Im Kreis Düren wird den Bürgern inzwischen vorgeschrieben, wie sie zu trauern haben. Im Herbst 2022 verabschiedete der Kreistag dort für die beiden Soldatenfriedhöfe in Hürtgen und Vossenack eine neue Friedhofsordnung (wir berichteten).
Diese verbietet es, auf den Friedhöfen «Kränze oder Blumen, Vasen oder andere Zeichen der Trauerbekundung» niederzulegen. Kränze, die Besucher auf den Friedhöfen niederlegten, wurden seither wiederholt entfernt und vernichtet. So zum Beispiel am Volkstrauertag im vergangenen November.
Das gefällt längst nicht allen. Entsprechend bekam Landrat Wolfgang Spelthahn (CDU) zuletzt auch Gegenwind zu spüren von Seiten der Bürger. Für Rechtsanswalt Ingve Björn Stjerna ist das Blumenverbot ein No-Go. Er kämpft seit Monaten dagegen und berichtet auf seinem Anwaltsblog regelmässig über die jüngsten Ereignisse.
Behörden verstossen gegen Grundrechte
Seiner Meinung nach verstossen die Behörden mit ihrem Vorgehen gegen zahlreiche Grundrechte – darunter gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4. GG) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1. GG). Auch fehlt in den Augen des Anwalts eine Rechtsgrundlage für das Verbot.
Vor diesem Hintergrund reichte er im Februar 2023 einen Eilantrag gegen das sogenannte «Blumenverbot» ein. Erfolglos. Das Verwaltungsgericht Aachen lehnte diesen ab und argumentierte, dass für den Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
Hiergegen legte Stjerna Beschwerde ein. Doch wiederum ohne Erfolg. Am 23. Juni 2023 hat nun das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (NRW) die Beschwerde abgelehnt, wie Sterjna unlängst Transition News mitgeteilt hat.
Begründung: Antragssteller Stjerna habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihm mit dem Blumenverbot «schlechthin unzumutbare Nachteile» drohten. Auch fehle ihm ein «besonderer individueller Bezug» zu den besagten Soldatenfriedhöfen. Denn eine «verwandtschaftliche oder sonstige individuelle Verbundenheit zu den dort bestatteten Verstorbenen» sei in seinem Fall nicht ersichtlich.
Schliesslich könne er seinen verstorbenen Familienmitgliedern unverändert an deren Gräbern gedenken. «Diese Art des Gedenkens» sei «in keiner Weise eingeschränkt».
Stjerna selbst verlor vier Familienmitglieder während des Zweiten Weltkrieges. Dass sich das Gericht anmasse, darüber zu befinden, wo und wie man zu trauern und zu gedenken habe, findet er erstaunlich. Er kommentiert:
«Die Entscheidung des OVG NRW ist ein ebenso trauriges wie typisches Stück juristischer Zeitgeschichte. Es ist ein Musterbeispiel weltfremden Justizhandelns und zeigt anschaulich, wie weit sich Teile der Richterschaft inzwischen nicht nur von ihren verfassungsmäßigen Aufgaben, sondern auch von der Lebenswirklichkeit und dem Anstandsgefühl vieler Menschen entfernt haben.»
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar, gegen ihn kann lediglich Verfassungsbeschwerde erhoben werden.
Ruhestätte von über 5300 Toten
Auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack im Kreis Düren ruhen mehr als 5300 Tote. Darunter vor allem Soldaten, die bei der verlustreichen «Schlacht im Hürtgenwald», die 1944/45 zwischen der US-Armee und der Wehrmacht tobte, ums Leben gekommen sind.
Unter ihnen befinden sich auch zahlreiche Zivilisten und ausländische Staatsangehörige. Seit vielen Jahren findet zu Ehren der Opfer jeweils der «Hürtgenwald-Marsch» statt.
Die Gräber auf diesen Friedhöfen gelten als «Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft». Ihnen ist gemäss dem Gräbergesetz «in besonderer Weise zu gedenken». Dies, um «für zukünftige Generationen die Erinnerung daran wachzuhalten, welche schrecklichen Folgen Krieg und Gewaltherrschaft haben».
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