Da die Methoden der künstlichen Intelligenz immer ausgefeilter werden, könnte es zunehmend schwieriger werden, zwischen KI-gesteuerten «Nutzern» und echten Menschen im Internet zu unterscheiden. Ein Forschungspapier, das von Microsoft, OpenAI und einer Reihe weiterer Technologieunternehmen und akademischer Einrichtungen verfasst wurde, schlägt daher die Entwicklung von sogenannten «Personhood Credentials» (PHCs) vor.
Mit dieser Verifizierungstechnik könne jemand online nachweisen, dass er ein echter Mensch ist, während seine Privatsphäre gewahrt bleibe, wird behauptet. Es sei jedoch bemerkenswert, schreibt Reclaim The Net, dass dieselben Unternehmen, die potenziell «betrügerische» KI-Modelle entwickelten und verkauften, nun eine «ziemlich drastische Lösung» vorschlagen würden: eine Form der digitalen ID.
Ziel des Ansatzes sei es, Täuschungen zu verhindern, indem Menschen, die Inhalte im Internet erstellen, als «echt» identifiziert würden – im Gegensatz zu den von künstlicher Intelligenz generierten Inhalten. In dem Papier werde freimütig zugegeben, dass die Privatsphäre dabei nicht berücksichtigt wird, so das Portal.
Stattdessen sei von einer «kryptografischen Authentifizierung» die Rede, die auch als «pseudonym» beschrieben werde. PHCs sollten nämlich eine Person nicht öffentlich identifizieren – es sei denn, die Forderung komme von den Strafverfolgungsbehörden. Die Autoren des Papiers:
«Obwohl PHCs die Verknüpfung der Anmeldeinformationen mit anderen Diensten verhindern, sollten sich die Nutzer darüber im Klaren sein, dass ihre anderen Online-Aktivitäten immer noch nachverfolgt und durch bestehende Methoden möglicherweise de-anonymisiert werden können.»
Der Kern der Geschichte könnte also sein, eine praktikable digitale ID zu entwickeln, die der Regierung zur Verfügung stehe, während die Anonymität an der Oberfläche gewahrt bleibe, vermutet Reclaim The Net. Und das Ganze verpacke man in ein Paket, das angeblich genau die Probleme behebe, die Microsoft und Co. mit ihren lukrativen KI-Produkten verursachten.
In dem Papier werde die Online-Anonymität als die wichtigste «Waffe» betrachtet, die von bösen Akteuren bei betrügerischem Verhalten oder der Verbreitung von «Desinformation» eingesetzt werde. Shrey Jain, Produktmanager bei Microsoft, habe in einem Interview gemeint, dass dies in der Vergangenheit aus Gründen des Datenschutzes akzeptabel gewesen sei, jedoch hätten sich die Zeiten geändert.
Der Grund für diese Änderungen sei die KI, so Reclaim The Net. Oder besser gesagt: die KI-Panik, die heutzutage gedeihe, lange bevor die Welt jemals echte KI (Artificial general intelligence, AGI) erleben und mit selbiger umgehen werde. Aber es sei gut genug für Microsoft, OpenAI und über 30 andere (einschließlich Harvard, Oxford und dem Massachusetts Institute of Technology), um PHCs vorzuschlagen.
Menschen würden in diesem Szenario als nicht wirklich anders als Websites behandelt, wobei PHCs mit Zertifizierungsstellen verglichen würden. Laut dem Portal bleibt jedoch unklar – obwohl Regierungen als mögliche «Vertrauensquellen» erwähnt würden –, welche Behörde Menschen «authentifizieren» und ihnen Identifikatoren zuweisen soll, als Beweis dafür, dass sie Menschen sind.
Da das Papier de facto keinen konkreten Entwurf für die Entwicklung und Umsetzung von PHCs darstelle, könne es auch als ein Weg für die Industrie gesehen werden, weiterhin Einnahmen mit der KI zu erzielen, während man gleichzeitig unruhige Regierungen besänftige und ihnen versichere, dass «etwas unternommen wird».