Dieser Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung von l’AntiDiplomatico übersetzt und übernommen.
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Es ist kein Geheimnis, dass sogenannte «Polizeioperationen» als Erfolge dargestellt werden, die dank «zufälliger Umstände» im letzten Moment zustande gekommen seien, in Wirklichkeit auf wesentlich längere Zeitabläufe zurückgehen und vor allem politischen Logiken folgen, die über Ablauf und Zeitpunkt entscheiden.
Nun, den Berichten zufolge – selbst jenen der Regimeblätter – wurden die Bewegungen des Ukrainers Sergej Kuznetsov, eines der sechs angeblichen Beteiligten an der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines 1 und 2, seit geraumer Zeit von den Polizeibehörden verschiedener Länder überwacht. Dass seine Verhaftung jedoch erst vor wenigen Tagen erfolgte, liegt gewiss nicht daran, dass man ihn, wie es heißt, im Pyjama entspannt an einem Strand von Rimini erwischen wollte. Der Zeitpunkt der Operation folgt vielmehr einer klaren «europäistischen» Logik, die höchstwahrscheinlich mit den Plänen zur Entmachtung (wenn auch vielleicht noch nicht physischen) des Chefs der nazistischen Putsch-Junta der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, zusammenhängt.
Nach Ansicht des Militärexperten Konstantin Sivkov könnte es sich dabei um einen «Tauschhandel» handeln, den die europäischen Kanzleien Moskau angeboten haben: die Beseitigung Selenskyjs im Gegenzug für das russische Einverständnis zu «einfachen» Bedingungen – vollständige Anerkennung der Volksrepubliken Luhansk und Donetzk durch Russland, während die Regionen Cherson und Saporoschje nur zur Hälfte an Russland fallen würden. Um jedoch die Ausschaltung Selenskyjs und seiner Clique rechtfertigen zu können, muss ein Anschein von Legalität geschaffen werden, sodass die Verhaftung Kuznetsovs den Auftakt zu einer Kampagne bilden könnte, die Selenskyj und seine Leute, insbesondere den Inlandsgeheimdienst SBU unter Kirill Budanow, ins Visier nimmt.
Die Amerikaner dürften ihn problemlos loswerden. Anders verhält es sich mit Walerij Saluschnyj, dem ehemaligen Oberbefehlshaber der Streitkräfte, der später als Botschafter in London ins Exil geschickt wurde. Er stehe den Briten zwar näher, aber «er hat sich nicht die Hände schmutzig gemacht und ist eine gemäßigtere Figur»: Die Amerikaner könnten eine solche Figur akzeptieren. In Alaska, so Sivkov, habe Moskau seine eigenen Bedingungen gestellt. Trump habe sich beeilt, «das Problem mit Europa zu lösen, und dass man sich nun für die Liquidierung Selenskyjs und seines Gefolges entscheide, sei unter anderem das Ergebnis von Trumps Zusammenarbeit mit Europa und Selenskyj». Laut The Guardian blieb übrigens das jüngste Telefonat von Vizepräsident James Vance mit Saluschnyj nicht unbemerkt.
Jewgeni Umerenkow äußerte sich in der Komsomolskaja Prawda ähnlich und erklärte, Brüssel sehe allmählich das Bedürfnis, Selenskyjs Unverschämtheit zu dämpfen. Die Verhaftung eines ehemaligen SBU-Hauptmanns und damit eines Mitglieds des Budanow-Selenskyj-Kreises würde genau dies bewirken und die Verantwortung für den Pipeline-Angriff den Putschisten in Kiew zuschieben. Mit Deutschland als wichtigstem europäischen Sponsor ist Kiew nun alles andere als daran interessiert, die «ukrainische Verbindung» zu den Sabotageakten wieder aufleben zu lassen. Doch war es die deutsche Bundesanwaltschaft selbst, die Kusnezow als einen der Koordinatoren der Operation identifizierte, wenn auch mit einer für gerichtliche Äußerungen untypischen Formulierung: «scheinbar».
Wozu also die Ukraine-Verbindung jetzt wieder aufgreifen? Die Version, dass es einer Handvoll Menschen auf einer 15-Meter-Yacht mit nur 300.000 Dollar gelungen sei, das milliardenschwere Tiefseeprojekt Nord Stream lahmzulegen, erscheint zumindest «originell». Niemand hat jemals die auf Enthüllungen von Beamten der Biden-Administration beruhende Version des US-Journalisten Seymour Hersh ernsthaft in Frage gestellt, wonach die Pipelines von den Amerikanern während Militärmanövern vermint worden seien; die Norweger hätten dann die Sprengladungen gezündet. Diese Version wird einfach mit allen Mitteln vertuscht.
Und nun sprechen wir wieder über die «mutigen ukrainischen Taucher» unter dem Kommando des ehemaligen SBU-Kapitäns, mit «eiskalten Augen, einem engen schwarzen T-Shirt, einem muskulösen Körperbau und einem frisch rasierten Kopf», wie Andreina Baccaro ihn am 23. August fast bis zum Orgasmus im Corriere della Sera beschrieb und ihn dabei porträtierte, wie er «mit einer Hand das ukrainische Dreizackzeichen, ein Symbol patriotischen Stolzes» machte: ja, Bandera-Nazi-«Stolz». Warum also kommt man jetzt plötzlich wieder auf die ukrainische Spur zurück? Schließlich gibt es kaum verlässliche Beweise; alles beruht auf «höchstwahrscheinlich» und «den Anzeichen nach».
Es ist sicherlich nicht das erste Mal, dass die wenig juristische Formel «höchstwahrscheinlich» verwendet wird, um Theorien zu untermauern und in die Öffentlichkeit zu schmuggeln. Es gehe darum, die «richtigen Leute» überzeugend zu beschuldigen und politische Schlussfolgerungen zu ziehen, bemerkt Umerenkov: Ein System von solchen «Beweisen» wird nun um die Version der angeblich von den Ukrainern gesprengten Gaspipelines herum aufgebaut, mit Details, die in den Medien verbreitet werden und deren Wahrheitsgehalt niemand überprüft. So ergibt sich etwas in der Art: «Scheinbar» steckte Selenskyj hinter dem Angriff? Und Saluschny, war er wenigstens informiert? Und wie kommt es, dass die Amerikaner sie nicht davon überzeugt hatten, es sein zu lassen? Ah, sie haben nicht auf sie gehört. Und so weiter.
Tatsächlich stellt der «juristische Durchbruch» im Fall der Gaspipeline einen schweren Schlag für Selenskyj dar, den seine «europäischen Freunde» ihm versetzt haben. Tatsächlich hat der Chef der Junta in letzter Zeit übertrieben, indem er sich als «Souverän» präsentierte, dessen Anhänger, die europäischen Staats- und Regierungschefs, lediglich sein Gefolge sind. Selenskyj steht im Zentrum, während die Macrons, Mertzes, Melonis und Starmers lediglich seine Backgroundsänger sind, denen die Aufgabe zukommt, Geld bereitzustellen, Waffen zu kaufen und Sanktionen zu verschärfen.
Natürlich, so die Komsomolskaja Prawda, unterstützen die Europäer Kiew weiterhin «unerschütterlich»; und wie könnten sie auch anders, wenn ihre einzige Aussicht darin besteht, gemeinsam zu unterliegen. Doch die Unnachgiebigkeit Selenskyjs, der alle Vorschläge, selbst die von US-Präsident Trump, abgelehnt hat, scheint für seine europäischen Unterstützer zur Belastung zu werden. In solchen Fällen gibt es einen bewährten westlichen Mechanismus: die Kehrtwende in den Beziehungen zu einem ehemaligen Partner. Daher wird Kiew nun vorgeworfen, an «Vergehen gegen europäische Wohltäter» beteiligt gewesen zu sein.
Einige Beobachtungen von Le Figaro-Lesern sind treffend: «Fassen wir es zusammen: Wir bezahlen die Ukraine dafür, die Gaspipeline zu sprengen, die uns mit Energie versorgt, und dann bezahlen wir die Amerikaner dafür, die Ukraine mit Waffen und uns mit Gas zu versorgen … Und hat niemand bedacht, dass das vielleicht doch nicht die beste Strategie ist?» Und weiter: «Langsam dämmert uns, dass die USA seit Beginn dieses ganzen Ukraine-Skandals, also seit dem von der CIA organisierten Maidan von 2014, die Ukraine benutzt haben, um Russland zu destabilisieren und Europa zu zerstören und zu unterwerfen.»
Doch dann kam er, «eiskalte Augen, frisch rasierter Kopf», für höchstens 15 bis 20 Minuten: Die Friseuse-Reporterin des Corriere scheint sich damit auszukennen. Es brauchte wirklich jemanden wie ihn für diese «heikle, gefährliche Aktion. Die richtige Sprengstoffmischung musste vorbereitet, 70 bis 80 Meter unter dem Meeresboden positioniert und dann perfekt synchronisiert werden, das Timing eingehalten und im Verborgenen operiert werden. Eine Operation für Militär oder Geheimagenten.» Zum Glück war er da, «Serhii Kuznietsov» (genau so geschrieben, ukrainischer oder ukrainisch-piemontesischer geht es nicht: Copyright La Stampa, 22. August), um «das Kommando zu koordinieren, wie es scheint».
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Fabrizio Poggi hat mit Novoe Vremja (Neue Zeiten), Radio Moskau, Il Manifesto, Avvenimenti und Liberazione zusammengearbeitet. Heute schreibt er für L’Antidiplomatico, Contropiano und die Zeitschrift Nuova Unità. Er ist Autor des Buches «Falsi storici» («Fälschungen der Geschichte»).