Was wir tun. – Was wir tun, wird nie verstanden,
sondern immer nur gelobt und getadelt.
Friedrich Nietzsche
Liebe Leserinnen und Leser!
Wie eine aktuelle Umfrage der Beratungsgesellschaft EY aufzeigt, ist nur jeder vierte Deutsche zufrieden mit seiner finanziellen Lage. Der Blick ins neue Jahr sei pessimistisch, die Angst um den Standort werde immer größer. Doch wie soll es besser werden? Viele setzen hier ihre Hoffnungen in Donald Trump – und darin, dass auch andere Teile der Welt am Ende von seiner Politik profitieren.
Tatsächlich hat der 78-Jährige bemerkenswerte Zeichen gesetzt, die spürbare Änderungen zum Besseren verheißen. So hat er angekündigt, als «Verschwörungstheoretiker» Abgekanzelte wie Robert F. Kennedy Jr. und Jayanta Bhattacharya, Professor für Medizin und Ökonomie an der Stanford University, in allerhöchste Regierungspositionen heben oder auch dem Ukraine-Krieg den Garaus machen zu wollen.
Auch hat Elon Musk, Leiter von Trumps «Effizienzdepartment» in spe, kürzlich hinausposaunt: «Hört auf, für ‹Wokepedia› zu spenden.» Die Trump zugeneigte New York Post ergänzt dazu, Studien hätten ergeben, dass Wikipedia «von einer linksgerichteten Tendenz geplagt ist».
Der Feind ist demnach ausgemacht: Die «Woken» und «Linken». In genau diese Kerbe haut die Post auch mit ihrem Meinungsbeitrag «Woke ist tot – sorgen wir dafür, dass es nie wieder auftaucht». Darin heißt es, es sei «in der nicht-linken Medienwelt ein Glaubensgrundsatz, dass Donald Trumps emphatischer Sieg ein Wendepunkt für die Woke-Bewegung ist».
Doch auch wenn ich selbst die Auswüchse der sogenannten «Woke-Bewegung» kritisiere (siehe zum Beispiel meinen Artikel «Tennislegende Martina Navratilova beklagt, dass die New York Times Frauen als ‹nicht-transgender Frauen› bezeichnet»), so denke ich, dass auch hier ganz genaues Hinschauen lohnt. Nicht alles an dem, was als «woke» bezeichnet wird, ist grundsätzlich schlecht. Gemeint ist damit ja eine «Wachsamkeit» für Diskriminierungen und Missstände. Genauso wenig ist alles, was als «links» gilt, zu verurteilen.
Letztlich kommt es immer darauf an, was bestimmten Begriffen an Bedeutung eingehaucht und wie universell und mit welcher Gewichtung das, was dann beabsichtigt wird, umgesetzt wird. Unredlich ist es etwa, wenn man sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender- und Queer-Personen (LGBTQ) stark macht, «Ungeimpfte» aber auszugrenzen sucht.
Und warum eine queere Olympia-Eröffnungsfeier und nicht etwa eine im Zeichen von Mädchen, deren Vagina verstümmelt wurde? Immerhin sollen bis 2030 weltweit 86 Millionen Mädchen Opfer weiblicher Genitalverstümmelung, kurz FGM (Female Genital Mutilation), werden.
Auch meint die Post, der «progressive Wahnsinn» habe uns «seit 1965 gequält». Eine klare Attacke gegen die «linke» 68er-Bewegung. Doch die 68er haben Vieles zum Positiven zu verändern versucht, indem sie gegen Korruption, gegen Machtmissbrauch, gegen Ungleichheit, gegen die Unterdrückung von Frauen und Minderheiten, gegen die Naturzerstörung und den Hunger und auch gegen Kriege wie den in Vietnam angekämpft haben.
Einst waren wohlgemerkt auch die «linken» Grünen noch systemkritisch und lustig, wie ich in einem Newsletter dargelegt habe. Oskar Lafontaine sagte dazu (siehe hier ab Minute 9:40 und auch bei Minute 15:00).
«Deshalb ist es heute ja so schwer, überhaupt über links und rechts zu diskutieren. Die wissen ja gar nicht mehr, was das ist. Die meinen ja wirklich, wenn man beispielsweise für flexible Arbeitsmärkte eintritt und wenn man für flexible Renten und was weiß ich alles eintritt, das sei alles dann links.
Und [über] diejenigen, die sagen, wir wollen doch einen auskömmlichen Sozialstaat, [heißt es,] die wollen zurück in die 1980er Jahre. [Nun,] manches ist auch wirklich zu bewahren. Zu bewahren ist die Menschenwürde. Und die verlangt, dass alle so gestellt werden, dass alle, die was leisten, ein auskömmliches Leben haben.»
Apropos Menschenwürde: Sie steht auch einer Todesstrafe entgegen. Trump hingegen hat einen «energischen» Vollzug derselben angekündigt. Auch will er die Grenzen dichtmachen und illegale Einwanderer sogar massenweise deportieren lassen.
Darüber, dass er die Ausbeutung von ärmeren Ländern durch die USA und ihren Konzernen zu stoppen gedenkt, hört man von Trump aber nichts. Dabei würde dadurch das Problem an der Wurzel gepackt! Dazu schrieb 2019 der Kongressabgeordnete Jim McGovern:
«Amerika hat die moralische Verpflichtung, denen zu helfen, die vor den Bedingungen fliehen, die durch unsere eigenen außenpolitischen Entscheidungen geschaffen wurden.»
Hüten wir uns also vor Pauschalurteilen und einem Feindbilddenken. Der Feind liegt nicht «links», nicht «rechts», nicht im «Woke-» oder «konservativ sein». Das sind alles nur Begriffshülsen, die immer wieder missbraucht werden, um uns gegeneinander aufzuwiegeln. Wenn überhaupt, ist der Feind eine kleine Elite, die ihren Luxuslifestyle und ihre Macht auf Kosten der «Masse» mit allen Mitteln zu verteidigen oder gar auszubauen sucht.
Alles Gute – trotz allem!
Torsten Engelbrecht