Infolge des russischen Einmarschs in die Ukraine am 24. Februar 2022 gerieten all jene ins Fadenkreuz der NATO-Propagandisten, die sich viele Jahre lang für eine Verständigung mit Russland eingesetzt haben. Dazu zählt die renommierte Journalistin Gabriele Krone-Schmalz, die unter anderem als ARD-Korrespondentin in Moskau gearbeitet und eine Reihe von Büchern zu Russland veröffentlicht hat.
Darunter sind das 2015 erschienene Buch «Russland verstehen – Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens» sowie «Eiszeit – Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist» (2017). Beide hatte ursprünglich der C.H. Beck Verlag publiziert.
Nach dem russischen Einmarsch entschied der Verlag, beide Bestseller nicht mehr nachzudrucken, obwohl es für diese eine anhaltende Nachfrage gegeben haben dürfte. Nur noch der 2020 erschienene Titel «Respekt geht anders – Betrachtungen über unser zerstrittenes Land» wird als «Toptitel» im Verlagsprogramm geführt.
Die beiden Bücher über Russland nicht mehr zu veröffentlichen, sei im Einvernehmen mit der Autorin entschieden worden, hiess es im vergangenen Jahr vom Verlag. Das bestätigte Krone-Schmalz mir gegenüber in einem Interview für die NachDenkSeiten im April dieses Jahres.
Sie sagte, beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, die beiden Russland-Bücher «vorläufig nicht mehr an den Buchhandel auszuliefern», weil die Titel und auch die Untertitel von beiden Büchern «in der Situation verletzen oder zynisch wirken könnten». Und: «Das Interesse ist aber nach wie vor da, wie die Preise für gebrauchte Exemplare im Internet zeigen.»
Gabriele Krone-Schmalz auf dem 1. Handwerker-Friedenskongress am 2. April 2023 in Dessau (Foto: Tilo Gräser)
«Russland verstehen» sei zwar über sieben Jahre alt, «aber das ändert ja nichts an der darin beschriebenen Chronologie der Ereignisse». Zu «Eiszeit» sagte sie:
«Es ist – wenn Sie so wollen – eine Art Nachschlagewerk für die Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion bis 2017. Ich glaube, wenn man Dinge «verstehen» möchte, kann man das ganz gut brauchen.»
Eine Zeit lang konnten beide Bücher bei der Autorin bestellt und gekauft werden, wie sie im April erklärte. Ende August meldete dann der Westend Verlag, er habe «Russland verstehen» und «Eiszeit» in sein Sachbuchprogramm übernommen.
Verlagsleiter Markus J. Karsten erklärte dazu in einer Pressemitteilung:
«Dass wichtige Bücher einer hochverdienten und erfahrenen Journalistin wie Gabriele Krone-Schmalz derzeit nicht lieferbar sind und deren wissensgesättigte Inhalte nicht in die öffentliche Diskussion gelangen, ist nicht gut für die Demokratie. Daher füllen wir diese Lücke.»
Nun sind beide in einer erweiterten Neuausgabe erschienen, «Russland verstehen» mit einem zusätzlichen Fragezeichen im Titel. Die Autorin hat an beiden Texten «keine Zeile verändert», wie sie jeweils im Vorwort erklärt.
Beide Bücher haben nun jeweils einen Einstiegstext, der sich mit den aktuellen Ereignissen und Entwicklungen seit dem ersten Erscheinen auseinandersetzt. Darin kritisiert Krone-Schmalz deutlich den russischen Einmarsch, mit dem sie nie gerechnet habe.
In «Russland verstehen?» schreibt sie:
«Ich verurteile diesen Krieg. Für mich ist Krieg grundsätzlich keine Lösung in unserer sogenannten zivilisierten Welt, und ich habe auch für diesen Krieg keinerlei Verständnis.»
In der Neuausgabe von «Eiszeit» betont sie:
«Allerdings erachte ich als notwendig, die fehlenden Stücke in dem Mosaik beizusteuern, das unvollständig den Eindruck erweckt, als habe sich der politische Westen überhaupt nichts zuschulden kommen lassen.»
Es gehe nicht um ein Aufrechnen, wer wann das Völkerrecht verletzt habe. Sie wolle mit beiden Büchern «dazu beitragen, Schieflagen zu beseitigen, weisse Flecken zu füllen, Fragen zu stellen, wohl wissend, dass einige nicht beantwortet werden.»
Krone-Schmalz betont, sie beanspruche keine Deutungshoheit, wolle aber mit Daten und Fakten Hintergründe beleuchten und Zusammenhänge herstellen.
«Es ist Sache des Lesers, seine Schlüsse aus den geschilderten Sachverhalten zu ziehen, aber die Sachverhalte müssen wenigstens bekannt sein.»
Sie werde sich weiterhin darauf konzentrieren, «Russland zu verstehen», erklärt sie im gleichnamigen Buch. Und das «nicht, um mich auf eine Seite zu stellen, sondern um dazu beizutragen, belastbare Grundlagen zu liefern, auf denen über tragfähige Lösungen debattiert werden kann».
Und sie stellt klar:
«Wenn aber Andersdenkende kein selbstverständlicher Bestandteil unserer grundsätzlich lebendigen offenen Gesellschaft mehr sind, sondern Störfaktoren, die man besser gar nicht erst zu Wort kommen lässt, oder sogar Feinde, die es mit aller Konsequenz auszugrenzen gilt, dann widerspricht das nicht nur in eklatanter Weise dem Geist unseres Systems, sondern es gefährdet dessen Fundamente.»
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