«Israel hat beschlossen, das Westjordanland in einen zweiten Gazastreifen zu verwandeln», schreibt Haaretz in einem Leitartikel. Die eingesetzten Methoden und Waffen seien dieselben, ebenso wie die Ziele. Die Folgen würden bald sichtbar: Israel werde sich mit einem neuen Gaza an seiner Ostgrenze konfrontiert sehen.
Seit Ausbruch des Krieges hat Israel laut der israelischen Zeitung seine Politik im Westjordanland geändert. Die Palästinenser dort seien dadurch mit einer noch härteren Realität konfrontiert. Zunächst seien alle Arbeitserlaubnisse in Israel gestrichen und die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt worden, was die wirtschaftliche Lage weiter verschärft habe.
Die Armee habe dann begonnen, neue Kampftaktiken einzusetzen, die bisher nur in Gaza und im Libanon verwendet worden seien, wie den Einsatz von Drohnen und Luftwaffenangriffe. Diese Angriffe hätten sowohl gesuchte Verdächtige als auch unschuldige Menschen in einem Ausmaß getroffen, das man seit der zweiten Intifada nicht mehr gesehen habe.
Israel ignoriert Haaretz zufolge die Bemühungen des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas, der durch einen Besuch in Gaza eine Lösung für die Verwaltung des Rafah-Grenzübergangs finden wolle. Israel schädige auch weiterhin das Budget der Palästinensischen Autonomiebehörde. Die Zeitung erläutert:
«Im Wesentlichen geht es bei der neuen Politik darum, die Annexion des Westjordanlandes voranzutreiben, während gleichzeitig die Besatzung in internationalen Foren beurteilt wird. Unter dem schwammigen Vorwand des ‹Kriegs gegen den Terror› hat die Armee nach Angaben von B’Tselem seit dem 7. Oktober mindestens 621 Palästinenser im Westjordanland getötet. Die von der UNO zusammengestellten Zahlen zeigen, dass mindestens 140 von ihnen bei 50 Luftangriffen getötet wurden. Gleichzeitig ist die Gewalt der Siedler erheblich eskaliert und hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht. Pogrome und Ausschreitungen in palästinensischen Dörfern sind zur Routine geworden, meist unter dem Schutz der Armee und ohne dass diese wirklich eingreifen würde.»
Vor zehn Tagen habe die Armee die Operation Summer Camps (Operation Sommerlager) gestartet und operiere nun wie im Gazastreifen. Mindestens 38 Palästinenser, darunter neun Minderjährige, seien seitdem getötet worden. Die Zerstörungen würden denen im Gazastreifen ähneln und die Bewohner des Westjordanlands weiter in Verzweiflung und bewaffneten Widerstand treiben. Haaretz schließt:
«Der Minister für das Westjordanland, Bezalel Smotrich, und der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, setzen unter der Führung Netanjahus und mit Beteiligung der Armee alles daran, neben den bereits brennenden Fronten eine weitere zu eröffnen. Ihr Wunsch wird bald in Erfüllung gehen.»