Transition News: Sie arbeiten seit mehreren Jahren für eine Landtagsfraktion der Partei Alternative für Deutschland. Warum möchten Sie dieses Interview nur im Schutzmantel der Anonymität geben?
AfD-Mitarbeiter (Name der Redaktion bekannt): Ich möchte auf jeden Fall anonym bleiben. Das Vertrauensverhältnis zu den Abgeordneten ist nicht so belastbar, dass ich mich traue, mit meinem echten Namen an die Öffentlichkeit zu gehen. Weil ich auch Angst habe, dann meinen Job zu verlieren.
Was sind die Gründe für dieses gestörte Vertrauensverhältnis?
Die Struktur in der Partei generell, aber auch in den Fraktionen, ist sehr patriarchisch und stark hierarchisch geprägt. Das heißt, es gibt natürlich Abgeordnete, die tonangebend sind. Und dafür, dass jene eigentlich für Widerstand stehen, erlauben sie relativ wenig konstruktive Kritik aus den eigenen Reihen. Es herrscht ein klassisches Soldatentum: Man bekommt einen Befehl, und der muss dann umgesetzt werden.
Als ich da anfing zu arbeiten, bin ich davon ausgegangen, dass ich gemeinsam mit meinen Kollegen auch eigene Ideen einbringen kann. Denn wir beschäftigen uns ja tagtäglich mit der politischen Agenda und sehen, welche Themen die AfD eigentlich setzen könnte. Doch da ist die Rückmeldung aus den oberen Reihen eher negativ. Wir arbeiten momentan im gesamten Team eher regressiv – wir warten darauf, dass wir eine Arbeitsanweisung bekommen. Proaktives Arbeiten, wie zum Beispiel eine Redaktion und einzelne Journalisten von außen zu bedienen, um selber Themen zu setzen, die wichtig sind, das ist bei uns nicht gewünscht.
Warum werden die Zügel so straff gehalten, dass ein Weiterkommen unmöglich scheint?
Die Masse der Abgeordneten hat Angst, dass etwas unkontrolliert nach draußen dringen könnte. Kontrolle spielt eine große Rolle. Nach-Vorne-Gehen ist nicht gewünscht.
Hintergrund ist natürlich auch, dass bei einer relativ großen Fraktion, bei der ich tätig bin, sich die Abgeordneten untereinander auch nicht alle grün sind. Da können die einen eben besser miteinander als die anderen. Dazu kommen die klassischen Machtkämpfe: Von oben wird Druck gemacht, dass der eine jetzt zu dem Thema nicht schon wieder etwas sagen soll. Nicht der Inhalt ist entscheidend oder das politische Thema, sondern im Vordergrund stehen immer die Machtverhältnisse zwischen den einzelnen Abgeordneten.
Wir bekommen das nie so deutlich gesagt, bis auf eine Ausnahme, wo es konkret darum ging, Themen eines speziellen Abgeordneten nicht durch seine Freigabe zu veröffentlichen, sondern erst durch die Freigabe des Vorstandes. Da war uns natürlich klar, der soll ausgebotet werden.
Kann diese Kontrolle nicht einfach damit zu tun haben, dass die AfD massiv angegriffen wird? Aktuell wird laut über ein Verbot nachgedacht.
Naja, da gibt es mehrere Faktoren. Das eine ist natürlich, dass die AfD generell permanent unter Beschuss der Altmedien steht. Und da versuchen natürlich die Fraktionen, so wenig Fehler wie möglich zu machen, um die Angriffsfläche zu verringern. Der zweite Punkt ist, dass die Kontrolle für die Personen wichtig ist, die jetzt gerade an den wichtigen Positionen sitzen, damit sie ihre Stellung nicht verlieren.
Wenn ich weiß, was in meiner Fraktion läuft und ich das extrem kontrolliere, habe ich natürlich den besseren Überblick darüber, wer vielleicht persönlich oder auch thematisch innerhalb der eigenen Reihen gegen mich schießt. Und was man nicht vergessen darf: Gerade in Ostdeutschland gibt es einige Fraktionen, die auf die 40 Prozent zugehen. Das heißt, wenn sie Glück haben, können sie alleine regieren. Und da werden hinterm Vorhang natürlich schon die Posten vergeben – es wird geschachert.
Wie wirkt sich das auf Ihre Leistung aus?
Also von Leistung würde ich nicht unbedingt sprechen. Wir arbeiten mal ein Thema aus – Pro und Kontras zu Migration zum Beispiel, Heizungsgesetz und so weiter – also zu den Dingen, die das Land gerade beschäftigen. Das machen wir natürlich. Aber es ist keine Dynamik da. Wer die Arbeit aus Redaktionen kennt, die tagesaktuell produzieren, die nah an dem dran sind, was das Volk sehen und hören will, das läuft ganz anders ab: Man sitzt morgens zusammen, bespricht sich in der Themenrunde, pitcht wichtige Themen und der Chefredakteur macht die Zuschläge für die Umsetzung. Und dann muss das Ding aber abends fertig sein. Dieser Prozess ist sauber durchdekliniert, unabhängig vom Thema.
Und von dieser Vorstellung, dass die politische Arbeit genauso läuft, also sehr agil, anpassungsfähig strukturiert und schnell ist, davon muss man sich verabschieden. Bei uns läuft das eher wie in einer klassischen Behörde: Es gibt einen Stempel, ein Stempelkissen und, wenn es gut läuft, einen funktionierenden Computer. Und diese Dinge werden dann behaglich bedient. Aber immer erst auf Ansage von oben.
Das heißt, die Dynamik, die man für die sehr schnellen sozialen Kanäle, wie X, braucht, kommt nicht zustande, weil wir nicht frei agieren können. Alles geht durch zig Freigabeschleusen. Aber der Hashtag, der heute Morgen noch aktuell war, hat sich drei Tage später erledigt. Das heißt, diese Bälle können wir nicht mitnehmen.
Und um es zusammenzufassen, es geht nicht um Inhalte, die wir schnell nach vorne bringen, wo wir besser sind als andere, sondern es geht ganz oft darum, bloß keine Fehler zu machen und, wie gesagt, lieber zu langsam zu sein, um nichts falsch zu machen. Es gibt ja den schönen Satz, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Das versucht man bei uns zu verhindern.
Aber das scheint doch zu reichen, wenn man sich die Umfragewerte der AfD ansieht.
Das hat auch damit zu tun, dass das Kartell der Altparteien so fatale Politik betreibt und die AfD-Abgeordneten im Grunde genommen däumchendrehend und in ihren Landtagsstübchen sitzend einfach nur zuschauen müssen, wie ihre Umfragewerte steigen. Das heißt, der eigentliche politische Druck, um eigene Themen zu besetzen, nach vorne zu bringen und damit um Aufmerksamkeit zu buhlen – ob in der Presse, in den sozialen Netzwerken oder bei Bürgerdialogen –, ist überhaupt nicht vorhanden.
Es herrscht eher eine abwartende Haltung. Bloß keine Fehler, bloß nicht zu viel machen. An dem einen oder anderen Punkt auch schon anfangen, so ein bisschen kompromissbereit zu werden. Ob man vielleicht auch schon zur CDU schielt, das kann ich nicht beurteilen, das ist jetzt nur mein Eindruck.
Eigentlich ginge es darum, Themen sauber durchzudeklinieren, sich ordentlich nach außen zu positionieren, sich auch nach innen auf eine neue, große Aufgabe vorzubereiten, die die AfD noch nie übernommen hat, in keinem Landtag und auch auf Bundesebene nicht. Aber anstatt gute Leute einzustellen, die was können und neue Impulse mitbringen, greift man eher auf bestehende Netzwerke zurück, ähnlich wie bei den Altparteien, und versorgt sozusagen die eigenen Freunde.
In der Regel werden ja die meisten Plätze in den Parlamenten über die Listenplätze vergeben. Die wenigsten werden per Direktwahl in einen Landtag oder in den Bundestag gewählt. Das bedeutet, dass man sich natürlich schon auf unterster Ebene hochdienen muss. Wer da zu sehr abweicht oder zu gut ist, bekommt keinen Listenplatz.
Wer schafft es denn auf einen Listenplatz?
Das sind die Leute, die um sich herum schon viele Leute haben, von denen sie de facto gewählt werden und die auch die Partei wählen werden. Und somit ist das wieder ein Schneeballsystem, wo man immer nur sein eigenes Klientel bedient. Das kann man auch beobachten, wenn Abgeordnete einsteigen. Auch ein Abgeordneter auf Landesebene kann ja einen Büroleiter haben. Und als Mitarbeiter holt man halt seinen Kumpel, der zum Beispiel für die Kreistagswahl die Plakate geklebt hat. Es werden die eigenen Leute versorgt, egal was die können. Und darunter leidet natürlich die politische Arbeit, nicht nur die Inhalte, sondern auch die Qualität.
Und dazukommt, dass Freunde und Kumpel in der Liste einfach weiter nach vorne rutschen. Sie landen dann eher auf einer entsprechenden Position als jemand, der in seinem Wahlkreis fleißig aktiv ist. Das läuft bei der AfD mittlerweile genauso wie bei allen anderen Parteien.
Das Parteiensystem, so wie wir es hier gerade haben, lädt einfach dazu ein, missbraucht zu werden. Wenn Menschen feststellen, wie wenig sie in der Politik arbeiten müssen, wie wenig Kontrolle und wie viel Geld es dafür gibt, werden sie diesen Platz bis aufs Blut verteidigen. Und wenn ich mir die Lebensläufe aus einigen Landtagsfraktionen anschaue, muss ich ganz ehrlich sagen, dass wir von den Grünen nicht mehr weit entfernt sind.
Das hat natürlich mit dem Wachstum der Partei zu tun. Da kommt nicht mehr nur der Promovierte oder der rein, der schon 30 Jahre einen Handwerksbetrieb geführt hat. Diese Leute gibt es auch noch. Aber die, die jetzt reinkommen und teilweise auch in hohe Positionen rutschen, haben oft nicht die beste Qualifikation. Sie sind teilweise sehr jung, ohne Berufserfahrung, zwar mit Studium, aber ohne praktische Erfahrung. Und diese Leute «aus gutem Hause» reden dann darüber, was die kleine Verkäuferin bei Penny in der heutigen Zeit doch für Probleme hat. Das nehme ich denen nicht ab.
Das betrifft aber bestimmt nicht alle, oder?
Von 100 Prozent sind es vielleicht 20 oder 30 Prozent, bei denen ich aufgrund meiner persönlichen Erfahrung sagen würde, die arbeiten, die kassieren nicht nur ab, sondern die wollen wirklich etwas verbessern.
Es gibt auch bei unserer Partei Leute, die, sobald sie mit einem Hubschrauber in ein Fünf-Sterne-Hotel nach Davos gebracht werden, relativ flexibel mit ihren Einstellungen umgehen würden. Das kann man ja jetzt, wo Wahlen bevorstehen, beobachten: Es gibt Ego-Nummern – man erkennt den besten Kumpel nicht mehr – und es herrschen ganz knallhart eigene karrieristische Motive.
Wer normal ist, kann das, was hier im Land abgeht, unabhängig von der politischen Ausrichtung, nicht gut finden. Das hat aber nicht mehr unbedingt mit einer kompletten Überzeugung zu tun. Ich halte viele Leute hier für genauso korrumpierbar wie in allen anderen Parteien. Genauso kenne ich aber auch AfD-Politiker, von denen ich überzeugt bin, dass sie nicht käuflich sind, denen geht es um die Sache, selbst wenn sie noch so viele Prügel einstecken müssen. Da habe ich großen Respekt.
Wer sich für diese Partei mit Gesicht und Namen aufstellen lässt, der hat oftmals keinen Spaß. Jeder, der für die AfD offiziell gearbeitet oder sich hat aufstellen lassen, hat es verdammt schwer hier in Deutschland. Und das sorgt natürlich nochmal für einen stärkeren Druck nach innen – auch für die Mitarbeiter. Wir sind für den normalen Markt kaputt. Und das nutzen leider auch die inneren Strukturen und die Abgeordneten aus. Das ist ein unausgesprochener Druck, so nach dem Motto: «Friss oder stirb. Wenn du nicht mitmachst, fliegst du halt raus, weißt ja, was dir dann blüht.» Das schwebt wie ein Damoklesschwert über den Mitarbeitern. Weil jeder weiß, dass man so schnell nichts anderes findet, wenn man rausfliegt. Man ist verbrannt.
Eigentlich ist das gesamte Parteiensystem, so wie wir es jetzt haben, überholt. Es wird zusammenkrachen, weil wir es einfach nicht mehr brauchen.
Obwohl Sie selbst bei einer Partei arbeiten, sehen Sie das Parteiensystem also kritisch?
Wir haben das in der «Corona»-Zeit deutlich gesehen: Wir leisten uns zig Landesparlamente, wir leisten uns mehr als 700 Bundestagsabgeordnete. Und was ist dabei rausgekommen? Es gab eine Ministerpräsidentenkonferenz, die offiziell in unseren Statuten überhaupt gar nicht vorgesehen und demokratisch nicht legitimiert ist. Mit dem Ergebnis, dass alle dem Credo aus Berlin gefolgt sind. Dafür brauche ich keinen Föderalismus.
Echter Föderalismus und auch die Unabhängigkeit der Abgeordneten können nur durch Direktwahlen gewährleistet werden. So wären Politiker eng mit ihrer Kommune verbunden, wo sie im Zweifelsfall den Kopf hinhalten müssten.
Wir brauchen ein System, in dem ich als Abgeordneter kein freies Mandat, sondern eine Verpflichtung habe, Dinge umzusetzen und dafür auch haftbar bin. Ein System, in dem Politkarrieren nicht mehr möglich sind und die Zeit im Landtag oder Bundestag zeitlich begrenzt ist. Vielleicht gibt es sogar ein Zufallsprinzip, damit jeder Bürger sich demokratisch einbringen kann – zum Beispiel per Losverfahren. Und vom Job wird man für eine Legislaturperiode freigestellt, mit entsprechender Möglichkeit zurückzukehren. Und was auch noch wichtig ist, es sollte ein Mindestalter und eine Mindestqualifikation geben, damit Abgeordnete überhaupt mitreden können.
Wenn man studiert, aber nie gearbeitet hat, oder aus «gutem Hause» kommt, aber nicht weiß, was es heißt, die Miete nicht bezahlen zu können, dann kann man über das Leben der Menschen nicht urteilen. Die meisten Abgeordneten werden aber durch das Versorgungspaket, das sie im Landtag oder im Bundestag genießen, einfach versaut. Die kennen die wirklichen Probleme der Bürger nicht mehr. Es ist ein Selbstbedienungsladen. Früher gab es den König und seine Fürsten, und jetzt gibt es halt den Bundestag und die Landesparlamente. Das ist vom Prinzip her ein aufgeblasenes System, das den Namen Föderalismus aufgrund der persönlichen Eigenschaften der meisten Abgeordneten einfach nicht mehr verdient.
Ich prognostiziere, dass es auch in der AfD eine Entkoppelung geben wird, sobald die Machtverhältnisse sich ändern. Es wird eine Abkehr von einem gewissen Radikalismus und von bestimmten Forderungen geben. Weil natürlich hinter unserem Parteiensystem die entsprechenden Interessengruppen stehen.
Das heißt, wir brauchen wirklich unabhängige Menschen, die uns in den Parlamenten vertreten, die uns gegenüber eine Verpflichtung, ein Haftungsprinzip haben und die losgelöst von irgendeinem Fraktionszwang sind.
Da Sie «Corona» erwähnt haben. Steckte die AfD hinter den Demonstrationen für die Einhaltung der Grundrechte?
Ich habe das sehr nah verfolgt. Und am Anfang, das wissen aber eigentlich alle, war die AfD für noch härtere Maßnahmen – das war, glaube ich, im März oder April 2020, als der ganze Zauber losging. Danach haben sie sich relativ schnell gedreht.
Ich sehe es als sehr positiv, dass es im Osten Deutschlands nicht nur Demonstrationen von der AfD selber gab, sondern auch Kooperationen mit der Bürgerbewegung. Diese gemeinsamen Demonstrationen hat man im Vorfeld sehr demokratisch zusammen abgestimmt: Wer macht was? Welche Redner wollt ihr? Gehen wir zusammen? Reden wir zusammen? Das fand ich spitze.
Es gab aber auch, und davor ziehe ich wirklich meinen Hut, ein paar Abgeordnete, die in ihrem Wahlkreis Demonstrationen als Fraktionslose angemeldet haben. Das war für mich ein Zeichen, dass dieser Abgeordnete ernst zu nehmen ist. Diese Abgeordneten machten in ihrem Wahlkreis keine AfD-Demonstration, sondern haben das für alle geöffnet, damit die, die sich der Partei nicht zugeneigt fühlen, trotzdem mitdemonstrieren. Einige Abgeordnete haben regelmäßig als Privatperson Demonstrationen angemeldet, nicht nur einmal, sondern mehrmals.
Gegen Grundrechtseinschränkungen und Menschenrechtsverletzungen dermaßen eindeutig Stellung zu beziehen, hat das der AfD zu ihrem aktuellen Aufschwung verholfen?
Auf jeden Fall. Ich kenne in meinem Umfeld einige Leute, die bei dem ganzen Zirkus einfach nicht mitgemacht haben und die ganz klar sagen, dass sie keine Partei wählen können, die in irgendeiner Art und Weise während der «Corona»-Zeit dabei war oder auch nur stillgehalten hat – egal, was die heute erzählt. Und am Ende des Tages bleibt dann natürlich nur eine Alternative, nämlich die Alternative für Deutschland.
Ganz ehrlich, die Leute, die noch wählen gehen, kreuzen einfach das geringere Übel an. Natürlich gibt es auch glühende Anhänger. Das ist ja auch in Ordnung. Aber viele sehen sich die ungefähre Richtung einer Partei an und ob sie irgendwie damit übereinstimmen. Die AfD hat durch ihre Position während der «Corona»-Krise, vor allem auch durch ihre ganz klare Haltung gegen die Impfpflicht, extrem viele Sympathiepunkte eingefahren.
Kann die AfD Deutschland aus dem Schlamm ziehen?
Das glaube ich nicht. Weil das System eben so ist, wie es ist: mit Strippenziehern im Hintergrund, Lobbyismus, Korruption. Die absolute Abwesenheit von Kontrolle bei der Tätigkeit der Abgeordneten lädt einfach jeden dazu ein, wahnsinnig viel Geld in kurzer Zeit zu verdienen. Und deswegen kann ich mir nicht vorstellen, selbst wenn es jetzt einen Regierungswechsel geben sollte, dass die AfD der alleinige Heilsbringer ist. Das glaube ich nicht.
Ich glaube, dass sich die Menschen einfach daran gewöhnen müssen, zumindest die, die den Wahnsinn durchschauen, dass die AfD für den Moment eine Möglichkeit ist, eine bestehende Agenda zu stören, die ja offensichtlich läuft. Denn solange die Altmedien und die Altparteien diese Partei so sehr hassen, können wir davon ausgehen, dass sie noch nicht komplett gedreht ist. Das heißt für mich, ich wähle die AfD, damit sie als Störmoment das, was hier gerade abläuft, erst mal stoppt.
Die Zeiten sind vorbei, wo man als Demokrat daran glaube konnte, sich um nichts kümmern zu müssen, wenn man alle vier Jahre sein Kreuz macht. Wir haben gesehen, was passiert – da spreche ich auch von mir selbst –, wenn wir über Jahre hinweg die Dinge einfach laufen lassen. Es gab auch vor «Corona» schon eine Einschränkung der Meinungsfreiheit und des Meinungskorridors. Die Übergriffigkeit bei «Corona» hat mich, wie viele andere Menschen auch, dazu gebracht, mich mit allen möglichen Themen zu beschäftigen, um zu verstehen, was hier eigentlich alles abläuft. Und mir erscheint es sinnvoll, die AfD als Störmoment zu wählen.
Aber wenn man etwas verändern will, muss man selber aktiv werden: auf Demos gehen, sich selber aufstellen lassen, einen Verein gründen, mit seinem Umfeld über die Themen sprechen, anstatt zu schweigen, und trotzdem seinen Humor behalten. Aber wir sollten uns nicht auf eine Partei verlassen, die in diesem maroden System gerade dabei ist, aufzusteigen.
Wir Menschen sind alle gleich. Das, was uns unterscheidet, ist die politische Ausrichtung. Der eine will mehr Windräder, und der andere will wieder zurück in die 80er Jahre und möchte dicke Autos fahren und von morgens bis abends heizen und das Fenster auflassen. Aber die tatsächlichen Fragen der Zukunft, damit wir Menschen uns wieder wohlfühlen, können nicht von irgendeiner Partei oder irgendeinem Abgeordneten beantwortet werden.
Und das ist das Entscheidende: Wählt sie, aber erwartet nicht, dass die Welt sich verändert oder besser wird. Wir müssen als Bürgerbewegung, als kritische Menschen, einfach weiterhin auf allen möglichen Ebenen dafür sorgen und auch dafür kämpfen, dass wir, wenn uns das hier um die Ohren fliegt, dieses Momentum nutzen, um dieses elende System loszuwerden. Scholz war als Kanzler nicht gewollt, Merz sowieso nicht. Wenn ich eine Regierung nicht absetzen kann, die das Gegenteil von dem macht, was sie in ihren Programmen schreibt oder auf irgendwelchen Bühnen erzählt, dann habe ich als Souverän schon lange meine Souveränität verloren. Dann bin ich Knecht.
Halten Sie ein Parteiverbot für möglich?
Wenn das passiert, können die Partei und die einzelnen Protagonisten – da gibt es verdammt pfiffige Leute – nochmal richtig kreativ werden. Sie werden sich anders formieren, neu zusammensetzen, denn die Leute sind ja da. Das ist nur ein formeller Akt. Da wird es ein bisschen rütteln im System. Wenn sie das machen, dann kann man eigentlich der AfD schon im Vorfeld gratulieren, weil das für so einen Zuspruch sorgen wird, dass die Partei nochmal weiter nach vorne gehen wird. Selbst wenn sie dann anders heißt.
Das zeigt einfach, dass der politische Gegner, sprich die Kartellparteien, auch nicht die hellsten Köpfe an der Spitze haben. Das zeugt von mangelnder Kompetenz. Die sitzen an den Führungspositionen, um dieses Ding irgendwie durchzuziehen. Das sind nur Drohgebärden. Vielleicht machen sie mal den Versuch – aus lauter Verzweiflung, weil die Umfrageergebnisse für die AfD immer weiter nach oben zeigen. Auch mit dieser «Brandmauer» beweisen uns die Kartellparteien, wie antidemokratisch sie eigentlich sind.
Wie sehen Ihre ganz konkreten Verbesserungsvorschläge für die AfD aus?
Rein inhaltlich, würde ich sagen, sind die Positionen grundsätzlich für mich vertretbar. Aber gute Leute, denen es um die Inhalte geht, werden in der AfD zerrieben. Diese Menschen, die keine Möglichkeit mehr haben, aus dem System rauszukommen, weil sie auf dem Arbeitsmarkt – egal in welcher Funktion – keine Chance mehr haben, stumpfen einfach ab und geben irgendwann auf.
Ich würde mir wünschen, dass man den Kampf, den die Partei nach außen führt – gegen die Mainstream-Medien, die Altparteien und die öffentliche Meinung –, nicht nach innen überträgt. Sondern dass die Energien dafür aufgewendet werden, sich wirklich mit Inhalten zu beschäftigen und sich gut auf einen möglichen Umschwung vorzubereiten.
Lasst doch kritische Stimmen zu. Denn ein Abgeordneter kann seinen Job nur so gut machen wie die Leute, die hinter ihm stehen. Und wenn ich diese mit Füßen trete, nur mit Druck und totaler Kontrolle arbeite, können sich Menschen nicht entwickeln. Auch Mitarbeiter wollen und können etwas bewirken.
Es ist für mich ein Widerspruch, sich einerseits als Widerstandskämpfer an der Seite des Volkes zu präsentieren, aber hinter den Kulissen ganz anders zu agieren. Wenn ich eine Kultur, die ich nach außen fordere, nicht nach innen lebe, entsteht ein unüberwindbarer Graben. In einer Zeit, wo uns die Wählerstimmen nur so zufliegen, wie wollen wir es denn besser machen als die anderen, wenn wir das nicht innerhalb der Fraktion umsetzen? Erst eine moderne Kultur, Offenheit, Transparenz und Leadership bringen den Einzelnen dazu, das Beste aus sich herauszuholen. So blühen Menschen auf. Erst wenn wir diese Kultur nach innen leben, können wir unser Land in einen anderen Zustand versetzen. Wie wollen wir dieses Volk wieder zum Leben erwecken, wenn wir das Leben in unseren eigenen Kreisen erst mal abtöten? Das geht nicht. Der Funke kann nur überspringen, wenn man selber für etwas brennt.
Das Interview führte Sophia-Maria Antonulas.
Kommentare