen Rechten», die den oligarchischen Kapitalismus unterstützen, wie Donald Trump, Giorgia Meloni, Victor Orban und andere, würden durch fremdenfeindliche und nationalistische Rhetorik Zwietracht säen, um die Öffentlichkeit von der zugrunde liegenden Ausbeutung abzulenken.
Den «stubenreinen Kapitalismus» erachtet Hedges aber als ebenso zerstörerisch. Er sei für eine Politik verantwortlich, die der Arbeiterklasse schadet und die Macht konzentriert. Sie habe NAFTA, das Wirtschaftsabkommen zwischen Kanada, den USA und Mexiko, unterstützt, das den Interessen der US-amerikanischen Arbeiter zuwiderlaufe.
Durch diese Politik wurde auch das Glass-Steagall-Gesetz aufgehoben, das die Banken verpflichtete, das Privatkundengeschäft vom Investmentbanking zu trennen. Das habe zur Finanzkrise 2007/2008 und zum Zusammenbruch Hunderter von Banken geführt. Auch sei durch diese Politik das Telekommunikationsgesetz verabschiedet worden, das die Konsolidierung der Medien ermöglicht habe. Hedges weiter:
«Sie zerstörte das alte Wohlfahrtssystem, von dem 70 Prozent der Empfänger Kinder waren. Sie verdoppelte die Zahl unserer Gefängnisse und militarisierte die Polizei. Im Zuge der Verlagerung der Produktion in Länder wie Mexiko, Bangladesch und China, wo die Arbeiter in Ausbeuterbetrieben schuften, wurden nach Angaben des Labor Institute 30 Millionen Amerikaner von Massenentlassungen betroffen.
In der Zwischenzeit türmten sich massive Defizite auf – das Defizit im Bundeshaushalt stieg auf 1,8 Billionen Dollar im Jahr 2024, die Gesamtverschuldung nähert sich 36 Billionen Dollar. Und [diese Politik] vernachlässigte unsere grundlegende Infrastruktur, einschließlich Stromnetze, Straßen, Brücken und öffentliche Verkehrsmittel, während sie mehr für unser Militär ausgab als alle anderen Großmächte der Erde zusammen.»
Beide Formen des Kapitalismus seien «Arten des totalitären Kapitalismus» oder das, was der politische Philosoph Sheldon Wolin als «umgekehrten Totalitarismus» bezeichne, so Hedges weiter. So oder so würden die demokratischen Rechte abgeschafft. Die Öffentlichkeit würde unter ständiger Überwachung stehen. Gewerkschaften würden zerschlagen oder entschärft. Er macht auch klar:
«Die Medien dienen den Mächtigen und abweichende Stimmen werden zum Schweigen gebracht oder kriminalisiert. Alles ist zur Ware geworden, von der Natur bis zu unseren Beziehungen. Graswurzel- und Volksbewegungen sind geächtet. Der Ökozid geht weiter. Politik ist eine Farce.»
Die Präsidentschaftswahl 2024 biete eine falsche Wahl zwischen zwei gleichermaßen zerstörerischen Systemen. Das Ergebnis, ob durch die Macht der Konzerne oder der Oligarchen, sei dasselbe: ein weiterer wirtschaftlicher und sozialer Zusammenbruch, der zum Neo-Feudalismus führt. Hedges schließt:
«Die Ironie besteht darin, dass die ungezügelte Gier der Korporatisten, der stubenreine Kapitalisten, eine kleine Anzahl von Milliardären hervorgebracht hat, die zu ihrem Nemesis wurden – den Warlord-Kapitalisten. Wenn der Raubbau nicht gestoppt wird und wir nicht durch Volksbewegungen die Kontrolle über die Wirtschaft und das politische System zurückgewinnen, wird der Warlord-Kapitalismus siegen. Die Warlord-Kapitalisten werden den Neofeudalismus festigen, während die Öffentlichkeit durch die Machenschaften von ‹Killerclowns› wie Trump abgelenkt und gespalten wird. Ich sehe nichts am Horizont, das dieses Schicksal abwenden könnte.
Trump ist momentan die Galionsfigur des Warlord-Kapitalismus. Aber er hat ihn nicht erschaffen, kontrolliert ihn nicht und kann leicht ersetzt werden. Harris, deren sinnfreies Gerede Biden fokussiert und kohärent erscheinen lässt, ist der inhaltslose, leere Anzug, den die Technokraten lieben.
Wählen Sie Ihr Gift: Zerstörung durch Konzernmacht oder durch Oligarchie. Das Ergebnis bleibt dasselbe. Das ist es, was die beiden herrschenden Parteien im November anbieten. Nichts anderes.»
Im zweiteiligen Interview mit l’AntiDiplomatico, das Transition News mit freundlicher Genehmigung des Portals auf Deutsch veröffentlicht hat, geht Hedges ausführlicher auf den Niedergang der Demokratie ein:
«Es bleibt nur noch die Fiktion der Demokratie – Konzerne und die Milliardärsklasse haben gewonnen» – Teil 1, Teil 2.
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Chris Hedges ist Autor zahlreicher Bücher, darunter den Bestseller «War Is a Force That Gives Us Meaning» aus dem Jahr 2002, das es bis ins Finale des National Book Critics Circle Award schaffte. Zusammen mit dem maltesisch-US-amerikanischen Comiczeichner Joe Sacco veröffentlichte er 2012 «Days of Destruction, Days of Revolt», das sich mit der Armut in verschiedenen Teilen der USA befasst. Hedges hat Journalismus an den Universitäten von Columbia, New York, Princeton und Toronto gelehrt. Fast zwei Jahrzehnte lang war er Auslandskorrespondent im Nahen Osten, in Zentralamerika, Afrika und auf dem Balkan. Von 1990 bis 2005 war er bei der New York Times tätig und erhielt 2002 den Pulitzer-Preis. Seit 2005 setzt er seine Arbeit als Journalist in unabhängigen US-Medien fort.
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