In der Schweiz war er bisher lediglich als Fussballer bekannt, seit er in den Nullerjahren bei verschiedenen helvetischen Klubs gespielt hatte. Nun ist er neuer georgischer Präsident: Michail Kawelaschwili. Er wurde vom neuen Wahlkollegium gewählt und ist Mitglied der Regierungspartei Georgischer Traum. In den hiesigen Medien wurde berichtet, die Parlamentswahlen vom 26. Oktober seien gefälscht gewesen und es würden Demonstrationen dagegen stattfinden. Was steckt hinter der Entwicklung in der Kaukasusrepublik (siehe hier und hier)?
Georgien, ein kleines Land mit großer geopolitischer Bedeutung, befindet sich in der Tat inmitten einer politischen Zerreißprobe. Die Regierung unter der Partei Georgischer Traum verfolgt eine Politik, die sich weder eindeutig dem Westen noch Russland zuordnet. Dies stößt auf scharfe Kritik aus Europa und den USA, die Georgien als Schlüsselland im Kampf um Einfluss im post-sowjetischen Raum betrachten. Die jüngsten Präsidentschaftswahlen, Proteste und internationalen Spannungen zeigen: Der Konflikt zwischen Westorientierung und Eigenständigkeit spitzt sich zu.
Der Ausgangspunkt der aktuellen Krise liegt in einem Gesetz, das ausländische Einflüsse auf NGOs, Medien und Blogger offenlegen soll. Die Regierung argumentiert, dies stärke die Transparenz und Souveränität Georgiens. Kritiker hingegen sehen darin einen Versuch, oppositionelle Stimmen und zivilgesellschaftliches Engagement zu unterdrücken. Die EU und die USA reagierten mit scharfen Drohungen, was die Kluft zwischen Tiflis und Brüssel/Washington weiter vertiefte (wir haben hier darüber berichtet).
Die Parlamentswahlen vom 26. Oktober brachten dem Georgischen Traum eine absolute Mehrheit, doch die Opposition und Präsidentin Salome Surabischwili warfen der Regierung Wahlmanipulation vor, obwohl selbst die OSZE bescheinigt hatte, keine derartigen Manipulationen registriert zu haben. Die monatelangen Proteste, die darauf folgten, eskalierten am 28. November zu Straßenschlachten, als die Regierung verkündete, die EU-Beitrittsverhandlungen bis 2028 auszusetzen. Die Entscheidung wurde mit «arroganten» Forderungen der EU begründet. Gleichzeitig stellte die Regierung aber in Aussicht, die Reformen für einen möglichen Beitritt 2030 weiterzuführen.
Die scheidende Präsidentin Surabischwili, eine französische Staatsbürgerin mit westlicher Orientierung, steht in scharfem Kontrast zur Regierung. Sie rief zu Protesten auf und verweigerte die Anerkennung des neuen Präsidenten Michail Kawelaschwili. Dessen Amtseinführung ist für den 29. Dezember geplant.
Georgiens Geschichte ist geprägt von wechselnden Einflüssen. Seit der Sowjetzeit ringt das Land um Eigenständigkeit, bleibt aber durch Konflikte in Südossetien und Abchasien und geopolitische Interessen gefangen. Während die USA und die EU Georgien als Brücke zwischen Europa und Asien sehen und in die NATO integrieren wollen, betrachtet Russland das als Bedrohung seiner Sicherheit.
Die Spaltung zwischen einer pro-westlichen Opposition und einer neutral orientierten Regierung verdeutlicht, wie tief die Konfliktlinien verlaufen. NGOs, die teils massiv von westlichen Geldern abhängen, spielen dabei eine entscheidende Rolle und werden von der Regierung als Einfallstor für ausländischen Einfluss kritisiert.
Die Proteste in Tiflis haben in den letzten Wochen abgenommen, doch die politische Unsicherheit bleibt groß. Die EU diskutiert über weitere Sanktionen, während die Regierung unnachgiebig auf ihrem Kurs der Eigenständigkeit pocht. Der Konflikt droht, sich weiter zu verschärfen, sollte der Westen seinen Druck erhöhen. Gleichzeitig könnte die Region erneut zum Schauplatz eines geopolitischen Machtkampfs werden, in dem Georgien zwischen den Fronten steht.
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