In seinem Webinar «Mad in America» vom 5. Oktober stellt der Psychiater David Healy eine Reihe tragischer Fälle von Menschen vor, die ein stabiles Leben führten, bis ihnen Antidepressiva verschrieben wurden, die sie aggressiv und in einigen Fällen mordlüstern werden ließen; Quelle: Youtube-Kanal von David Healy
Die These, dass Antidepressiva und insbesondere sogenannte SSRIs, also Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, als Ursache für Gewalttaten und sogar für das Begehen von Morden in Frage kommen, ist alles andere als neu. Vertreten wird sie seit langem etwa von Robert Whitaker, US-Bestsellerautor und Kritiker der medikamentenfixierten Psychiatrie, vom US-Psychiater Peter Breggin oder der Psychiatrie-Professorin Joanna Moncrieff (siehe das Transition-News-Interview mit ihr «Serotonin-Dogma zu Antidepressiva ist haltlos – ihr Schadenspotenzial aber so wie das von Drogen»).
Auch der renommierte Psychiater David Healy sagte bereits vor Jahren:
«Die FDA hat eine beträchtliche Menge an Daten über das Potenzial von Antidepressiva, gewalttätig zu machen. Auch haben etwa die kanadischen Aufsichtsbehörden genau eine solche Warnung bereits verfügt.
Ich selber habe im Jahr 2006 zusammen mit Kollegen eine Arbeit publiziert, die aufzeigt, dass es kontrollierte Studiendaten gibt, die belegen, dass bestimmte Antidepressiva – so genannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, kurz SSRIs – gewalttätig machen können. Auch habe ich 2013 in einem Beitrag auf meiner Website eine Liste mit Dutzenden Medikamenten veröffentlicht, die Selbstmorde oder Tötungsdelikte auslösen oder verursachen können.»
Tatsächlich ist es auch so, dass die Schützen nahezu aller Massenschießereien in den USA unter dem Einfluss von verschreibungspflichtigen Antidepressiva standen, die Selbstmord- und Mordgefühle verursachen und verstärken können (siehe Transition-News-Bericht hier).
Um so erstaunlicher ist es, dass das Thema im mainstreammedialen Kontext nach wie vor regelrecht totgeschwiegen wird. So auch geschehen erst kürzlich, und zwar am 4. September, in Bezug auf einen Amoklauf an einer Schule im US-Bundesstaat Georgia. «Zwei Schüler und zwei Lehrer wurden bei dem Blutbad getötet, als ein 14-jähriger Schütze [namens Colt Gray] an der Apalachee High School in Georgia das Feuer eröffnete», wie es die Bild formulierte.
Was die mögliche Ursache für die Wahnsinnstat angeht, so schrieb das Boulevardblatt lediglich: «In den USA gehören Amokläufe und tödliche Schießereien zum Alltag. Schusswaffen sind leicht erhältlich und im großen Stil im Umlauf.» Das Thema Medikamente hingegen wird mit keinem Wort erwähnt. Und auch in den «Frequently Asked Questions» zum «Apalachee High School Shooting», veröffentlicht auf der Website des Georgia Bureau of Investigation, wird das Thema Antidepressiva oder generall das Thema Medikamente nicht tangiert, das Thema Waffen hingegen umfassend.
Dabei machte etwa die Hindustan Times am 6. September darauf aufmerksam, dass «die Tante des mutmaßlichen School Shooter Colt Gray aus Georgia behauptete, dass ihr jugendlicher Neffe mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte». Und da liegt zumindest der Verdacht nahe, dass Colt Gray auch Antidepressiva genommen haben könnte. Immerhin nahmen 2017 schon rund 13 Prozent der US-Bevölkerung über 12 Jahren Antidepressiva ein.
Auch verweilt die Rate an School Shootings in den USA auf hohem Niveau. So sind in der auf Wikipedia veröffentlichten «List of school shootings in the United States (2000-present)» für dieses Jahr bereits 43 School Shootings aufgeführt – und 47 für den Zeitraum von Anfang Januar bis Anfang Oktober 2023.
Der erwähnte Psychiater Healy hat vor diesem Hintergrund das Thema vor wenigen Tagen in seinem Webinar «Mad in America» aufgegriffen und eine Reihe tragischer Fälle beschrieben. Menschen hatten ein stabiles Leben geführt, bis ihnen Antidepressiva verschrieben wurden, die sie aggressiv werden ließen und die in einigen Fällen sogar mordlüstern machten.
Das Problem der durch Antidepressiva verursachten Tötungsdelikte, so Healy, werfe ein Schlaglicht auf die umfassenderen Probleme mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Und zu diesen Problemen gehörten das Versagen der Mediziner, ernsthafte Nebenwirkungen von Medikamenten zu erkennen, und die Tendenz des Justizsystems, Pharmaunternehmen zu schützen – und nicht die Menschen.
«Healy, einer der führenden britischen Experten für Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), hat sich 40 Jahre lang als Forscher, Kliniker und Berater für Big Pharma mit Antidepressiva beschäftigt», schreibt The Defender zu Healys Webinar.
Diese stark aggressiven oder gar mit Mordgedanken angefüllten Impulse könnten verschwinden, sobald die Menschen die Medikamente absetzten. Doch viele von denjenigen, deren Fälle Healy beschreibt, hätten zu dem Zeitpunkt, als sie die Medikamente absetzten, bereits einen Mord begangen.
Ein gut dokumentierter Fall ist laut Healy der des 12-jährigen Christopher Pittman. Pittman habe fast unmittelbar nach der Einnahme des SSRI Zoloft begonnen, ein aggressives Verhalten an den Tag zu legen. So habe er sich mit anderen Kindern geprügelt und sei in der Kirche extrem aufgewühlt gewesen.
Weniger als einen Monat, nachdem er mit der Medikamenteneinnahme begonnen hätte, habe er eine Stimme gehört, die ihm gesagt habe, er solle seine Großeltern töten, bei denen er lebte. The Defender:
«In dieser Nacht erschoss er sie und brannte ihr Haus nieder. Im Jahr 2005 wurde Pittman zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem eine Jury es abgelehnt hatte, Zoloft als Ursache für sein mörderisches Verhalten anzuerkennen. Der US-Bezirksrichter Daniel Pieper verhängte jedoch die mildestmögliche Strafe gegen ihn.»
Healy zitiert Piepers mit folgender Aussage aus der Urteilsverkündung:
«Es scheint das gesamte medizinische System auf den Kopf zu stellen, wenn man sich nicht auf die Medikamente verlassen kann, die der Arzt verschreibt. Es zwingt einen möglicherweise in eine Situation, in der man sich lebenslang bindet, wenn das Medikament eine Wirkung hat, deren man sich nicht bewusst ist, wenn man es nimmt. Das hat etwas Beunruhigendes an sich (...) [und es ist] wahrscheinlich rechtlicher Natur, was mich beunruhigt.»
Im selben Jahr, und zwar kurz vor dem Urteilsspruch, so The Defender, habe die US-Arzneimittelbehörde (FDA) damit begonnen, SSRIs wie Zoloft mit einem Warnhinweis auf Selbstmord zu versehen, wie etwa die New York Times berichtete.
Der Hersteller von Zoloft, Pfizer, habe zwar behauptet, das Medikament sei sicher. Der Times zufolge habe Pfizer jedoch unmittelbar nach dem Urteilsspruch mitgeteilt, dass in 14 anderen Strafverfahren Zoloft für die Handlungen von Menschen verantwortlich gemacht worden sei.
Eli Lilly wiederum, der Hersteller von Prozac, habe bestätigt, dass das Medikament in mehr als 75 Strafverfahren im Fokus der Anklage gestanden hätte.
Der Arzneimittelhersteller habe allerdings vorgetragen, ihm sei kein Fall bekannt, in dem die Verteidigung erfolgreich gewesen sei. Und genau das sei das Problem, so Healy. Heute, fast 20 Jahre nach Pittmans Fall, habe kein Geschworenengericht eine Person freigesprochen, die behauptet habe, Antidepressiva hätten sie zu einem Mord verleitet. «Es gab jedoch einige wenige Fälle, in denen Gerichte den Zusammenhang zwischen Antidepressiva und Mord anerkannten», so Healy.
In einem Fall habe ein Mann seine Frau, seine Kinder und sich selbst 48 Stunden, nachdem er das SSRI Paxil von GSK eingenommen hatte, getötet. Der Ehemann einer der Töchter habe daraufhin GSK in Wyoming verklagt und finanziellen Schadenersatz erhalten. In Australien wiederum sei der Fall eines Mannes, der seine Frau tötete, nachdem ihm Zoloft verschrieben worden war, von einem Richter und nicht von einer Jury verhandelt worden. Der Richter habe dann entschieden, dass Zoloft das Verhalten des Mannes verursacht habe.
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