17,3 Milliarden Euro hat der Einsatz deutscher Soldaten und Entwicklungshelfer in Afghanistan laut Bundeswehr zwischen 2001 und 2021 gekostet. Auf das 133-Fache dessen, nämlich auf 2,3 Billionen Dollar, beziffern die USA ihre Kriegskosten. Doch trotz dieses gigantischen finanziellen Einsatzes bleibt das Land eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt.
Seit 2001 haben die USA 2,26 Billionen US-Dollar in Afghanistan ausgegeben, wie das Costs of War Project der Brown University berechnet hat. Der größte Teil davon – fast 1 Billion US-Dollar – entfiel auf das Budget für die Overseas Contingency Operations des Verteidigungsministeriums. Der zweitgrößte Posten – 530 Milliarden US-Dollar – sind die geschätzten Zinszahlungen zur Finanzierung des Krieges. Nicht enthalten sind die lebenslange Versorgung von Veteranen und künftige Zinszahlungen; Quelle: theaseanpost.com
Die Seite Responsible Statecraft schreibt in einem aktuellen Beitrag gar, aus Afghanistan sei «nach fast 50 Jahren Krieg ein ökologisches Höllenloch» geworden. So konzentriere sich die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, wenn es um dieses Land geht, «auf die politischen und sicherheitspolitischen Aspekte». Doch es habe sich «eine weitere Krise entwickelt – eine, die das Land noch Generationen lang verfolgen wird. Afghanistans Umwelt wurde schwer zerstört, und die Folgen für die Bevölkerung sind verheerend.»
So habe jeder Krieg in der modernen Geschichte Afghanistans einen ökologischen Fußabdruck hinterlassen, der noch lange nach dem letzten Schuss bestehen bleibe. Dass auch die Natur ein Opfer des jahrzehntelangen Krieges ist, zeige sich an vergifteten Wasserquellen oder auch an reichlich unfruchtbarem Land. Auch habe der Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran radioaktiven Abfall hinterlassen. Die Zerstörung von Bewässerungsnetzen habe die Landwirtschaft lahmgelegt. Und «die zunehmende Anzahl an Atemwegserkrankungen und steigende Krebsraten, die auf den Kontakt mit gefährlichen Stoffen zurückzuführen sind, werden erst allmählich verstanden», so das Medium. Und weiter:
«Schon 2017 deuteten Berichte darauf hin, dass viele Afghanen die giftige Umweltverschmutzung zunehmend als eine ernstere Bedrohung betrachteten als die Taliban. Und alle Kriegsparteien tragen die Verantwortung für diese Zerstörung.
Laut Richard Bennett, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Afghanistan, ist die kriegsbedingte Umweltzerstörung ein Menschenrechtsproblem, das bislang weitgehend ignoriert wurde.»
Wurzeln der Umweltkrise reichen bis in die Kolonialzeit zurück
Die Wurzeln der Umweltkrise in Afghanistan würden bis weit vor die Zeit der Sowjet-Invasion im Jahr 1979 zurückreichen, konstatiert Responsible Statecraft. So hätten bereits die Interventionen der Kolonialisten und solche, die während des Kalten Krieges stattfanden, schwere ökologische Schäden verursacht.
Während der Kolonialkriege sei es zu schweren Umweltzerstörungen gekommen. So habe im letzten Anglo-Afghanischen Krieg die junge Luftwaffe Britisch-Indiens Kabul und Nangarhar bombardiert und dadurch langfristige ökologische und soziale Narben hinterlassen. Die anglo-afghanischen Kriege waren drei militärische Interventionen des Britischen Weltreichs in Afghanistan zwischen 1839 und 1919. Ziel dieser Kriege war es, die britische Vormachtstellung in diesem Raum zu sichern und den Expansionsbestrebungen des Russischen Reiches Einhalt zu gebieten.
Und auch schon vor der sowjetischen Invasion Ende der 1970er hätten dem Portal zufolge sowohl die Vereinigten Staaten als auch die Sowjetunion versucht, die afghanische Landwirtschaft zu industrialisieren – oft mit verheerenden Folgen. Responsible Statecraft:
«Bis Anfang der 1980er Jahre suchten fast 4,3 Millionen Afghanen Zuflucht in Pakistan und im Iran. Sie mussten ganze Dörfer verlassen und einst fruchtbares Ackerland verfallen lassen. Die Vertreibung der Bevölkerung unterbrach traditionelle Landnutzungsmuster und belastete die Ressourcen in den Flüchtlingsgebieten.
Nach dem Abzug der Sowjets zerstörte der Bürgerkrieg der Mudschahidin – insbesondere die heftigen Kämpfe in Kabul Anfang der 1990er Jahre – die städtische Umwelt und Infrastruktur weiter. Die Hauptstadt lag in Schutt und Asche, Wälder in den umliegenden Provinzen wurden zur Brennholzgewinnung abgeholzt und Wassersysteme irreparabel beschädigt.»
Nur noch zwei Prozent der Wälder im Osten sind übrig
Auch Afghanistans Wälder seien betroffen. In den 1970er Jahren habe es vor allem in den östlichen Provinzen ausgedehnte Waldflächen gegeben. Heute seien davon nur noch zwei Prozent übrig. Das Medium:
«Jahrelange Konflikte beschleunigten die Abholzung, da viele Menschen auf die Holzwirtschaft umstiegen, um zu überleben – sei es, um das Holz zu verkaufen oder zum Heizen und Kochen. Aufständische Gruppen und Kriegsherren bauten die Wälder des Landes zusätzlich ab und schmuggelten riesige Mengen Holz über die Grenzen. Die Folgen waren gravierend: Bodenerosion, Wüstenbildung und Sturzfluten, die den Vertriebenen die Rückkehr und den Wiederaufbau zusätzlich erschwerten.»
Auch seien durch Bombenangriffe und groß angelegte Militäroperationen gefährliche Chemikalien in Flüsse und Grundwasser gelangt. Während der Schlacht von Dschalalabad im Jahr 1989 zum Beispiel habe die Regierung von Mohammad Nadschibullah Berichten zufolge Scud-B-Raketen sowjetischer Bauart eingesetzt, die giftige Rückstände hinterlassen hätten, die bis heute die Umwelt belasten. Neuere Berichte deuteten zudem darauf hin, dass die Taliban ihren Selbstmordattentaten giftige Chemikalien beigemischt haben, was die Verschmutzung von Wasser und Boden weiter verschärfe.
Landminen überall – Abwurf der «Mutter aller Bomben» mit verheerenden Folgen
«Die vielleicht heimtückischste Umweltfolge des Krieges ist die Bodenverseuchung», so Responsible Statecraft. «So führten Pakistans Atomtests in Belutschistan, nahe den afghanischen Provinzen Helmand und Kandahar, zu erheblicher Bodenverseuchung und einem Anstieg der Krebsfälle in den angrenzenden afghanischen Gemeinden – ein alarmierendes Beispiel für grenzüberschreitende Umweltfolgen.»
Der Einsatz von abgereichertem Uran bei Raketenangriffen hinterlasse zudem radioaktiven Abfall, der in Land und Wasser sickere. Bauern würden dann unwissentlich ihre Feldfrüchte auf kontaminiertem Boden anbauen, während Kinder in Gebieten spielten, die mit giftigen Überresten vergangener Schlachten übersät seien. Laut Human Rights Watch würden nur zwei von 29 Provinzen als frei von Landminen gelten. Das Portal erläutert:
«In einem der extremsten Beispiele moderner militärischer Feuerkraft warfen die Vereinigten Staaten 2017 in der Provinz Nangarhar die GBU-43/B Massive Ordnance Air Blast – gemeinhin bekannt als ‹die Mutter aller Bomben›. Die Bombe, die größte jemals im Kampf eingesetzte nichtnukleare Waffe, verwüstete weite Teile des Berglandes und löste ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Bodentoxizität, nicht explodierter Kampfmittel und der ökologischen Zerstörung in einer der artenreichsten Regionen Afghanistans aus.»
Assange: «Das Ziel ist ein endloser, nicht ein erfolgreicher Krieg»
Wie aber ist das alles zu erklären? Kritiker meinen, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel gewesen sei «zwischen Waffenhändlern, Politikern und dem Weißen Haus». 2011 sagte Wikileaks-Gründer Julian Assange dazu:
«Afghanistan wird dafür genutzt, Geld zu waschen und es so der Besteuerung in den USA und in europäischen Länder zu entziehen – und dieses dann in die Hände einer transnationalen Sicherheitselite fließen zu lassen. Das Ziel ist ein endloser Krieg, nicht ein erfolgreicher Krieg.»
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