Die beiden US-Senatoren Lindsey Graham (Republikaner) und Richard Blumenthal (Demokraten) haben am 12. August Kiew besucht. Dabei haben sie laut ihrer Presseerklärung unter anderem mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über ein strategisches Abkommen mit den USA über den Abbau der Seltenen Erden in der Ukraine im Wert von mehr als einer Billion Dollar gesprochen. Selenskyj soll davon begeistert gewesen sein.
In den deutschsprachigen Medien ist zu dem Besuch der beiden US-Politiker kaum etwas zu finden, erst recht nicht zu den Aussagen zum Rohstoffabbau in der Ukraine. Graham hatte kurzzeitig für Aufmerksamkeit gesorgt, als er Anfang Juni in einem Interview mit dem Sender CBS erklärt hatte, dass die Ukraine über «Mineralienreserven im Wert von 10 bis 12 Billionen US-Dollar» verfüge. Er sagte auch:
«Die Ukraine könnte das reichste Land in ganz Europa sein. Ich möchte nicht, dass Putin diese Ressourcen bekommt und sie mit China teilt. Wenn wir der Ukraine jetzt helfen, könnte sie der beste Geschäftspartner sein, den wir je hatten.»
Gemeinsam mit Senator Blumenthal erklärte er nun – über die Grenzen der gerade wahlkämpfenden Parteien hinweg:
«Die Ukraine ist mit bedeutenden Vorkommen an Lithium, Titan und anderen Seltenen Erden gesegnet, die von der amerikanischen Wirtschaft benötigt werden. Ein Abkommen mit der Ukraine in diesem Bereich würde die USA bei den Seltenen Erden weniger abhängig von ausländischen Gegnern machen.»
Der serbische Rechtswissenschaftler Zoran Cvorovic hat sich als einer von wenigen mit dem Besuch der US-Politiker beschäftigt. In einem Beitrag für die Zeitung Novi Standard macht er darauf aufmerksam, dass der Kampf um die Seltenen Erden und andere Rohstoffe zu den Hintergründen des Krieges in der Ukraine gehört.
Langfristige US-Politik
Der Besuch der beiden russophoben US-Senatoren in Kiew – die den ukrainischen Angriff auf die russische Region Kursk als «brilliant» lobten – zeigt für den Autor die strategische Ausrichtung der US-Politik gegenüber der Ukraine. Die sei unabhängig davon, wer im November in den USA die Präsidentschaftswahlen gewinnt.
Graham und Blumenthal hätte parteiübergreifend dafür plädiert, die Kiewer Führung weiterhin militärisch zu unterstützen. In ihrer gemeinsamen Erklärung stellen sie auch klar:
«Die Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Ukraine macht Amerika stärker und beschleunigt die wirtschaftliche Erholung der Ukraine.»
Für Cvorovic bestätigen diese Aussagen die Kontinuität der US-Politik, wie sie zuvor der US-Journalist Matthew Kaminski in einem Beitrag im Magazin Politico beschrieben hatte. Kaminski sieht die langfristige US-Unterstützung für Kiew als notwendig für die USA im Kampf gegen die aufstrebenden neuen Mächte wie China und Russland an.
Er beschreibt klar, dass es um US-amerikanische Interessen in der Welt geht: Eine multipolare Welt «würde Amerika in mehrfacher Hinsicht schaden, nicht zuletzt in wirtschaftlicher Hinsicht, weil der für US-Waren verfügbare Raum schrumpft, auch für Verteidigungsgüter und Investitionen. Dies ist ein interessenbasiertes Argument für die Bewaffnung der Ukrainer, um den Krieg zu gewinnen, den sie, nicht die US-Soldaten, führen.»
Cvorovic sieht damit auch bestätigt, dass die USA in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen. Eine Niederlage für sie würde bedeuten, dass ihr bisher dominierender globaler Einfluss schrumpfen würde. Kaminski habe zugegeben, «was für jeden, der sich nicht von westlicher Propaganda betäuben ließ, längst klar war: Ukrainische Soldaten sterben für die neokolonialen Interessen der USA».
Verlockender Rohstoffreichtum
Der Autor weist auf Erkenntnisse hin, denen zufolge die Kiewer Führung die Ukraine längst zum Eigentum westlicher Konzerne gemacht hat. So habe der US-Finanzverwalter BlackRock bereits etwa die Hälfte der ukrainischen Ackerfläche gekauft.
Die bundeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) hatte bereits im Januar 2023 den Rohstoffreichtum der Ukraine in Gefahr gesehen. Laut GTAI sind «Rohstoffvorkommen im Wert von 12,4 Billionen US-Dollar» nach wie vor der Kontrolle der ukrainischen Armee entzogen, «darunter 41 Kohleminen, 27 Gaslagerstätten, 9 Ölfelder und 6 Eisenerzvorkommen».
«Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Kampf um die Rohstoffe. Das Land hat große Vorkommen an Eisen, Titan und Lithium, die nun zum Teil von Russland kontrolliert werden.»
Das ist nun gar nicht im westlichen Interesse, wie US-Senator Graham im Juni erklärt hatte. Das sei den Vertretern des Kiewer Marionettenregimes klar, weshalb sie auch mit dem Argument für weitere westliche Unterstützung werben, so der serbische Rechtswissenschaftler.
So habe die stellvertretende Kiewer Ministerin für Umwelt und natürliche Ressourcen, Swetlana Grinchuk, im ersten Jahr des Ukraine-Krieges erklärt, dass «etwa fünf Prozent aller weltweiten Reserven an ‹kritischen Rohstoffen › in der Ukraine liegen, die etwa 0,4 Prozent der Erdoberfläche einnimmt». Sie habe im Oktober 2022 auf einer Sitzung der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE) auf die rund 500‘000 Tonnen an Lithium-Reserven in der Ukraine hingewiesen, die für die Batterien in E-Autos «unersetzlich» seien.
Die Hilfe des Westens bei der «Befreiung» ukrainischen Territoriums könne für diesen den Zugang zu den Rohstoffen des Landes «beschleunigen und erweitern», bot die Ministerin ihr Land zur Ausbeutung feil. Ähnlich der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal: Bei der Fachtagung «Raw Materials Week» im November 2022 in Brüssel betonte der, dass die Ukraine «zu den zehn größten Produzenten von Titan, Eisenerz, Kaolin, Mangan, Zirconium und Graphit» gehöre. Er habe sein Versprechen erneuert, das Land zu einem «integralen Bestandteil der industriellen Beschaffungsketten in der EU» zu machen, wie es in einem Bericht der World Socialist Web Site heißt.
Begehrtes Titan
Cvorovic macht darauf aufmerksam, dass vor dem Besuch von Graham und Blumenthal in Kiew auf der Webseite des Weltwirtschaftsforums (WEF) ein Beitrag mit dem Titel «Die Zukunft der kritischen Rohstoffe: Wie die Ukraine eine strategische Rolle in globalen Lieferketten spielt» erschien. Darin heißt es unter anderem, dass dieses osteuropäische Land über etwa 20.000 Vorkommen von 116 verschiedenen Bodenschätzen verfügt, von denen vor dem Krieg nur 3.055 Vorkommen (etwa 15 Prozent) aktiv ausgebeutet wurden.
In dem WEF-Text werde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Ukraine sieben Prozent der weltweiten Titanreserven besitze und eines der wenigen Länder sei, die das Erz fördere. Das werde für die Luft- und Raumfahrt-, Medizin-, Automobil- und Schiffbauindustrie benötigt.
Russische und US-Medien machen laut dem Autor seit langem darauf aufmerksam, dass Titan im Fokus der Aufmerksamkeit Washingtons steht, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht. Gleichzeitig sei die Tatsache, dass die größten Titanerzvorkommen in der Ukraine derzeit unter der Kontrolle des Kiewer Regimes in den Regionen Dnipropetrowsk und Schytomyr stehen, nicht ohne Bedeutung.
Während die Ukraine die weltweit zweitgrößten Reserven an Titanerz habe, würden die USA 90 Prozent ihres Bedarfs durch Importe decken. Allein im Jahr 2021 hätten die USA die Rekordsumme von 82 Millionen Dollar für den Kauf von Titan ausgegeben. Es sei beispielsweise in der Luftfahrtindustrie unverzichtbar.
So decke der US-Luftfahrtkonzern Boeing 30 Prozent seines Bedarfs an Titan aus Russland, das 2021 der zweitgrößte Titanexporteur (nach China) war. Aufgrund der Abhängigkeit von russischem Titan, haben die USA und die EU laut Cvorovic keine Sanktionen gegen den Export dieses Metalls aus Russland verhängt.
Er verweist auf einen Beitrag der transatlantischen Denkfabrik Center for European Policy Analysis (CEPA) vom September 2022 mit dem Titel «Titan aus der Ukraine kann den Westen schützen». Darin heißt es unter anderem, die erheblichen Titanvorkommen der Ukraine seien «eine wichtige Schlüsselressource für den Westen», da das Metall für viele Waffensysteme «unverzichtbar» sei. Die CEPA-Autoren stellen klar:
«Die Unterstützung der Ukraine wurde bislang von strategischen Überlegungen und moralisch-politischen Werten abgeleitet. Langfristige westliche Hilfe sollte jedoch auch auf soliden materiellen Interessen beruhen.»
Geopferte Ukraine
«Die Bereitschaft Washingtons, den Krieg bis zum letzten ukrainischen Soldaten zu führen und den von Putin vor der Kursk-Offensive vorgeschlagenen Friedensbedingungen, zu denen auch die Anerkennung der Annexion von vier ukrainischen Regionen an Russland gehört, nicht zuzustimmen, hat sicherlich etwas damit zu tun«, schreibt Cvorovic in seiner Analyse.
Er erinnert auch daran, dass der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter im Dezember 2023 erklärte, die Europäische Union (EU) brauche für ihre «Energiewende» eigene Lithiumvorkommen. Und:
«Die größten Vorkommen in Europa liegen im Donezk-Luhansk-Gebiet. Deswegen will Russland diese auch, um uns abhängig zu machen von der Energiewende mit Blick auf Elektromotoren.»
Für den serbischen Autor zeigt der Fall der Ukraine «glasklar, dass die Frage der Ausbeutung seltener Metalle in erster Linie eine geopolitische Angelegenheit ist, deren Preis proportional zur Angst des kollektiven Westens vor dem Verlust der globalen Vorherrschaft ist».
«Um an kritische Ressourcen zu gelangen, ist der kollektive Westen bereit, ein Land völlig zu zerstören – das hat er in der Ukraine seit dem Maidan im Jahr 2014 bis heute gezeigt.»
Er warnt zugleich Serbien davor, die eigenen Lithiumvorkommen dem Westen zu überlassen, denn: «Schließlich sind die Serben die ersten und größten Opfer der letzten Phase der westlichen Weltherrschaft und sollten daher die letzten sein, die ihr Land und ihre Bodenschätze nutzen, um den kollektiven Westen vor seinem Zusammenstoß mit China und Russland zu retten.»
**********************
Unterstützen Sie uns mit einem individuellen Betrag oder einem Spenden-Abo. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag für unsere journalistische Unabhängigkeit. Wir existieren als Medium nur dank Ihnen, liebe Leserinnen und Leser. Vielen Dank!
Oder kaufen Sie unser Jahrbuch 2022 (mehr Infos hier) mit unseren besten Texten im Webshop:
Kommentare