Von Timofej Bordatschow (Aus dem Russischen übersetzt von Éva Péli)
Das wichtigste praktische Ergebnis dieses Gipfels war, dass die führende westliche Macht ihre Doktrin der «Isolation und strategischen Niederlage» Russlands aufgab. Dies stellt einen Bruch mit dem bisherigen Paradigma dar, in dem jede abweichende Nation zu einem Paria (Ausgestoßener) der internationalen Gemeinschaft degradiert wurde.
Dieser Wandel vollzog sich nicht dank des guten Willens der USA (in internationalen Beziehungen sind Manifestationen des guten Willens eine destabilisierende Regelwidrigkeit), sondern unter dem Druck Russlands, der globalen Mehrheit und der inneren Konflikte in den USA. Die neue Herangehensweise der US-Regierung an außenpolitische Herausforderungen hat diesen entscheidenden Wandel in den Beziehungen zwischen Moskau und Washington ermöglicht.
Da in Anchorage die Optionen der USA abnahmen und die von Russland zunahmen, können wir mit gutem Recht von einem Sieg Moskaus sprechen. Dieser Erfolg wird unweigerlich die Unabhängigkeit anderer Nationen weltweit stärken, auch wenn wir dafür wohl kaum Dankbarkeit erwarten dürfen.
Eine Wiederbelebung der Beziehungen zwischen Russland und den USA halte ich für ausgeschlossen. Es gibt nichts wiederherzustellen, da das, was sie vor 2022 waren, das Ergebnis der Niederlage der Sowjetunion im Kalten Krieg war. Aber wir können mit einer gewissen Zuversicht auf einen Dialog auf einer neuen Grundlage hoffen.
Dieser Dialog wird auf der Erkenntnis beruhen, dass Russland nicht aus der internationalen Ordnung ausgeschlossen werden kann. Dadurch werden Probleme, die aus den unterschiedlichen Interessen Russlands und des Westens resultieren, grundsätzlich lösbar. Der Wettbewerb zwischen beiden Mächten wird fortbestehen und könnte scharfe Formen annehmen.
Noch ist unklar, wie sich die Krise in der Ukraine entwickeln wird. Doch das diplomatische Geschick Putins hat ein wesentliches Hindernis für die Beilegung strittiger Fragen beseitigt: die bisherige Weigerung des Westens, die Interessen seiner Kontrahenten anzuerkennen und ihnen Geltung zu verschaffen.
Für Donald Trump bedeutet das Geschehene einen wichtigen innenpolitischen Sieg. Da Russland das einzige Land der Welt ist, welches die Existenz der USA bedrohen kann, sind die Beziehungen zu Moskau in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema der nationalen Debatte geworden. Die Gegenspieler sind wohlbekannt: Die Kräfte der Vergangenheit, die auf einem ideologisierten Monopol beharren, und jene, die eine flexiblere Herangehensweise fordern.
Trumps Team gehört zur letzteren Gruppe, und für ihn war das persönliche, feierliche Treffen mit Putin ein entscheidender Schritt im Kampf gegen seine Gegner. Er hat dieses Ziel erreicht und seine Position im US-amerikanischen politischen System erheblich gefestigt. Da die Außenpolitik traditionell für Russland und die Innenpolitik für die USA von größerer Bedeutung ist, gingen beide Staatsmänner aus Anchorage gestärkt hervor.
Man sollte Trump nicht mit dem ersten und letzten Präsidenten der UdSSR vergleichen. Michail Gorbatschow erzielte durch außenpolitische Kompromisse zunächst Erfolge genau dort, wo er sie, wie jeder russische Führer, aufgrund des Primats der Außenpolitik gar nicht so dringend benötigte. Trump hingegen brauchte Siege über seine innenpolitischen Gegner.
Seine Überzeugung ist, dass eine starke wirtschaftliche Basis der USA die Voraussetzung dafür ist, um in der Zukunft die verlorenen internationalen Positionen wiederzugewinnen. Da die russische Wirtschaft noch nicht so flexibel und anpassungsfähig ist, haben außenpolitische Erfolge oder Misserfolge hier ein weitaus höheres Gewicht.
Nachdem Putin und Trump die Beziehungen zwischen Russland und den USA stabilisiert haben, wird der Wettbewerb der beiden Großmächte zu einem Langzeitspiel. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Spiel kein Finale haben wird. Denn ein Ende in der internationalen Politik bedeutet immer eine vollständige Niederlage oder einen Sieg eines Teilnehmers. Die Welt hat gleichermaßen kein Interesse an einem vollständigen Zusammenbruch der USA oder Russlands.
Timofej Bordatschow ist ein russischer Politologe und Experte für internationale Beziehungen. Er ist Programmdirektor des Waldai-Klubs und wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für umfassende europäische und internationale Studien an der Nationalen Forschungsuniversität Higher School of Economics (HSE).
Der Beitrag ist auf Russisch auf der Webseite des Magazins «Profil» erschienen