Der Einfluss von Elon Musk ist laut dem griechischen Wirtschaftswissenschaftler und Politiker Yanis Varoufakis ein Beispiel für eine neue Form von «Cloud-Kapitalismus», bei der Tech-Eliten eine nie dagewesene Macht ausüben, indem sie unternehmerische Dominanz mit politischer Einflussnahme verbinden. In einem «Thinkers Forum»-Video erklärt der ehemalige griechische Finanzminister:
«Der einzige Grund, warum wir über Elon Musk und nicht über Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg sprechen, ist, dass er de facto der Vizepräsident der Vereinigten Staaten geworden ist. Er hat sich eine sehr abgefederte Position in der Verwaltung erkauft. Das war eine beeindruckende und erstaunliche Investition.
Für ein paar hundert Millionen hat er ein paar hundert Milliarden gemacht, eigentlich sogar mehr. Ich glaube nicht, dass es eine bessere Rendite für einen Dollar gibt als das, was er bereits erreicht hat.»
Varoufakis sei es völlig egal, ob Musk in der Welt einen Kommentar über seine Unterstützung der AfD schreibt. «Ich glaube an die Meinungsfreiheit ... Persönlich finde ich das nicht besorgniserregend.»
Es gehe allerdings nicht nur um Musk. Auch PayPal- und Palantir-Gründer Peter Thiel habe sich bei Trump «eingeschmeichelt». Er habe sogar James D. Vance, den eigentlichen Vizepräsidenten, geliefert. «JD» Vance sei nämlich ein ehemaliger Mitarbeiter Thiels gewesen. «All diese Dinge sind völlig legitime Gründe für ein ungutes Gefühl im Magen», so Varoufakis.
Für den Politiker sind sie Teil einer «Broligarchie»: Eine kleine Gruppe sehr wohlhabender Männern mit tendenziell antidemokratischen, technofaschistischen und maskulinistischen Ansichten, die eine übermäßige Kontrolle oder einen übermäßigen Einfluss innerhalb einer politischen Struktur ausüben.
Und der 63-Jährige findet es «ekelerregend», wie diese Männer die Mütter ihrer Kinder behandeln und versuchen, sie durch die Gerichte zu verarmen; wie sie Bücher unterstützen, die Folter rechtfertigen und sich über den Begriff der Menschenrechte lustig machen; wie sie «Zillionen» mit der Regierung und dem Militär verdienen, insbesondere bei der Auftragsvergabe; wie sie jedes Regierungsprogramm ins Visier nehmen, das nicht sie bereichert, sondern den Armen ein wenig hilft.
Varoufakis erinnert daran, dass die italienische Premierministerin Giorgia Meloni Musk besuchte. Einer der Gründe, warum Musk «so in sie verliebt» sei, sei Melonis Angebot, den italienischen Staat dazu zu bringen, sich von Iris 2, dem Satellitennetz, das die Europäische Union in Konkurrenz zu Musks Starlink aufbauen wollte, zu trennen.
«Das ist ein Grund, äußerst besorgt zu sein, wenn solche Deals in Mar-a-Lago zwischen der neofaschistischen italienischen Premierministerin und Elon Musk ausgeheckt werden.»
Laut Varoufakis ist Musk kein Verfechter der Meinungsfreiheit:
«Er ist ein Absolutist, ein Totalitarist. Ich glaube nicht, dass er sich um die freie Meinungsäußerung kümmert, es sei denn, es handelt sich um seine eigene freie Meinungsäußerung.»
Der Politiker gibt zu bedenken, dass Musk nichts gesagt hat, als Julian Assange im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh «verrottete». Ihm zufolge ist der Milliardär der Ansicht, dass jemand, der für nichts verurteilt wurde, im Gefängnis verrotten sollte, wenn er gegen die Interessen der CIA, der NSA, des Pentagon und von Musk selbst verstößt.
«Also, lass es gut sein, Elon. Du scherst dich einen Dreck um die Rede- und Meinungsfreiheit, insbesondere um die freie Presse.»
Varoufakis stellt allerdings in Frage, ob das Phänomen Musk, Thiel & Co. wirklich neu ist. Das sei es zwar, «aber nicht aus den Gründen, die uns die meisten Journalisten der liberalen Establishment-Presse erzählen»:
«John D. Rockefeller führte eine Dynastie an, die Musk wie einen Amateur aussehen lässt. Henry Ford kaufte Zeitungen und warb für sich und zwang die Gemeinden, Straßenbahnen abzureißen und durch Ford-Autos und -Busse zu ersetzen. Thomas Edison tötete auf Coney Island einen Elefanten durch Stromschlag, nur um zu zeigen, dass der Wechselstrom von Westinghouse gefährlich war, der Gleichstrom von Edison dagegen nicht.
Big Business hat schon immer eine Art Drehtürverhältnis zur Regierung gehabt. Erinnern wir uns daran, dass Bill Clinton den Vorstandsvorsitzenden von Goldman Sachs, [Robert] Rubin, zu seinem Finanzminister ernannte, um effektiv alle Fesseln zu entfernen, die Goldman Sachs seit den 1930er Jahren daran hinderten, die Verbrechen zu begehen, die es unmittelbar nach der Erlaubnis der Clinton-Regierung begangen hat.
Und dann holt Obama dieselbe Person zurück, um nach dem Zusammenbruch von 2008, den diese Banker geschaffen hatten, die gleichen Banken zu retten. Das müssen wir also alles im Auge behalten.»
Neu sei aber die neue Form des Kapitals, das diese Leute tatsächlich besitzen. Varoufakis nennt es «Cloud Capital», ein «Mittel zur Verhaltensänderung»:
«Es ist tatsächlich eine neue Hyperwaffe, die diese Broligarchs, diese Cloud-Eliten, wie ich sie nenne, oder techno-feudale Barone oder Lords, besitzen, was ein Henry Ford, ein Thomas Edison, ein Westinghouse und ein Rockefeller nicht hatten.»
Anders als diese Industriekapitalisten würden die modernen Eliten wie Musk, Bill Gates und große Technologieunternehmen Reichtum anhäufen, indem sie Märkte verdrängen und ein massives «parasitäres System» schaffen, das den traditionellen Kapitalismus in den Schatten stellt. Varoufakis zufolge ist es notwendig, diesen Wandel in der politischen Ökonomie, von dem Musk lediglich ein «Epiphänomen» sei, zu verstehen.
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