Die Tugend des Dialogs, die ich mein ganzes Leben lang
propagiert habe, wird lächerlich gemacht
Botschafter Jean-Daniel Ruch, Schweizer Diplomat
Liebe Leserinnen und Leser
In der Schweizer Außenpolitik gibt es zwei Fraktionen. Diejenigen, die sich an die NATO annähern möchte, ohne aber eine Vollmitgliedschaft anzustreben – denn dies ist nicht mehrheitsfähig und zum Scheitern verurteilt. Eine Neutralität light, die sich am völkerrechtlichen Minimum orientiert.
Die zweite Fraktion will eine traditionelle Neutralität erhalten. Wirtschaftlich voll in die westliche Wirtschaft integriert, aber außenpolitisch ungebunden und gegen alle Seiten offen mit dem Angebot, die traditionellen «guten Dienste» zu leisten.
Verteidigungsministerin Amherd gehört zur ersten Fraktion. Sie war federführend beim Entscheid, den US-amerikanischen F-35 Kampfjet zu beschaffen, anstatt den französischen Rafale, obwohl dieser billiger, ausgereifter und Paris bei einem Kaufabschluss noch einige andere Konzessionen geboten hätte. Und nun verzögert sich die Lieferung der Flieger wohl.
Jean-Daniel Ruch ist ein Diplomat alter Schule, außenpolitisch gehört er der zweiten Fraktion an. Am Ende seiner Karriere war er selbstbewusst und als ausgesprochener NATO-Kritiker bekannt. Sein Credo: Mit allen Seiten reden, ihre Position verstehen, ohne sich diese zu eigen zu machen – auch wenn es unpopulär ist. Er weigert sich, die Welt in gut und böse einzuteilen und der «falschen Seite» das Gespräch zu verweigern.
«Die Tugend des Dialogs, die ich mein ganzes Leben lang propagiert habe, wird lächerlich gemacht», schreibt er wie eingangs erwähnt. «Man muss parteiisch sein, sonst ist man ein Befürworter des Terrorismus oder ein Putinversteher.»
Die «guten Dienste» der Schweiz - also eine neutrale Vermittlung und Lösungsfindung – seien in den heutigen Konflikten «leider» kaum mehr gefragt, schreibt er. Das würde bedingen, dass beide Seiten die Schweiz als neutral ansehen, was heute nicht mehr der Fall sei. Europa habe bei den heutigen Konflikten zusätzlich an Bedeutung verloren und sei nur ein zahlender Zuschauer. Europa zahle, ernte die Flüchtlingsströme, während die USA profitierten.
Ruch war im letzten Herbst als Leiter des Staatssekretariats für Sicherheitspolitik vorgesehen. Dann berichteten die Medien plötzlich von angeblichen Sexeskapaden mit Prostituierten in der Botschaft von Tel Aviv zu lesen – und sogar über Bettgeschichten mit Spioninnen. Beweise gab es natürlich keine. Aber trotzdem: Amherd entließ ihren Spitzendiplomaten umgehend. Ruchs Umfeld vermutet eine gezielte Verleumdungskampagne der Freunde einer Schweizer NATO-Annäherung, um ihn als Staatssekretär zu verhindern.
Am Sonntag veröffentlichten die Tamedia-Zeitungen einen ausführlichen Artikel zu Ruchs soeben erschienenen Memoiren. Die Weltwoche doppelte diese Woche nach (wir berichteten hier darüber).
Ruch bestätigt das, was wir auf Transition News mehrfach berichtet haben. Es gab im Frühjahr 2022 Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland. Diese standen kurz vor dem Abschluss, wurden dann aber abgebrochen.
Ruch war damals Schweizer Botschafter in der Türkei. Die Verhandlungen waren schon fortgeschritten, als ihn der türkische Vizeaußenminister um Hilfe bat. Die Schweiz wurde wegen ihrer Erfahrung mit der Neutralität eingebunden und ist dann stets über den Verhandlungsfortschritt informiert worden.
Es kam kein Abkommen zustande und dafür wurden vor allem in den alternativen Medien die USA und Großbritannien verantwortlich gemacht. Um Russland zu schwächen hätten sie eine Fortführung des Krieges gewollt. Bis heute wird das als Verschwörungstheorie abgetan. Ruch, der dabei war, bestätigt nun genau das.
Verständlicherweise ist Ruch besorgt über den Zustand der Welt. Wenn Amherd aber dachte, dass ihr ehemaliger Spitzendiplomat nun schweigend seine Rente genießen würde, hat sie sich getäuscht. «Man hatte sich der Erpressung durch die deutschsprachigen Medien und diejenigen, die sie manipuliert hatten, gebeugt, ohne Beweise für irgendetwas, nur auf der Grundlage von verleumderischen Gerüchten», so Ruch. Er sei überzeugt, dass dahinter eine «professionelle Organisation» stecke. «Spezialisiert auf Spionage, nennen wir das Kind beim Namen.»
Aber die Fraktion, die zu einer traditionellen Neutralität zurückkehren möchte, lässt nicht locker. Die Neutralitätsinitiative wurde mit über 130.000 beglaubigten Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Sie muss nun Volk und Ständen zur Abstimmung vorgelegt werden. Obsiegt sie in der Abstimmung, deren Termin noch nicht feststeht, dann erlangt sie Rechtskraft – auch gegen den Willen von Parlament und Regierung. Sie verlangt eine Rückkehr zur integralen Neutralität und einer Übernahme von Sanktionen nur, wenn diese von der UNO verhängt werden.
Die Leitmedien konnten das Buch von Ruch nicht einfach mit Schweigen übergehen. Das Geleitwort zu seinem Buch schrieb nämlich die ehemalige Außenministerin, die Genfer Sozialdemokratin Micheline Calmy-Rey.
Wir bei Transition News sorgen jeden Tag dafür, dass solche Dinge nicht vergessen werden. Bleiben Sie uns gewogen!
Herzlich
Daniel Funk
Jean-Daniel Ruch: Frieden und Gerechtigkeit. Mit einem Geleitwort von Micheline Calmy-Rey. Verlag Weltwoche, 173 S. Erscheint am 12. Juni. Die französischsprachige Ausgabe ist unter dem Titel «Crimes et tremblements» (Editions Favre, CHF 25) bereits erhältlich.
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