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Die Energieversorgung Europas steht vor massiven Herausforderungen: Ein von der Ukraine durchgeführter Drohnenangriff auf die TurkStream-Pipeline konnte laut Russland erfolgreich abgewehrt werden. Diese Pipeline ist die letzte verbliebene Route, über die russisches Gas nach Europa fließt. Zeitgleich kämpft die Slowakei darum, ihren Zugang zu erschwinglicher Energie zu sichern.
Am vergangenen Wochenende berichtete das russische Verteidigungsministerium von einem Angriff auf die TurkStream-Pipeline in der russischen Region Krasnodar. Neun mit Sprengstoff beladene Drohnen zielten auf das kritische Infrastrukturprojekt ab, wurden jedoch nach russischen Angaben neutralisiert, bevor sie nennenswerte Schäden anrichten konnten. TurkStream, eine zentrale Lebensader für die Energieversorgung Südosteuropas, transportiert russisches Gas über die Türkei in Länder wie Bulgarien, Ungarn und in geringerem Maß die Slowakei.
Der Angriff steht in einer langen Reihe von Vorfällen, die die Versorgungssicherheit Europas mit russischem Gas beeinträchtigen. Nach der Sabotage der Nord Stream-Pipelines und der Blockierung des Gastransits durch die Ukraine per Jahresbeginn ist TurkStream die einzige verbleibende Pipeline, die preisgünstiges russisches Gas nach Europa liefert.
Von der Einstellung des Transits von russischem Gas durch die Ukraine sind vor allem Österreich, die Slowakei und Moldawien betroffen. Während Österreich sich mit teurem amerikanischem Flüssiggas (LNG) eindecken will, zeichnet sich für die Slowakei noch keine Lösung ab.
Beobachter vermuten, dass der Angriff auf TurkStream nicht ohne Rücksprache mit den USA erfolgt sein könnte. Der russische Außenminister Sergej Lawrow beschuldigte die Vereinigten Staaten, hinter dem Angriff zu stehen, da die USA seit Jahren versuchen, den europäischen Gasmarkt mit ihrem teureren Flüssigerdgas (LNG) zu dominieren. Die USA hatten bereits 2024 offen erklärt, die Rolle der TurkStream-Pipeline reduzieren zu wollen, um den Absatz von nicht-russischem Gas zu fördern.
Der stellvertretende US-Energieminister Jeffrey Pyatt betonte damals die Bedeutung eines alternativen «vertikalen Korridors», der Gas aus anderen Quellen nach Mitteleuropa bringen könnte. Dieses Konzept hat jedoch wirtschaftliche Schwächen: Solange TurkStream existiert, bevorzugen viele europäische Länder das günstigere russische Pipeline-Gas.
Die Slowakei, die von der Einstellung des ukrainischen Gastransits besonders betroffen ist, unternimmt nun große Anstrengungen, um ihre Energieversorgung zu sichern. Eine slowakische Delegation unter Leitung von Andrej Danko, dem stellvertretenden Parlamentssprecher, reiste zu Verhandlungen nach Moskau. Ziel ist es, russisches Gas zu einem erschwinglichen Preis zurückzugewinnen.
Die Gespräche umfassen verschiedene Lösungsansätze, darunter eine mögliche Lieferung von russischem Flüssiggas (LNG) über alternative Routen oder sogar die Wiederaufnahme des Transits durch die Ukraine. Doch Kiew zeigt sich wenig kooperationsbereit, was die Verhandlungen erheblich erschwert.
Die Slowakei erwägt dabei auch unkonventionelle Wege, um Druck auf die Ukraine auszuüben. Dazu könnte die Unterbrechung von Stromlieferungen an die Ukraine gehören, die einen erheblichen Teil des importierten Stroms aus diesem Nachbarland bezieht. Gleichzeitig kann die Slowakei ihr Vetorecht in der EU als Trumpf im Ärmel behalten. Sie könnte zum Beispiel informell damit drohen, Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine zu blockieren oder sogar Sanktionen gegen Russland zu lockern. Für beide Geschäfte ist in der EU Einstimmigkeit der Länder vonnöten.
Zeitgleich plant die slowakische Opposition ein Misstrauensvotum gegen Premierminister Robert Fico wegen seiner Nähe zu Russland und Versäumnissen in der Innenpolitik. Die Regierungskoalition hat ihre sichere Mehrheit im Parlament verloren. Gleichzeitig steht die Slowakei vor großen zusätzlichen wirtschaftlichen Problemen, darunter ein hohes Haushaltsdefizit und Herausforderungen im Gesundheitssektor.
Die Situation verdeutlicht, wie abhängig Europa je nach Land von erschwinglicher Energie geblieben ist, trotz Bemühungen, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Die EU hat zwar ihre LNG-Importe aus Russland erhöht – was eigentlich dem Sinn und Zweck der Sanktionen zuwiderläuft –, doch ein vollständiger Ersatz des Pipeline-Gases ist weder technisch noch wirtschaftlich realistisch. Die steigenden Gaspreise treiben die Produktionskosten nach oben und belasten die Wirtschaft einiger europäischer Länder schwer.
Die Verhandlungen der Slowakei mit Russland und die politischen Spannungen in der EU zeigen, wie brisant die Energiefrage bleibt. Die EU riskiert eine Destabilisierung der inneren Einheit, während externe Akteure wie die USA und Russland ihre geopolitischen Interessen verfolgen.
Ob die Slowakei erfolgreich ihren Zugang zu russischem Gas wiederherstellen kann, bleibt ungewiss. Klar ist jedoch, dass die Energieversorgung Europas weiterhin ein Spielball internationaler Machtkämpfe bleibt – mit weitreichenden wirtschaftlichen und politischen Folgen.
Kommentar Transition News
Am Ende des Ersten Weltkriegs wurden Deutschland drückende Friedensbedingungen auferlegt. Die Inflation galoppierte und das Land musste Reparationen bezahlen. Was tun? Deutschland wurde gleichzeitig wirtschaftlich niedergehalten, musste aber hohe Summen an Reparationen bezahlen. Das Land betrachtete das als Unrecht, beachtete aber nicht, dass auch die Alliierten große Schäden aufwiesen.
Im Frühling 1922 wurde deshalb die Konferenz von Genua einberufen. Sie sollte die Zahlungsfähigkeit Deutschlands prüfen.
Am 16. April 1922 ließ die deutsche Delegation eine Bombe platzen, deren Schockwellen bis über den Atlantik reichten. Der deutsche Außenminister Walter Rathenau verkündete den Delegierten, dass Deutschland und die Sowjetunion ein bilaterales Abkommen geschlossen hatten, in dem sich Russland bereiterklärte, auf seine Kriegsforderungen an Deutschland zu verzichten, wenn Deutschland im Gegenzug unter anderem industrielle Technologie an die Sowjetunion verkaufte.
Mit Russland wurde ein Abkommen geschlossen, wonach Russland Deutschland mit allen benötigten Rohstoffen beliefert und Deutschland im Gegenzug Russland mit Industriegütern und Spitzentechnologie versorgt. Beide brauchten sich gegenseitig. Es war ein «Win-win»-Geschäft. Dieses Abkommen wurde 1922 in Genua, Italien, unter dem Namen Vertrag von Rapallo formalisiert. Bis 1941 war Deutschland der wichtigste Handelspartner Russlands.
Der Vertrag löste eine sofortige Panikreaktion in London, Paris und Washington aus. Es gelang in der Folge zu verhindern, dass eine schlagkräftige Achse Berlin-Moskau gebildet wurde, die die Kreise der Westalliierten stören konnte. Nach der Währungsreform vom November 1924 wurde der Aufschwung in Deutschland ganz schwerwiegend mit geborgtem amerikanischem Geld finanziert – bis der Börsensturz von 1929 den Goldenen Zwanzigern ein abruptes Ende bereitete.
Seit Rapallo scheint es ein Axiom, zumindest in den USA und in Großbritannien zu sein, eine Achse zwischen Deutschland und Russland zu verhindern, die das Potenzial hätte, die Vormachtstellung der USA in Frage zu stellen.
Seit der jüdische Politiker Rathenau am 24. Juni 1922 auf dem Weg ins Ministerium auf der Berliner AVUS im Auto von rechtsextremen Terroristen erschossen wurde, zirkulieren Gerüchte, denen zufolge der britische Geheimdienst in Tat und Wahrheit hinter diesem Mordanschlag steckt. Allerdings konnten diese Gerüchte nie verifiziert werden.