Mitte Januar berichteten wir über geheime Lager des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU, in denen angeblich «prorussische» Bürger illegal inhaftiert und gefoltert wurden. Davon betroffen war auch der ukrainische Abgeordnete Artyom Dmytruk.
Wie die italienische Politologin Clara Statello in l’AntiDiplomatico berichtet, hat Dmytruk nun ein weiteres geheimes Gefangenenlager in der Ukraine enthüllt. Seitdem die ukrainischen Streitkräfte die Stadt im November 2022 zurückerobert haben, werde «Merkur» in Cherson vom SBU betrieben.
Dmitruk zufolge wurden Zivilisten, die der Kollaboration mit Russland verdächtigt wurden, unmenschlich behandelt und gefoltert, um «Geständnisse» zu erzwingen. Die Gefangenen wurden demnach geschlagen, bekamen kein Essen und kein Wasser und wurden zu Falschaussagen gezwungen. Viele Gefangene seien spurlos verschwunden.
Verhaftungen würden häufig auf anonyme Denunziationen über Telegram-Kanäle zurückgehen und sich gegen Lehrer, humanitäre Helfer und einfache Bürger richten, so Dmitruk. Er behauptet, dass Hunderte von ihnen in «Merkur» gefoltert wurden. Viele von ihnen seien noch am Leben, würden aber noch immer in «Untersuchungsgefängnissen» festgehalten.
Dmitruk zufolge wurde zudem die Strafkolonie Nr. 101 in Kamyanska bei Saporischschja in ein politisches Gefängnis für Gegner von Präsident Wolodimir Selenskyj umgewandelt. Insassen, die des Verrats oder der Kollaboration beschuldigt werden, müssten unter dem Deckmantel der «patriotischen Umerziehung» Zwangsarbeit, Schläge und psychischen Missbrauch erdulden.
Etwa 200 Häftlinge, die zu langen Haftstrafen wegen Hochverrats beziehungsweise «Kollaboration mit dem Feind» verurteilt wurden, sind gemäß Statello dort inhaftiert. In den fast drei Jahren des direkten Krieges mit Russland hätten die Staatsanwälte mehr als 8000 Strafverfahren eingeleitet und schätzungsweise 1500 Menschen würden als Kollaborateure gefangengehalten.
Einer der Häftlinge, Aleksandr Melnik, beschreibt brutale Bedingungen, darunter zwölf Stunden Zwangsarbeit pro Tag und regelmäßige Schläge. Die «physische Prozedur» für die Widerspenstigen beinhaltet auch die Folter des «Stretchings». Die Gefangenen würden dabei mit dem Gesicht zur Wand gestellt und mit aufgestützten Händen und gespreizten Beinen gezwungen, stundenlang in dieser Position zu verharren.
Statello kritisiert die ukrainischen Antikollaborationsgesetze. Sie weist dabei auf Bedenken der Vereinten Nationen wegen möglicher Verstöße gegen das humanitäre Recht hin. Viele der sogenannten «Kollaborateure» seien lediglich Zivilisten gewesen, die versucht hätten, unter der russischen Besatzung zu überleben. Die Politologin kritisiert in diesem Zusammenhang die westliche Unterstützung Kiews.
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