Am 26. März hatte das US-Magazin The Atlantic Informationen veröffentlicht, denen zufolge hochrangige US-Politiker sich in einem Chat auf der Plattform Signal über die Pläne für die Bombenangriffe auf den Jemen austauschten. Die USA hatten eine Woche zuvor angebliche militärische Ziele der jemenitischen Ansarollah («Huthis») angegriffen, was unter anderem zu Dutzenden Toten führte, wie gemeldet wurde.
Der Angriff war der erste Militäreinsatz in der zweiten Amtszeit von Donald Trump (78), der in seiner ersten Amtszeit als einer der wenigen US-Präsidenten keinen neuen Krieg begann, aber mehrere US-Bombenangriffe befehligte, unter anderem auf Syrien. Doch mit diesen neuen Angriffen auf den Jemen dürfte sein Ziel, den Friedensnobelpreis zu bekommen, in weite Ferne gerückt sein.
Der investigative US-Journalist Seymour Hersh (87) hat sich in einem am Donnerstag veröffentlichten Text mit der Frage beschäftigt, warum der Herausgeber von The Atlantic, Jeffrey Goldberg, in den Signal-Chat zu den Angriffen einbezogen war. Dadurch gelangte der Journalist an die Informationen, die er eine Woche nach den Angriffen veröffentlichte.
Ein Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums Pentagon war demnach dafür verantwortlich, wie Hersh schreibt. Dieser habe Goldberg auf die Liste der leitenden Regierungsbeamten gesetzt, die «nur mit Initialen» teilnehmen sollten.
«Eine wichtigere Frage könnte sein, warum die obersten nationalen Sicherheitsbeamten der Trump-Regierung die genehmigte Doktrin über Bord warfen, als es um so heikle Themen wie einen geplanten Bombenangriff auf Sanaa, die Hauptstadt Jemens und größte Stadt des Landes, sowie andere Ziele ging, und sich auf Signal und nicht das sicherste Kommunikationsmittel verließen, um den streng geheimen Einsatzplan für eine Bombenmission der Marine dort zu besprechen.»
Zu den Nachrichten, die Goldberg erhielt, habe ein Zeitplan für den Angriff und die eingesetzten Flugzeuge gehört. Der Skandal um die undichte Stelle sei ein weiterer Schlag für US-Verteidigungsminister Pete Hegseth gewesen. Der Verdacht sei auf Michael Waltz, Trumps nationalen Sicherheitsberater, gefallen.
«Waltz ist kein Amateur. Er ist ein ehemaliger Kongressabgeordneter und ehemaliger Offizier der Spezialeinheiten der Armee, der unter Vizepräsident Dick Cheney in der zweiten Bush-Administration arbeitete. Er wurde damals von seinen Kollegen hoch geschätzt.»
Hersh schreibt, die aktuellen US-Bombardierungen im Jemen seien eine Reaktion auf die langjährigen Verbindungen der Huthis zum Iran und dessen Unterstützung für die Palästinenser im Gaza-Streifen. Die Huthis hätten ihre Angriffe gegen Schiffe im Roten Meer mit Ziel Israel, mit denen sie die Palästinenser gegen den israelischen Vernichtungsfeldzug unterstützen wollen, im Januar eingestellt, als ein Waffenstillstand erreicht wurde.
Israel habe den Waffenstillstand gebrochen und seine Angriffe auf den Gaza-Streifen im vergangenen Monat wieder aufgenommen. Die Huthis reagierten darauf mit neuen Angriffe auf ausgewählte Schiffe im Roten Meer.
Laut dem US-Journalisten nahm die US-Marine die Befehlskette der Huthis in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa ins Visier, um die Wirksamkeit erneuter Huthi-Angriffe auf See einzuschränken. Die US-Marinebomber hätten sich bestimmte militärische Ziele in und in der Nähe der Stadt beschränkt. Die Huthis hätten dagegen US-Angriffe auf eindeutig gekennzeichnete zivile Einrichtungen gemeldet, darunter ein noch nicht fertiggestelltes Krebskrankenhaus nahe der Grenze zu Saudi-Arabien.
Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) berichtete demnach letzte Woche, dass die US-Bombenangriffe sich von Raketenabschussbasen in den Bergen auf «das Beschießen von [Huthi-]Führungspersonal sowie das Abwerfen von Bomben auf Stadtviertel» verlagert hätten. Die britische Organisation Airwars, die sich auf westliche Luftangriffe und deren Opfer konzentriert, wurde so zitiert:
«Nur weil man keinen Schaden an der Zivilbevölkerung sehen kann, heißt das nicht, dass er nicht geschieht.»
Die AP zitierte einen Huthi-Mitarbeiter, der sagte, dass mindestens siebenundfünfzig Menschen getötet worden seien. US-Präsident Trump gab nach der Genehmigung der erneuten Bombardierung im Jemen am 15. März eine kriegerische Botschaft heraus und erklärte, dass weitere Angriffe der Huthis auf die internationale Schifffahrt auf See «nicht toleriert werden», so Hersh.
Trump habe mit «überwältigender tödlicher Gewalt» gedroht, «bis wir unser Ziel erreicht haben». Zugleich habe er eine besondere Warnung an die iranische Führung gerichtet, wenn diese die jemenitischen Huthi weiter unterstützt. Die USA würde Teheran «voll zur Rechenschaft ziehen und dabei werden wir nicht nett sein».
Laut Hersh hat ein informierter US-Regierungsmitarbeiter ihm erklärt, warum die Nutzung von Signal beim Umgang mit sensiblen Informationen zur nationalen Sicherheit ein Problem darstellt. In seiner ausführlichen Antwort habe der Insider darauf hingewiesen, dass die von Signal verwendete End-to-End-Verschlüsselung zwar «robust genug» sei, aber persönliche Mobiltelefone äußerst anfällig für Hackerangriffe seien.
Ausländische Hacker hätten versucht, die persönlichen Mobiltelefone der Chat-Teilnehmer zu knacken.
«Und sobald man Spyware (wie das in Israel hergestellte Pegasus) auf dem Telefon einer Person installiert, ist alles und jedes auf diesem Telefon, einschließlich Signal-Chats, gefährdet.»
Die Teilnehmer des Chats hätten für diesen mutmaßlich nicht ihre von der Regierung ausgegebenen, hacksicheren Telefone verwendet, die normalerweise verwendet werden, wenn das von der Regierung autorisierte, hacksichere Kommunikationssystem verwendet wird. Jeder der Chat-Teilnehmer habe sowohl Zugang zu den von der Regierung ausgegebenen Telefonen als auch zum sicheren Kommunikationssystem der Regierung in ihren Büros.
Vizepräsident James D. Vance, Hegseth, die Direktorin des Nationalen Nachrichtendienstes Tulsi Gabbard und CIA-Direktor John Ratcliffe verfügen demnach auch in ihren Wohnhäusern über sichere Räume. Ihre Autos seien so ausgestattet, dass sie während der Fahrt eine sichere Kommunikation ermöglichen.
Doch selbst innerhalb des sicheren Kommunikationssystems gelte die Regel, niemals die Details von militärischen Angriffsplänen vor Beginn des Angriffs preiszugeben. Zudem gelte bei der Besprechung von Angriffsplänen immer die «Need-to-know»-Regel, wonach die Beteiligten nur erfahren, was sie jeweils für ihren konkreten Auftrag wissen müssen:
«Vance und Ratcliffe sollten darüber informiert werden, dass ein Angriff auf den Jemen unmittelbar bevorsteht – aber sie müssen mit Sicherheit nicht die Anzahl und Art der einzusetzenden Flugzeuge und Raketen, die Art der zu verwendenden Munition oder die anzugreifenden Ziele kennen.»
Verteidigungsminister Hegseth habe gegen diese Regel verstoßen, indem er die Angriffspläne mit der Gruppe geteilt habe. «Ein unsicherer Angeber, der versucht, andere zu beeindrucken, indem er Militärgeheimnisse preisgibt», kommentiert das Hershs Informant.
Nach dessen Angaben hätten sich außerdem israelische Beamte beschwert, dass der Signal-Chat sensible Informationen enthielt, die Israel den USA von einer menschlichen Geheimdienstquelle im Jemen zur Verfügung gestellt habe. Die von Goldberg veröffentlichten Signal-Chat-Nachrichten hätten die Wirksamkeit des Luftangriffs möglicherweise nicht beeinträchtigt, aber die menschliche Quelle der Israelis kompromittiert.
Weil Signal so eingestellt werden kann, dass alle Aufzeichnungen von Gesprächen gelöscht werden, sei es möglicherweise unmöglich, diesen oder frühere Chats ordnungsgemäß zu untersuchen. Doch es werde keine Untersuchung geben: Generalstaatsanwältin Pam Bondi habe bereits erklärt, dass der Fall abgeschlossen sei und nicht untersucht werde.
Dennoch hätten alle teilnehmenden US-Regierungsmitglieder und -mitarbeiter gegen mehrere Bundesgesetze verstoßen haben. Auch, dass der Chat nicht mehr untersucht werden könne, sei ein Verstoß gegen Gesetze, die dazu dienen, US-Regierungsunterlagen aufzubewahren.
Der Informant stellt laut Hersh fest: «Es war nicht notwendig, dass diese Beamten den Chat auf Signal durchführen.» Die bewusste, wenn auch unerklärliche Entscheidung, die sicheren Kanäle zugunsten von Signal zu umgehen, sei ein eklatanter Verstoß gegen die Sicherheitsprotokolle darstellt.
Zwei Teilnehmer hätten sich zum Zeitpunkt des Chats nicht in den USA aufgehalten: Der Sondergesandte für den Nahen Osten, Steve Witkoff, sei in Moskau und Gabbard in Thailand gewesen. Es sei nicht klar, warum es notwendig war, die beiden in den Chat einzubeziehen.
Hersh schreibt außerdem, ein «erfahrener US-Beamter» habe ihm die internationale Bedeutung der US-Angriffe auf die Huthi im Jemen erklärt:
«Sanaa? Eine Trump-Botschaft an den Iran. Die israelischen Bombenangriffe? Eine Botschaft an die Hamas. Netanyahus Besetzung des Tieflands des Berges Herman? Eine Botschaft an Syrien. Trumps Reaktion auf Putins Hinhaltetaktik? Eine Botschaft an russische Politiker.»
Er habe ihm außerdem erklärt, «was im ehrgeizigen und, wenn nötig, gewalttätigen außenpolitischen Strategiebuch von Donald Trump steht, Stand heute. Es beginnt, nach dem Jemen, mit dem Iran».
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