Sie ist eine der maßgebenden Architekten des Putsches in Kiew im Jahre 2014. Sie war sich sogar nicht zu Schade, während den Demonstrationen gegen die Regierung von Wiktor Janukowytsch auf dem Maidan-Platz Sandwiches zu verteilen. Im Rahmen dieses Umsturzes fielen ihre berüchtigten Worte «fuck the EU». Somit ist die ehemalige US-Vizeaußenministerin Victoria Nuland entscheidend mitverantwortlich für den Krieg in der Ukraine. Letzte Woche führte TV Rain, ein russischsprachiger Fernsehkanal mit niederländischer Sendelizenz, ein Interview mit der laut Pressenza «gefährlichsten Person der Welt».
Nulands Blutspur geht nämlich weiter in die Vergangenheit zurück. So war sie beispielsweise entscheidend an der Planung der US-Invasion des Iraks im Jahre 2003 beteiligt. Und als US-Botschafterin bei der NATO leitete sie von 2005 bis 2008 die Bemühungen um die Mobilisierung europäischer Unterstützung für die Intervention des Bündnisses in Afghanistan.
Nuland ist allerdings nicht nur selbst ein «Falke», sie ist auch mit einem verheiratet: Ihr Ehemann ist Robert Kagan, Mitbegründer der einflussreichen neokonservativen Denkfabrik Project for the New American Century (PNAC).
Vor kurzem hat Nuland das Außenministerium und die Regierungsarbeit verlassen. Einfluss auf die US-Außenpolitik wird sie aber weiterhin nehmen, wie sie im Gespräch selbst einräumt. So wird sie mit Hillary Clinton am Institute for Global Politics arbeiten und an der Columbia University unterrichten. Zudem wird Nuland im Vorstand des Regime-Change-Spezialisten National Endowment for Democracy (NED) sein. Allen Weinstein, Gründer des vorwiegend vom US-Kongress finanzierten NED, erklärte 1991 gegenüber der Washington Post: «Vieles von dem, was wir heute tun, wurde vor 25 Jahren von der CIA im Verborgenen getan.» Nuland sagte:
«Eines der ersten Interviews, das ich nach meinem Ausscheiden aus der Regierung gab, bestand darin, die Regierung Biden zu ermutigen, den Ukrainern den Einsatz von US-Waffen zu gestatten, um die russischen Waffen, die Charkiw angriffen, ins Visier zu nehmen. Und kurz darauf traf die Regierung Biden die Entscheidung, dies zu tun. Es gibt also viele Möglichkeiten, sich zu engagieren.»
Die ehemalige US-Vizeaußenministerin widerspricht der Einschätzung, dass Russland den Krieg in der Ukraine gewinnt. Die Fortschritte Russlands seien aufgrund der Waffenlieferungen der USA und der starken Unterstützung durch europäische und asiatische Verbündete praktisch gestoppt worden.
Nuland betont die hohen Kosten von Vladimir Putins Offensive für Russland. An manchen Tagen seien in den letzten sechs Monaten mehr als Tausend Russen pro Tag gestorben. Sie ignoriert allerdings die Kosten für die Ukraine, die auf wesentlich weniger kriegstaugliche Bürger zurückgreifen kann als Russland. Warum der Krieg für die Sicherheit Russland gut sein soll, kann sie nicht verstehen.
Die undiplomatische Diplomatin widerspricht auch Behauptungen, laut denen es das Ziel der USA sei, Putin zurückzuhalten. Es gehe darum, der Ukraine zu helfen. Nuland hebt dabei die militärischen Verpflichtungen gegenüber der Ukraine hervor und sieht eine langfristige Partnerschaft zwischen der Ukraine und der NATO. Dabei war der Einfluss der NATO an der Grenze zu Russland ein wesentlicher Grund für die russische Invasion der Ukraine. Nuland ist aber überzeugt, dass Russland die Ukraine und ihre Verbündeten nicht übertrumpfen kann:
«Sie werden konkrete Schritte sehen, um eine neue Ebene der Partnerschaft zwischen der Ukraine und der NATO zu schaffen. Ich denke, Sie werden sehen, dass die NATO einen Teil der Logistik und Unterstützung für die Ukraine übernehmen wird, die die Verbündeten bereitstellen. Sie werden mehr Geld sehen, und der Gedanke dabei ist, deutlich zu machen, dass dies ein langfristiges, nachhaltiges Engagement ist und Putin die Ukraine nicht aussitzen kann.»
Gemäss Nuland ist Putin nicht bereit für ein ernsthaftes Friedensabkommen. Er habe seine Forderungen sogar erhöht. «Putins Krieg» würde Russland zu einem noch tieferen Paria-Staat machen und den Bürgern nichts Positives bringen.
Bezüglich einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus äußert Nuland Zweifel an seiner Wahl und glaubt, dass ein von Trump erzwungener Friedensdeal für die Ukraine für die USA, Europa und ihre Verbündeten nachteilig wäre. Ein solcher Deal würde nur diese blutige Periode ausdehnen:
«Zunächst einmal glaube ich nicht, dass Donald Trump vom amerikanischen Volk gewählt werden wird. Dieser Mann ist ein Verbrecher, er ist ein Lügner, er ist kein Befürworter grundlegender US-demokratischer Freiheiten und Prinzipien. Er spricht davon, Amerikaner einzusperren, Einwanderer einzusperren, unserer Wirtschaft zu schaden usw. Ich glaube also nicht, dass Donald Trump Präsident werden wird. Wenn es das ist, worauf Putin wettet, wird er eine böse Überraschung erleben.»
Da das Interview vor dem Attentat auf Trump stattgefunden hat, fragen sich einige Personen in den Kommentaren zum Gespräch, ob diese Aussage ein Hinweis darauf sein könnte, dass Nuland Kenntnis über den Mordversuch hatte. Sollte jedoch Trump Präsident werden und ein Friedensabkommen erreichen, prognostiziert Nuland:
«Wir wissen, was Putin tun wird. Wir haben diesen Film schon einmal gesehen. Er wird den Deal annehmen, er wird sich auf einige der Gebiete in der Ukraine setzen, die er bekommt. Und er wird warten und sich ausruhen und nachrüsten, und er wird den Rest der Ukraine holen, und dann wird er weiter nach Westen kommen. (…) Ich glaube, wenn die Ukraine wieder unter russischen Einfluss gerät, wird Putin das als Trost empfinden und nicht aufhören. Er wird Georgien und Moldawien angreifen und die Grenzen der NATO bedrohen, was die Lage für uns noch verschlimmern wird. Präsident Biden glaubt das auch, und die meisten Amerikaner glauben das auch.»
Im Gegensatz zu Trump, würde die grosse Mehrheit der US-Amerikaner die Unterstützung der Ukraine befürworten, so Nuland. Auch als allfälliger Präsident wäre Trump somit in seinen Handlungen eingeschränkt. Sie kritisiert Trumps Untätigkeit während seiner Präsidentschaft in Bezug auf den Minsker Prozess und den militärischen Aufbau Russlands in der Krim und anderen Regionen. Die Situation in Afghanistan schiebt Nuland ebenfalls dem ehemaligen Präsidenten in die Schuhe. Sie sei eine direkte Folge des schlechten Abkommens, das Trump mit den Taliban geschlossen hat, als er noch im Amt war.
Putin habe entschieden, Russland nicht tief in die demokratische Welt zu integrieren, erklärt Nuland weiter. Mit seinem «imperialen Krieg» habe Putin der russischen Bevölkerung diese Zukunft «gestohlen»:
«Er denkt, Peter der Große zu sein, aber er ist nur ein Zerstörer. Er ist ein Zerstörer der Weltordnung und er ist ein Zerstörer von Russland.»
Nuland erwähnt Repressalien gegen russische Kritiker Putins, die laufenden Prozesse gegen US-amerikanische Staatsbürger in Russland und die Bemühungen der USA, deren Freilassung durch diplomatische Kanäle zu erreichen. Dass beispielsweise der US-Journalist Gonzalo Lira Anfang des Jahres in ukrainischer Haft gestorben ist, lässt die «Diplomatin» aus.
Sie beanstandet auch Putins Annäherung an Länder wie den Iran und Nordkorea. Er suche verzweifelt nach Freunden, um seinen Krieg anzutreiben. Bezüglich der Drohungen des russischen Präsidenten, nukleare Waffen einzusetzten, meint Nuland:
«Sollte er sich jemals dazu entschließen, in dieser Situation eine Atomwaffe einzusetzen, wird Russland in eine noch tiefere Finsternis gestürzt, und Länder wie Indien, die versuchen zu vermitteln, werden keine andere Wahl haben, als Putin die Tür zuzuschlagen, weil er wieder einmal gezeigt haben wird, dass er sich nicht um die Sicherheit anderer kümmert.»
Die Unterstützung der Ukraine seitens der USA werde langfristig sein, macht Nuland klar. Die Ukraine werde «bis zum Schluss» kämpfen. Sie hofft, dass die russische Bevölkerung genug Druck auf Putin machen kann, um den Krieg zu beenden. Putin sei aber in dieser Beziehung wie Trump: Sie würden an sich selbst denken, nicht an ihr Land, ihre Bevölkerung oder «die größere globale Ordnung».
Abschließend spricht Nuland über die Bilanz der Biden-Regierung in internationalen Angelegenheiten, insbesondere in Bezug auf die Ukraine, Afrika, Asien und die Stärkung demokratischer Allianzen wie die G7 und die NATO. Sie drückt Stolz auf die Fähigkeit der Regierung aus, Unterstützung für die Ukraine zu mobilisieren und Putin die Stirn zu bieten, bedauert jedoch die mangelnde Aufmerksamkeit für Afrika und die Sahelzone. Nuland hebt auch den Erfolg der Regierung hervor, den Einfluss Chinas zu schwächen und die Demokratien in Asien zu stärken. Sie offenbart eine erstaunliche Amnesie, wenn sie verkündet:
«Die NATO greift keine Länder an. Sie wird ihr Territorium verteidigen, sie wird ihre Partner und Verbündeten verteidigen, aber sie holt euch nicht, es sei denn, ihr holt uns. Und es ist Putin, der die NATO stärker, größer und vorwärtsgerichteter gemacht hat, weil er eine Bedrohung für uns darstellt. (…) Ich glaube, dass Putin ohne Präsident Biden in den letzten vier Jahren die Ukraine überrollt hätte und nach Westen gerückt wäre.»
In den Kommentaren findet sich fast keine Unterstützung für Nulands Aussagen. Und die Kritiken sind harsch. Hier einige Beispiele:
«Jemand sollte dieser Victoria Nuland sagen, dass Russland kein Paria-Staat ist, sondern dass die BRICS-Länder die Mehrheit der Weltbevölkerung stellen und zu Russland gehören.»
«Der Todesengel Victoria.»
«Wenn eine Hexe menschliche Gestalt annehmen würde, sähe sie aus wie Nuland.»
«Regime-Change-Spezialistin des Tiefen Staates...natürlich für Demokratie, Menschenrechte.»
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