In den letzten Monaten hat sich in Bern eine hitzige Debatte um den Israel-Palästina-Konflikt entfaltet, die nicht nur die politische Landschaft, sondern auch die lokale Kulturszene erschüttert. Der Vorfall rund um das Kulturschaffen und die Kulturpolitik der Stadt hat zuletzt eine neue Dimension erreicht.
Kulturkommissionsmitglied und Palästinaaktivist Dino Dragić-Dubois stand wegen Hetze in den sozialen Medien in der Kritik. Dies führte nach langem Zögern der Verantwortlichen und auf öffentlichen Druck hin zur Nichtwiederwahl durch den Gemeinderat. Was zunächst wie eine bürokratische Entscheidung erschien, wurde zu einem Skandal, der die Kulturberichterstattung und die öffentliche Wahrnehmung Berner Kulturschaffender weit über die Stadtgrenzen hinaus prägte.
Der Konflikt hat sich jedoch nicht nur auf die Kulturkommission beschränkt. Vielmehr hat er eine breitere Diskussion ausgelöst, die die Rolle von Kunst und Kultur als Plattform für politische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen in Frage stellt. Ein offener Brief von Künstlern und Aktivisten fordert die konsequente Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus in der Kulturpolitik und im öffentlichen Raum.
Besonders brisant: Der aufgebrachte Streit betrifft auch prominente Künstlerinnen wie die Musikerin Sophie Hunger, deren Auftritte in der Berner Dampfzentrale zunehmend Ziel von Boykottaufrufen werden. Die Tochter von Altbotschafter Philippe Welti und der ehemaligen SVP-Generalsekretärin Myrta Welti-Hunger gilt in extremistischen Kreisen als zu «israel-nah» - und wohl auch unausgesprochen als zu wenig links.
Das Zentrum des Streits bildet nicht nur Dragić-Dubois’ umstrittene Haltung zum Nahostkonflikt, sondern auch die Frage, wie mit diskriminierenden Äußerungen von Kulturschaffenden umgegangen werden soll. Kulturpolitiker wie Marieke Kruit, die als Stadtpräsidentin die Berner Kulturkommission leitet, versuchen, einen klaren Kurs zu halten. Sie betonte, dass Rassismus und Hassrede inakzeptabel sind, gleichzeitig jedoch auch die Meinungsfreiheit und der offene Dialog in einer Demokratie gewahrt bleiben müssen.
Ein weiteres erschütterndes Symbol des Konflikts war die Zerstörung des Wandbildes «Welcome Sophie», das neben dem berühmt-berüchtigten alternativen Kulturzentrum Reitschule stand. Nur einen Tag nach seiner Enthüllung wurde das Kunstwerk von Unbekannten zerstört, die stattdessen ein Hamas-Symbol hinterließen. Dieser Vorfall hat die ohnehin angespannte Stimmung weiter angeheizt und spiegelt die wachsende Spaltung wider, die auch innerhalb der Kulturszene spürbar ist.
Die kontroversen Vorfälle werfen ein Schlaglicht auf die Frage, wie weit Kunst und Kultur in politische Auseinandersetzungen verwickelt werden dürfen – und wie der öffentliche Raum als Plattform für solch brisante Themen genutzt wird. Der Streit um die Kulturkommission und den Umgang mit Künstlern wie Dragić-Dubois und Hunger zeigt, wie tief der Israel-Palästina-Konflikt in den Alltag und in die politische Kultur einer Stadt eingedrungen ist.
Während sich die Debatte weiter entfaltet, bleibt die Frage im Raum, wie die Berner Kulturszene künftig mit solchen Spannungen umgehen wird. Wird sie sich als Ort des Dialogs und der Auseinandersetzung etablieren oder wird sie sich in ideologische Lager spalten und ein Klima der Angst und Einschüchterung erzeugen?