«Bei Trumps Zöllen geht es um Macht, nicht um Wohlstand.» Diese Headline verpasst Grace Blakeley, britische Ökonomin, Autorin und politische Kommentatorin, ihrem gestrigen Substack-Beitrag, in dessen Vorspann es heißt: «Die herrschende Klasse interessiert sich nicht für freie Märkte oder freien Handel – alles, was sie je wollte, ist Kontrolle.» Und weiter:
«Donald Trump hat einen Plan, Amerika wieder groß zu machen: einen Wirtschaftskrieg führen und hoffen, dass der Rest der Welt stärker darunter leidet als die USA.»
So habe Trump Zölle verhängt – oder drohe, sie zu verhängen –, die Handels- und Investitionsströme im Wert von Billionen Dollar betreffen. Dazu gehörten 25 Prozent auf ausländische Autos, 25 Prozent auf Produkte aus Kanada und Mexiko und nun auch 10 Prozent Grundzoll auf alle Importe in die USA – auch von Verbündeten.
Er hat zudem 60 Länder als die «schlimmsten Übeltäter» benannt, wenn es um tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse gegenüber den USA gehe. Die EU wird mit 20 Prozent Zoll belegt, China mit 54 Prozent, Japan mit 24 Prozent, und Länder von Südafrika über Kambodscha bis Vietnam werden ähnlichen Barrieren gegenüberstehen. Viele dieser Staaten würden sich natürlich revanchieren – was die Weltwirtschaft möglicherweise in einen Handelskrieg stürze, wie ihn die Welt seit den 1930er Jahren nicht mehr gesehen habe. Blakeley:
«Ein solcher Handelskrieg wird die Preise überall in die Höhe treiben, globale Lieferketten stören und Investitionen in Unternehmen verringern. All das zusammen bedeutet: deutlich geringeres globales Wirtschaftswachstum und möglicherweise mehrere gleichzeitige Rezessionen in großen Volkswirtschaften.
An der Wall Street hasst man Rezessionsgerede, denn es drückt die Unternehmensgewinne – ein Grund dafür, dass die Aktienkurse in den letzten Wochen so stark eingebrochen sind. Der andere war, wie ich in diesem Artikel argumentierte, die erstaunliche Überbewertung der «glorreichen 7» Tech-Aktien.)»
Wenn man nun bedenke, dass Trump in seiner letzten Amtszeit verzweifelt versucht habe, die Aktienkurse durch Unternehmenssteuersenkungen aufzublähen, was er tatsächlich sehr effektiv hinbekommen habe, dann könnte man meinen, er habe den Verstand verloren. «Warum also sollte Trump eine Handelspolitik verfolgen, die den Interessen des US-Kapitals schadet?», fragt Blakeley und liefert gleich ihre Antwort mit:
«Die Antwort liegt nicht im Bereich der Wirtschaft, sondern in der Politik. Trumps politische Agenda zielt nicht auf das Wachstum der US-Wirtschaft ab. Es geht ihm darum, die schwindende Position der USA im globalen System zu verteidigen. Mit anderen Worten: Trumps Zölle dienen dem Erhalt der Hegemonie – auch wenn das Wohlstandseinbußen im Inland bedeutet.»
Trump rechtfertige seinen Handelskrieg mit dem Argument, dass das derzeitige globale Handelssystem den US-Arbeitern schade. Er verweise auf die Verwüstung industrieller Gemeinden im Mittleren Westen, die durch jahrzehntelange Auslagerung ihrer Industrie entkernt wurden. Zölle, so behauptet er, würden Unternehmen dazu zwingen, wieder in den USA zu produzieren und gute Jobs für amerikanische Arbeiter zu schaffen. Blakeley:
«Das ist eine einleuchtende Erzählung, die einen wahren Kern enthält. Die neoliberale Globalisierung war für große Teile der US-Arbeiterklasse eine Katastrophe – sie hat zur Deindustrialisierung und zum Niedergang vieler Gemeinden geführt. Beide großen Parteien ignorierten völlig die ungleich verteilten Auswirkungen der Globalisierung und behaupteten, dass die gesamtwirtschaftlichen Vorteile größerer globaler Integration die Kosten überwiegen würden.
Eine steigende Flut, so hieß es, hebe alle Boote. Sie hätten nicht falscher liegen können. Und diejenigen, die durch die Globalisierung auf der Strecke blieben, rächten sich an den etablierten Republikanern und Demokraten – indem sie Donald Trump wählten.»
Aber Zölle allein würden die durch die Globalisierung in den letzten vierzig Jahren verlorenen Jobs nicht zurückbringen – diese seien getrieben gewesen vom verzweifelten Streben des Kapitals nach billiger Arbeitskraft. Konzerne, die von organisierten Arbeitern in den reichen Ländern unter Druck gesetzt worden seien, hätten sich desorganisierte Arbeitskräfte in armen Staaten mit kapitalfreundlichen Regierungen gesucht. Ziel sei es gewesen, nicht nur von niedrigeren Löhnen zu profitieren, sondern auch die Arbeiter im globalen Norden zu disziplinieren. Das habe funktioniert.
Doch Trumps Zölle würden keine Rückverlagerungswelle auslösen. Bestehende Produktions- und Handelsmuster seien zu fest verankert, um über Nacht zu verschwinden. Langfristig werde der Rest der Welt eher nach Wegen suchen, die feindselige US-Wirtschaft zu umgehen, anstatt Trumps Forderungen nachzugeben. Selbst wenn etwas Produktion zurückkomme, werde sie weder gewerkschaftlich organisiert, noch gut bezahlt oder sicher sein. Sie werde automatisiert, prekär und gewerkschaftsfrei sein.
Blakeley ist überzeugt, dass «sich Trump nie wirklich für die Interessen amerikanischer Arbeiter interessiert hat. Seine Regierung hat vier Jahre lang Gewerkschaften zerschlagen, Steuern für Reiche gesenkt und Arbeitsschutzgesetze zurückgefahren. Sein rhetorisches Eintreten für die arbeitende Bevölkerung ist bloße Tarnung». In Wahrheit gehe es ihm darum, die US-Wirtschaft als Waffe einzusetzen, um den imperialen Niedergang aufzuhalten. Trumps Zölle seien «eine Reaktion auf den offensichtlichen Abstieg der USA».
In gewisser Weise, so Blakeley, spreche Trump endlich das aus, was bisher nur gedacht wurde. Jahrzehntelang hätten US-Führer behauptet, sie stünden für «freie Märkte» und «Freihandel». In Wirklichkeit nutzten sie aber diese Begriffe, um ein System imperialer Dominanz zu verschleiern. Institutionen wie der IWF und die Weltbank hätten dem Globalen Süden die Öffnung ihrer Märkte aufgezwungen. Handelsabkommen wie NAFTA schützten US-Konzerne und zerschlugen Arbeiterrechte. Und im dollarbasierten Finanzsystem seien globale Krisen mit Rettungspaketen für die Wall Street beantwortet worden – und mit Austerität für alle anderen.
Der 47. Präsident verzichte auf diese wohlklingende Rhetorik. Trump sage offen, dass ihn Freihandel nicht interessier und ihm die Auswirkungen seiner Zölle auf die Märkte egal seien. «Was er will, ist Kontrolle», so Blakeley. «Kontrolle über Lieferketten, Kontrolle über Kapitalflüsse, Kontrolle über das Verhalten von Rivalen. Und er ist bereit, die Wirtschaft zu crashen, um die US-Vorherrschaft zu erhalten.»
Daraus ergebe sich eine grundsätzliche Lehre darüber, wie Kapitalismus funktioniere. Ziel des kapitalistischen Staates sei nicht Wohlstand für alle. Es gehe um Ordnung, den Schutz von Eigentum und die Bewahrung der Dominanz des Kapitals – im Inland wie im Ausland. «Die Macht des Kapitals hält das System am Laufen», meint Blakeley. «Kein Unternehmen kann Gewinne machen, wenn sich die Arbeiter nicht ihrer eigenen Ausbeutung beugen, und keine Regierung kann herrschen, wenn die Bürger nicht gehorchen.» Blakeley:
«Deshalb treffen Regierungen oft Entscheidungen, die aus Sicht akademischer Ökonomen irrational erscheinen. Sie dienen nicht «der Wirtschaft». Sie dienen der Machtsicherung.»
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