Seit der Corona-Politik vertiefen sich die gesellschaftlichen Gräben. Die Spaltung geht durch Freundschaften und Familien. Das soziale Gefüge klafft mit jeder neuen Krise auseinander. Die Menschen können nicht mehr miteinander diskutieren, weil sie andere Ansichten haben – und diese stets in den Vordergrund stellen.
Eine aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle Hilsbach regt dazu an, sich auf die Gemeinsamkeiten zu besinnen. «Wunden» heißt sie und präsentiert Arbeiten aus verschiedenen Sparten der Bildenden Kunst – Gemälde, Skulpturen, Fotografien und Videoinstallationen.
Die Idee dazu hatten Jana Schröder und Matthias Fitz, zwei Künstler aus Berlin, die das verbindende Element während der Krisenzeit in der Angst sehen. Das sei allen gemeinsam, erklärt Schröder, nur dass sich das Objekt unterscheide. Die einen hätten Angst vor dem Virus, die anderen vor der Impfung; die einen vor einem Angriff Russlands auf Europa, die anderen vor einer grassierenden Staatsüberwachung.
Angst ist ein Instrument der gesellschaftlichen Steuerung, so sieht es auch ihr Kollege Fitz. Er wundert sich, dass es in der Geschichte immer wieder gelang, Menschen zu verführen, sie zu Handlungen und Gefühlen zu verleiten, die ihnen eigentlich schaden.
Richtige Fragen stellen
Unter diesem Eindruck entschieden sich beide Künstler, eine Ausstellung zu organisieren, die keine Antworten liefert, sondern Fragen aufwirft: Wie kann es sein, dass man sich für Interessen instrumentalisieren lässt, die nicht die eigenen sind? Wie sehen die eigenen Ängste aus? Was verbindet die Menschen? Wie funktioniert ein friedliches Miteinander?
Wer die gesellschaftliche Spaltung überwinden will, braucht ein anderes Bewusstsein. Diese und andere Fragen sollen den Weg dazu ebnen. Die ausgestellten Arbeiten regen dazu an, sich mit diesem Themenkomplex auseinanderzusetzen. Neben Schröder und Fitz sind drei weitere Künstler vertreten – Thomas Weidner, Berthold Bock und Kuno Matthias Ebert. Letzterer hat die Kunsthalle in Hilsbach gegründet. Alle fünf gehen jeweils anders an das Thema heran, in einer Kunstsprache, die mal auf Gefühlsvermittlung setzt, mal Allegorien bemüht oder auf den Effekt der Überraschung abzielt.
Psychologische Prozesse in metaphorischer Bildersprache
Mitinitiatorin Schröder etwa schöpft aus ihrer Arbeit als Psychotherapeutin. Sie dringt in die menschliche Seele ein und macht metaphorisch auf die Brüche und Widersprüche aufmerksam, allerdings immer mit einem Fingerzeig auf die Tür, hinter der sich der Weg zur Heilung befindet. In dem Werk «Gefangen» spielt sie auch mit Farbsymbolik.
Zu sehen ist eine Frau in Rot. Mit verbundenen Händen hinter dem Rücken ist sie als die Gefangene erkennbar. Ihr nähert sich ein surreales Wesen in Grün, das die Hoffnung symbolisiert und diese genauso zur Rettung anbietet wie Liebe. Doch die Frau kann sie nicht empfangen. «Wir alle sind irgendwie gefangen», erklärt Schröder mit Bezug auf die seelischen Zwänge.
«Gefangen», Jana Schröder
Als psychologisch grundiert erweist sich ein weiteres Werk. «Das Dunkle in uns», lautet der Titel. Dargestellt ist der Kopf einer Person und daneben ihr Schatten, der bedrohlich wirkt. Er symbolisiert den anderen Pol, den dunklen und unangenehmen. Diesen Teil in uns müsse man erkennen, verstehen und in die eigene Persönlichkeit integrieren, erklärt die Künstlerin. «Erst wenn diese Leistung vollbracht ist, kann man sich selbst und andere akzeptieren», so Schröder. Frieden in der äußeren Welt setzt Frieden im Inneren voraus, lautet die Aussage.
«Das Dunkle in uns», Jana Schröder
Entsetzen über die Corona-Politik
Fitz hingegen bemüht sich in seinen Arbeiten, Gefühle zu vermitteln, die er während der Corona-Krise empfand. Er sei entsetzt gewesen, sagt der Künstler, entsetzt darüber, «zu welch autoritären Mitteln die Politik griff, um Andersdenkende zu unterdrücken». Fitz sah darin eine subtile Form der Gewalt, die – ganz im Sinne des Ausstellungstitels – Wunden hinterlassen hat. Dieses bedrängende Gefühl drückt sich in seiner Videoinstallation «mute» aus.
Auf mehreren Bildschirmen sind die Protagonisten der Corona-Zeit zu sehen – Christian Drosten, Karl Lauterbach, Lothar Wieler, Frank Ulrich Montgomery. Fitz hat jeweils eines ihrer Interviews herausgegriffen, es in kleine Teile geschnitten, wieder übereinandergelegt und in Zeitlupe im Loop abspielen lassen. Während die Porträts sprechen, läuft ein Gesichtsscanner hoch und runter.
Auf die Betrachter wirkt diese Videoinstallation bedrückend. «So habe ich mich damals gefühlt», erklärt Fitz. Das müsse man verstehen, um zu begreifen, warum Menschen wie er sich damals gegen die Corona-Politik aussprachen. «Das ist die Grundvoraussetzung für die Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung», so der Künstler.
Ein anderes Werk hat er mit dem Kollegen Kuno Matthias Ebert erstellt. Zu sehen ist ein Gehirn als Porzellanskulptur, auf die Fitz’ Videofilm «Mit offenen Augen» projiziert wird. «Die graue Masse» heißt diese Arbeit, ein Wortspiel, das auf zweierlei Weise zu verstehen ist. Zum einen handelt es sich um das Gehirn, auf das die Propaganda von Politik und Medien einwirkt. Zum anderen ist darunter die Masse derjenigen zu verstehen, die konform waren und die drakonischen Maßnahmen mittrugen.
Werkschau als Wanderausstellung mit Rahmenprogramm
Ebert selbst erzählt in seinen bunten Bildern kurze Geschichten und spielt dabei mit surrealistischen Elementen. Berthold Bock hingegen malt im Stil der Romantik, indem er Konturen und Grenzen auflöst. In der Bilder-Serie «post fading», entstanden während der Corona-Krise, verflüchtigen sich noch schwach erkennbare Gesichter und gehen irgendwann in Schwarz über. Darin drückt sich das «Verschwinden des Humanismus» aus, aber auch die menschlichen Einzelschicksale, über die die Corona-Maßnahmen hinwegrollten.
Der Fünfte im Bunde, Thomas Weidner, stellt in seinen figurativen wie abstrakten Arbeiten die Frage, ob die Bildende Kunst zu den jüngsten «menschheitsbedrohenden Ereignissen» adäquat Stellung nehmen kann oder ob es in der Kunst neuer Formen bedarf.
Die Werkschau mit den Arbeiten dieser Künstler hat am 6. April begonnen und soll knapp vier Wochen später enden. Die Initiatoren verstehen sie jedoch als Wanderausstellung, die nach und nach in andere Städte kommen soll, jeweils mit einem Rahmenprogramm zur Vernissage. Bei der am 6. April trug Schröder eine Erzählung vor, in der es um die gesellschaftliche Entfremdung geht. Es sind aber auch musikalische Darbietungen geplant. Generell wird die Wanderausstellung als offenes Projekt verstanden. Alle Künstler sind eingeladen, daran teilzunehmen.
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