Transition News: Warum machen Sie sich auch dieses Jahr wieder auf den Weg von Sachsen nach Berlin zur Augustdemonstration?
Andreas Beck: Weil das inzwischen Tradition hat. Und wir bezeichnen 2024 als das «Jahr der Wende», hier im Osten von Deutschland haben wir den Begriff «Wende» schließlich geprägt. Es ist ein bedeutendes Jahr.
Auch wenn es im Augenblick danach aussieht, als ob das immer so weiterläuft. Aber es ist schon sehr viel passiert. Und dieses System, das noch an der Macht ist, bröckelt an allen Ecken und Enden. Es ist ein Wendejahr.
Und warum waren Sie vor vier Jahren dabei?
Manuela Beck: Wir wussten von Anfang an, dass die Pandemie eigentlich eine große Lüge ist und fühlten uns in Chemnitz ziemlich ohnmächtig. Es gab kaum eine Bewegung, sondern nur einige wenige Menschen, die in der Innenstadt schweigend eine kleine Runde liefen. Von weitem konnte kein Passant erkennen, worum es dabei eigentlich ging. Schon im April 2020 hatte Michael Ballweg eine große Demonstration in Stuttgart auf die Beine gestellt, und im Mai wollten wir unbedingt dorthin.
Andreas Beck: Wir haben es in unserer Heimatstadt nicht mehr ausgehalten, wir mussten irgendwas tun, wir wollten raus. Kurzentschlossen sind wir nach Stuttgart und haben diese große Demo auf dem Cannstatter Wasen miterlebt – mit mehreren Tausend Teilnehmern und Stefan Homburg, Ken Jebsen und Ralf Ludwig. Also das war schon beeindruckend.
Wir sind später noch mal nach Stuttgart gefahren, weil wir dachten, von dort geht eine Bewegung los. Und dann war es nicht mehr weit bis zum 1. August. Jedenfalls sind wir damals mit gemischten Gefühlen nach Berlin gefahren, weil wir ja nicht ahnen konnten, wie groß die Geschichte wirklich wird.
Manuela Beck: Es war auch ein Strohhalm, denn wir mussten irgendwas tun. Wir haben versucht, uns zu orientieren. Und so war klar, dass wir nach Berlin fahren, um uns zu vernetzen und Kontakte zu knüpfen
Wann war Ihnen bewusst, dass mit der «Pandemie» etwas nicht stimmt?
Manuela Beck: Wir waren zu der Zeit im Winterurlaub in Südtirol und haben miterlebt, dass das Geschehen vor Ort nicht mit der Medienberichterstattung übereinstimmte. Wir konnten die Lügen direkt entlarven. Wir haben das live miterlebt. Es hieß, die Grenzen wären dicht, man würde aufgehalten und es würde Fieber gemessen.
Wir mussten über den Brennerpass – zwischen Italien und Österreich. Und im Internet war schon ein Bild zu sehen, wie die Polizei angeblich am Grenzübergang Brenner bei Autofahrern Fieber misst – mit so einem pistolenartigen Gerät, das man auf die Stirn hält. Wir sind am selben Tag, zur selben Zeit dort entlang gefahren, und es war nichts. Gar nichts! Es stand niemand an der Grenze, niemand kontrollierte. Ab da wussten wir Bescheid. Auch unser normaler Menschenverstand hat gesagt: Hier stimmt was nicht.
Andreas Beck: Ich habe mich gefragt, wie auf der ganzen Welt bei verschiedenen Jahreszeiten gleichzeitig dieselbe Pandemie ausbrechen soll.
Manuela Beck: Und warum plötzlich jedes Menschenleben gerettet und geschützt werden soll, wenn gleichzeitig nichts gegen Kriege, Hunger und Elend getan wird.
Noch mal zurück zum 1. August 2020. Das Motto damals war: «Ende der Pandemie – Tag der Freiheit». Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Andreas Beck: Es war eigentlich erst mal ein komisches Gefühl. Wir sind quer durch den Berliner Tiergarten in Richtung Straße des 17. Juni – wir vermuteten, dass dort der Bär steppt. Dem war aber nicht so. Man hat nur die Lautsprecheranlagen gesehen – diese riesigen Lautsprecheranlagen. Und ein paar wenige LKWs standen dort als Bühnenfahrzeuge. Wir sind dann weitergelaufen, durchs Brandenburger Tor, und auf der Straße Unter den Linden waren Massen an Menschen. Wir hatten Gänsehaut. Das hätten wir nie erwartet. Wir standen wirklich fassungslos da.
Manuela Beck: So ein Gefühl hatte ich in meinem Leben noch nie. Das war ein Hoffnungsschimmer. Wir sahen, dass wir nicht allein sind. Wir hatten absolut nicht damit gerechnet und waren wirklich zu Tränen gerührt. Wir haben fremde Leute umarmt. Wir waren so euphorisch.
Waren Ost und West vereint?
Andreas Beck: Es war eine sehr bunte Mischung an Menschen. Beim Demonstrationszug fuhren LKWs mit, auf denen Programm geboten wurde, die kamen aus ganz Deutschland. Es war so viel Power dahinter. Es gab so viel Energie vor Ort. Es war unglaublich.
Manuela Beck: Die Menschen kamen mit beschrifteten Schirmen und T-Shirts, mit Trillerpfeifen und Trommeln. Jeder hat auf seine Art und Weise seine Opposition gezeigt. Wir hatten uns natürlich nicht abgesprochen und stimmten trotzdem überein.
Andreas Beck: Manche waren fast nackt und hatten ihre Körper beschriftet. Da war schon richtig was los. Der Berliner Senat hatte ja versucht, die ganze Geschichte zu verbieten. Aber damals haben die Richter noch Recht gesprochen und diese Demonstration genehmigt.
Manuela Beck:
Die Emotionen waren überwältigend. Wahrscheinlich ging es vielen ähnlich, weil man so etwas noch nicht erlebt hatte. Wir im Osten können das vielleicht mit der Grenzöffnung vergleichen – dieses Unfassbare, diese Heiterkeit. Die Leute waren alle froh, erleichtert und doch entschlossen.
Andreas Beck: Die Gruppen, die mit Fahrzeugen teilnahmen, kamen vor allem aus dem Westen. Wir im Osten mussten uns noch finden. Wir haben zwar auch Sachsen auf der Demonstration getroffen – sie trugen eine Sachsenfahne – aber das waren Leute wie wir, die einfach nur mitgelaufen sind.
Manuela Beck: In den Wochen davor waren wir ziemlich deprimiert, und das schlug am 1. August schlagartig in Freude um. Man musste sich gar nicht motivieren. Die Kraft des Widerstands, dass wir das gemeinsam schaffen, das war einfach zu spüren.
Andreas Beck:
Ich dachte damals wirklich, das geht nicht mehr lange – vielleicht zwei Wochen.
War das der Auftakt für Ihr politisches Engagement?
Andreas Beck: Davor waren wir eigentlich ziemlich uninformiert. Man wusste, dass mit den Flüchtlingen irgendwas schiefläuft, aber ansonsten bewegte sich in diesem Land alles noch in einem Maße, dass man es noch ertragen konnte. Erst ab März, April 2020, als wir wirklich gemerkt haben, hier geht es um etwas ganz anderes, als um eine Pandemie, haben wir uns politisch informiert.
Manuela Beck: Und ich war eher diejenige, die sich chon länger mit den politischen Entscheidungen auseinandersetzen musste und gesehen hatte, dass hier etwas falsch läuft.
Sie arbeiten bei einer Berliner Behörde ...
Manuela Beck: Ja, als Sachbearbeiterin im Jobcenter. Da wurden die Corona-Verordnungen meist in vorauseilendem Gehorsam durchgesetzt.
Herr Beck, Sie sind Unternehmer. Ab wann konnten Sie es dann doch nicht mehr ertragen?
Andreas Beck: Ich betreibe eine Fahrschule. Und ich musste Anfang 2020 meine Arbeit komplett einstellen. Wir bekamen regelrecht Berufsverbot. Und selbst wenn ich nicht mitgemacht hätte, hätte das auch nichts gebracht. Es stellten ja alle Institutionen ihren Betrieb ein, aber als Fahrschüler braucht man die Prüforganisation und die Stadtverwaltung, alleine kommt man nicht weiter.
Man steht also in seiner Wohnung und fragt: Was machen die eigentlich mit mir? Warum dürfen die das? Warum dürfen die mir ein Berufsverbot aussprechen und meine Existenz gefährden?
Und da bin ich natürlich sehr hellhörig geworden, habe mich an den Rechner gesetzt und versucht, die Zusammenhänge zu verstehen.
Wann kam es zur Gründung von «Chemnitz steht auf»?
Manuela Beck: Der 1. August hatte uns natürlich unheimlichen Antrieb gegeben, um uns zu Hause zu engagieren. Es entstanden so viele Ideen: Plakat-Aktionen, Flyer, einen Info-Stand und eine Demo organisieren. So gründete sich «Chemnitz steht auf». Wir haben auch gemerkt, dass wirklich Bedarf besteht.
Andreas Beck: «Chemnitz steht auf» ist im Herbst 2020 aus dem Umfeld der «Freiheitsboten» entstanden, die viele tausende Flyer verteilten. Anfang Dezember desselben Jahres hatten wir dann mitten im Stadtzentrum die erste Demo organisiert, mit 130 Teilnehmern – mehr trauten sich nicht hin, weil die Polizei massiv absperrte. Das war der erste Versuch.
Dann kam der zweite «Lockdown», und das öffentliche Leben war komplett untersagt – es ging gar nichts mehr. Erst Anfang Februar 2021 war es möglich, eine Kundgebung mit bis zu 1.000 Teilnehmern anzumelden. Das war unsere zweite Demonstration. Es kamen 2.200 Teilnehmer und fast genauso viele Polizisten. Auch zwei Wasserwerfer standen bereit – also das volle Programm.
Kundgebung von «Chemnitz steht auf» am 6. Februar 2021 mit dem Motto: «Wahrheit – Freiheit – Frieden».
Trotz Schneefalls rückte die Polizei Sachsen zur Demonstration in Chemnitz mit zwei Wasserwerfen an. Fotos: Sophia-Maria Antonulas
Das war zu diesem Zeitpunkt die größte Kundgebung in ganz Deutschland, weil Demonstrationen überall sonst verboten waren. Die Dresdner haben nichts genehmigt bekommen und die Leipziger ebenfalls nicht. Wir in Chemnitz sind wohl ein bisschen durchgerutscht. Die Stadtverwaltung hatte uns noch nicht so richtig auf dem Schirm.
Das sah einige Wochen später anders aus ...
Andreas Beck: Ja. Die nächste Demo, Ende März 2021, wollte ich mit 5.000 Leuten anmelden. Michael Kretschmer, der Ministerpräsident von Sachsen, war kurz davor hier in Chemnitz und hat wohl neue Vorgaben gemacht. Denn danach war mit einem Schlag alles verboten. Wir hatten versucht, trotzdem etwas aufzuziehen, das funktionierte aber nicht: 1.700 Polizisten liefen in der ganzen Stadt Patrouille. Sobald drei Leute zusammenstanden, wurden sie von Polizeibeamten auseinandergetrieben.
Manuela Beck: Es war ein Katz-und-Maus-Spiel.
Andreas Beck: Großdemos waren danach eigentlich Geschichte. Die waren einfach nicht mehr durchzusetzen. Wir konzentrierten uns also auf die Montagsspaziergänge. Die mögliche Impfpflicht spielte uns da ein bisschen in die Karten. Immer mehr Menschen kamen auf uns zu. Wir waren, und sind, in der Stadt eine feste Größe. Das Gesundheitswesen lief an unserer Seite – und das alles, ohne bei der Behörde etwas anzumelden. Zu den Montagsspaziergängen kamen 2.000 bis 3.000 Menschen.
Manuela Beck: Diese großen unangemeldeten Montagsdemos wurden von der Stadtverwaltung geduldet. Und die Polizei begleitete uns still und leise.
Konnten Sie diese Montagsspaziergänge stets ohne Störungen durchführen?
Andreas Beck: Zumindest so lange bis die Impfpflicht vom Tisch war. Danach kamen schlagartig weniger Teilnehmer – das ging runter bis auf 70 Leute – und dann war die Polizei natürlich wieder stark. Und es wurde wieder versucht, alles als illegal abzustempeln.
Trotz allem wird in Chemnitz nach wie vor montags demonstriert. Hat sich die Kommunikation mit den Behörden verändert?
Andreas Beck: Als «Chemnitz steht auf» haben wir die Montagsdemos dann wieder in die Hand genommen und regelmäßig angemeldet, damit wir auch die Straße benutzen können und nicht nur über die Gehwege huschen müssen.
Manuela Beck: Wir mussten uns wirklich juristisch weiterbilden, um unser Demonstrationsrecht wahrnehmen zu können. Die Stadtverwaltung zog erst mit, als sie wusste, dass wir sonst den Rechtsweg beschreiten.
Andreas Beck: Andererseits wusste die Stadtverwaltung natürlich, dass das mit uns funktioniert. Darauf haben wir immer großen Wert gelegt. Und so hat sich bis heute ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen «Chemnitz steht auf» und der Stadtverwaltung entwickelt.
Was erhoffen Sie sich? Was wollen Sie erreichen?
Andreas Beck: Was wir wollen? Ich bezeichne uns ein bisschen als Bodentruppe. Wir sind diejenigen, denen nichts weiter zur Verfügung steht – also zeigen wir unseren Protest mit den Füßen. Außerdem bietet «Chemnitz steht auf» den Leuten ein Podium.
Aber letztendlich sind wir dafür da, dass es hier in irgendeiner Form zum Umsturz kommt. Wir sind eben die Bodentruppen. So einfach sehe ich das. Es gibt ganz viele kluge Leute, die sich mit der Politik direkt auseinandersetzen.
Manuela Beck: Wir wollen eine politische und gesellschaftliche Veränderung und zwar in allen Bereichen: in der Medizin, der Bildung und dem gesellschaftlichen Miteinander.
Andreas Beck: Wir können von unten sehr viel Druck machen. Dass das funktioniert, haben wir bewiesen: Julian Assange ist frei, unter anderem deswegen, weil die Leute weltweit für seine Freilassung auf die Straße gegangen sind.
Dieses System ist im Wanken. Die, die uns beherrschen, sind unschlüssig, wie sie vorgehen müssen. Und je mehr Leute einfach Nein sagen, umso besser ist es.
Was muss sich konkret verändern?
Andreas Beck: Wir können nur etwas verändern, wenn sich das politische System in Berlin verändert. Das wird aber nicht so einfach werden, weil sie bis in die Landkreise und Städte vernetzt sind. Das muss aufgebrochen werden. Und auch Wahlen können einen gewissen Teil dazu beitragen.
Am besten wäre es, wenn eine Partei wie die AfD an die Macht kommt. Sie wird das System nicht verändern. Aber sie könnte versuchen, die Strukturen zu brechen. Ich vergleiche das immer mit der DDR 1989: Erich Honecker hat man abgesetzt, und dann kam Egon Krenz an die Macht. In dem Augenblick hat sich viel verändert: Krenz hat die Strukturen aufgebrochen. Und danach war er wieder weg von der Bühne. So stelle ich mir das vor.
Manuela Beck: Ein wichtiges Ziel ist: eine wahre Politik für das Volk, mit direkter Mitbestimmung.
Andreas Beck: Zur Wendezeit gab es den «Runden Tisch», wo die ersten politischen Entscheidungen getroffen wurden. So könnte ich mir das wieder vorstellen, dass alle an einem Tisch sitzen und entscheiden, wie es in diesem Land mal weitergeht.
Man muss ja auch in den Städten und Kreisen vor Ort sein. Man muss präsent sein. Und da haben wir einiges dafür getan. Wir sind eine bekannte Größe mittlerweile. «Chemnitz steht auf» wird respektiert. Die Zukunft wird zeigen, wie sich das alles entwickelt. Aber wie das genau im Einzelnen aussehen kann, da sind wir im Augenblick auch ein bisschen überfragt.
Manuela Beck:
Die Menschen müssen vor allem wieder den Mut haben, daran zu glauben, etwas verändern zu können.
Macht so eine Großdemo Mut?
Andreas Beck: Mut haben wir hier eigentlich genug. Aber die Augustdemonstration ist auch ein wichtiges Zeichen. Die müssen in Berlin begreifen, dass wir noch da sind. Man hat ja immer das Gefühl, die Regierung will das alles aussitzen. So wie sie den Bauernprotest ausgesessen haben, bis die Bauern wieder auf die Felder mussten.
Manuela Beck: Wir wollen vor allem ein Zeichen setzen: Wir sind noch da. Wir halten zusammen. Und wir bleiben hier – so lange, bis der Mist vorbei ist.
Andreas Beck: Außerdem treffen wir bei diesen Demos immer unsere neuen Freunde aus ganz Deutschland, und das ist ein wunderschöner Nebeneffekt. Sich alle paar Monate wiederzusehen und in die Arme zu nehmen, das hilft und motiviert. Auch bei allem Ernst der Lage, dürfen wir unsere Freude nicht verlieren.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
Teil 1: «Wir sind einfach viele»
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