Dies ist eine leicht redigierte Version eines Beitrags, der zuerst auf der Website der Bewegung für Neutralität (bene) veröffentlicht wurde.
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Schon seit geraumer Zeit wird vom Bundesrat – in der Schweiz die Landesregierung – mit der Neutralität «Schlitten gefahren». Bereits 1996 hat er – ohne Mandat des Volkes! – das Abkommen «Partnerschaft für den Frieden» (PfP) mit der NATO unterschrieben. Dass es sich bei der PfP in Tat und Wahrheit um eine «Partnerschaft für den Krieg» handelt, ist spätestens am 24. März 1999 mit dem völkerrechtswidrigen Kosovokrieg deutlich geworden, gefolgt von weiteren völkerrechtswidrigen Kriegen mit schrecklichen Folgen vor allem für die Zivilbevölkerungen. Spätestens 1999 hätte der Bundesrat, basierend auf der Grundlage der Neutralität, die PfP aufkündigen müssen.
Ein Nachdenken in Bundesbern mit den entsprechenden Konsequenzen ist bis heute ausgeblieben, im Gegenteil. Am 4. August 2024 titelte 20 Minuten «Amherd will Schweizer Beitritt zu militärischen EU-Projekten forcieren».
Bei diesen Projekten – auf Deutsch «ständige strukturierte Zusammenarbeit» (PESCO) – im militärischen Bereich mit der EU. Am 21. August 24 genehmigte der Bundesrat dann die Teilnahme an den PESCO-Projekten Military Mobility und Cyber Ranges Federation. Military Mobility vereinfache «die militärische Mobilität auf europäischem Territorium (…) dadurch können Gesuche für grenzüberschreitende Transporte und Verlegungen künftig binnen weniger Tage bearbeitet und genehmigt werden,» ist auf dem Portal der Schweizer Regierung zu lesen. Cyber Ranges verbessere «die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Cyberverteidigung» um mittels Computer-Simulationsumgebungen von mehreren Länder mit diesem gemeinsamen Krieg zu üben.
Die Zusammenarbeit mit PESCO, beteuert der Bundesrat, «zieht weder Verpflichtungen nach sich noch ist sie mit Automatismen verbunden. Die Schweiz prüft Gesuche auch in Zukunft von Fall zu Fall.» Die Kooperation erfolge «im Einklang mit den Neutralitätspflichten der Schweiz.» Die Schweiz werde «nicht an Übungen mit kriegsführenden Staaten teilnehmen.»
Was auf der Webseite der Schweizerischen Eidgenossenschaft so harmlos daherkommt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Schlag gegen die Schweizer Neutralität. «Grenzüberschreitende Transporte und Verlegungen» heißt im Klartext Transporte von Truppen und Militärmaterial der NATO durch die kürzesten Nord-Süd-Verbindungen (Gotthard, Lötschberg, Simplon) und riecht beim Beigeordneten Generalsekretär der NATO für politische Angelegenheiten und Sicherheitspolitik Boris Ruge nach Krieg:
«In einem Konfliktfall an der Ostflanke des Bündnisses müsste man in kurzer Zeit sehr umfangreiche Kräfte heranschaffen.»
Das bedeutet, dass die NATO bei einem Krieg mit Russland schneller Kriegsmaterial und Truppen durch die Schweiz an die Front schicken könnte. Was das für die Bevölkerung in der Schweiz heißt, ist klar: NATO-Truppen und Kriegsmaterial durch Lötschberg, Simplon und Gotthard. Damit wird die Schweiz im Kriegsfall Angriffsziel, um Truppen- und Militärmaterialverschiebungen zu verhindern.
Mit der Zustimmung zu den beiden PESCO-Projekten ist die Schweizer Regierung einen weiteren Schritt auf die NATO zugegangen und untergräbt zunehmend die Neutralität und Unabhängigkeit der Schweiz. Auch wenn PESCO als EU-Projekt daherkommt, ist es Teil einer erweiterten Zusammenarbeit mit der NATO auf militärischer Ebene.
Theoretisch ist es richtig, dass das Mitmachen bei PESCO an sich das Neutralitätsrecht nicht verletzt. Aber in der Praxis zeigt die Äußerung von Ruge, dass nicht nur logistische Transporte geplant sind, sondern auch Verschiebungen durch die Schweiz im Kriegsfall. Hätte die Schweiz dann den Mut, die Zustimmung zu solchen Transporten zu verweigern oder zum Beispiel von NATO-Luftwaffen zu verlangen, Umwege zu fliegen, wie es das Neutralitätsrecht verlangt? Gibt nicht das Mitmachen bei PESCO in diesem Zusammenhang das falsche Signal?
Ein warnendes Beispiel, wie es den «Kleinen» ergeht, die sich mit den USA militärisch eingelassen haben, konnte man diesen Winter im Norden Syriens am Beispiel der Kurden «in vivo» mitverfolgen. Sie werden, wie man in den USA zu sagen pflegt, «unter den Bus geworfen». Für die USA stimmt es. Sie sitzen auf den syrischen Ölfeldern.
Für die Beschädigung der Schweizer Neutralität und Unabhängigkeit sind alle Bundesratsparteien verantwortlich. Das Schweizer Volk will in seiner großen Mehrheit – von links bis konservativ – eine neutrale Schweiz, die mit ihren guten Diensten zu mehr Frieden in unserer kriegsversehrten Welt beitragen muss und kann. Wären unsere Parlamentarier mit einem offenen Ohr und ehrlichem Interesse mit der Bevölkerung in Stadt und Land im Gespräch, würden sie ihre Politik entsprechend ausrichten.
Zu den wichtigsten Aufgaben gewählter Volksvertreter in einer Demokratie gehört es daher, Frieden zu sichern und zu schaffen, wozu in der Schweiz die bewaffnete Neutralität dient – im Verbund mit den guten Diensten. Es ist an der Zeit, dass die Neutralität in der Bundesverfassung verankert und damit die Verpflichtung von Bundesrat und Parlament, zum Frieden beizutragen, festgeschrieben wird.