Braucht es eine «Europäische Seidenstrasse»? Das untersuchte das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) und stellte dazu bereits 2018 eine Studie vor. Herzstück des Vorschlags stellt ein Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnnetz dar, das die Industriezentren Westeuropas mit dem Osten des Kontinents verbinden soll.
Ergänzend zur damaligen Machbarkeitsstudie legte das WIIW Anfang 2022 auch eine Analyse zum CO2-Einsparungspotenzial beim Personenverkehr für die damals noch erwogene Hauptroute vom französischen Lyon nach Moskau vor.
Anscheinend soll das Projekt der Europäischen Seidenstrasse unter dem Schlagwort «CO2-Einsparung» weiter vorangetrieben werden, allerdings reicht die Berechnung derzeit nur mehr bis Polen. Das WIIW sah sich in seiner jüngsten Studie das CO2-Einsparungspotenzial für den Güterverkehr an – wenn auch nur für die Teilstrecke von Lyon bis Warschau.
Jedenfalls könnte eine Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung von Lyon bis zur polnischen Hauptstadt beim Güterverkehr bei voller Auslastung der Züge die Netto-CO2-Emissionen um rund 176 Millionen Tonnen senken, so das Wiener Institut. Das sei etwa so viel wie der CO2-Ausstoss der Niederlande im Jahr 2021.
Laut WIIW entsprechen 176 Millionen Tonnen einer Einsparung von etwa 24 Prozent der Gesamtemissionen des EU-Transportsektors in einem Jahr (ohne Luftverkehr). Mit eingerechnet sind hier bereits die Emissionen, die bei Bau, Betrieb und Wartung anfallen würden. Nach 13 Jahren Betrieb wären demnach die bei der Errichtung entstehenden Emissionen kompensiert.
Mario Holzner, Co-Autor der Studie und Direktor des WIIW, wird in der jüngsten Mitteilung zur Studie folgendermassen zitiert:
«Wenn man bedenkt, dass wir hier nur von einer einzigen Strecke mit begrenzter Kapazität sprechen, wäre das CO2-Einsparungspotenzial doch beträchtlich. Berücksichtigt man noch den Personenverkehr auf dieser Strecke, dürfte sich die Menge etwa verdoppeln.»
Die Baukosten einer Schnellzugverbindung über den Kontinent bis nach Moskau bezifferte das Institut im Jahr 2022 noch mit 200 Milliarden Euro, also etwa 1,5 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung.
Zudem könnte das Projekt nach Ansicht der Studienautoren auch als Erweiterung geplanter oder bereits in Umsetzung befindlicher Bahnstrecken in Europa fungieren. Dazu zählten jene im Rahmen der Drei-Meeres-Initiative von 13 mittel- und ostmitteleuropäischen EU-Mitgliedern angedachten Projekte, die im Bau befindliche Rail-Baltica-Strecke sowie die kürzlich beim G20-Gipfel in Indien von den USA und der EU vorgestellte neue Seidenstrasse zur Anbindung Indiens und des Nahen Ostens an Europa.
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