Das neue Buch des Publizisten Wolfgang Bittner setzt sich mit dem Krieg in und um die Ukraine auseinander. Er fragt nach den Ursachen und Verantwortlichen und analysiert die Entwicklungen und Ereignisse vor allem aus einer geopolitischen Perspektive.
Unter dem Titel «Ausnahmezustand» fasst er geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konfliktes zusammen, wie es im Untertitel heisst. Detailliert weist Bittner nach, wie die Chancen aus der einstigen Entspannungspolitik von Willy Brandt und anderen für ein friedliches Miteinander in Europa, durchgesetzt gegen den Willen der USA, verspielt wurden.
«Besonnenheit, Anstand und diplomatisches Fingerspitzengefühl scheinen gänzlich abhandengekommen zu sein», stellt er fest. Und:
«Dagegen wurden die Möglichkeiten obrigkeitlicher Überwachung und Reglementierung radikal erweitert und verfestigt.»
Bittner macht auch auf die Rolle von «machtvollen Organisationen wie dem Weltwirtschaftsforum (WEF), in dem sich die einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt versammeln», aufmerksam. Er beschreibt die geopolitischen Strategien der USA gegen Europa und wie Deutschland zur «Speerspitze» gegen Russland gemacht wurde.
Ebenso geht er darauf ein, wie der Konflikt in und um die Ukraine Jahr und Jahr von westlicher Seite eskaliert wurde, einschliesslich der Vorbereitung des Krieges. Bittner geht ähnlich wie Jacques Baud auch auf völkerrechtliche Aspekte des russischen Vorgehens ein und zeigt, wer die Lage eskalieren liess und weiter eskaliert.
Immer wieder fragt er nach den Folgen für das eigene Land und dessen Bürger. Hinzukommen Meldungen bis Dezember 2022, die seine Einschätzungen bestätigen.
Am Ende des Buches gibt es eine hilfreiche Dokumentation mit den Reden des russischen Präsidenten Wladimir Putin am 21. und 24. Februar 2022, der Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz vom 27. Februar 2022 sowie weiteren Reden und politischen Papieren.
Zuvor weist Bittner in seinem Resümee zum Verständnis der aktuellen Ereignisse darauf hin, dass Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg als europäischer Brückenkopf der USA erst gegen die Sowjetunion und nach deren Untergang gegen Russland in Stellung gebracht wurde.
Dazu gehöre, dass die westlichen Alliierten des Zweiten Weltkrieges dem besiegten Land bis heute einen Friedensvertrag verweigern. Das ermögliche Washington in erheblicher Weise, Druck auf Berlin auszuüben, falls dieses eine eigenständigere Politik betreiben wollte.
Dem dienten die elf grossen Militärstützpunkte und weitere kleinere Basen der US-Truppen in Deutschland. Bittner verweist ebenfalls auf die US-amerikanischen und transatlantischen Netzwerke aus Thinktanks und Stiftungen mit grossem Einfluss auf die deutsche Gesellschaft und Politik sowie auf die Medien.
Die USA verhindern ihm zufolge seit mehr als 100 Jahren systematisch eine deutsch-russische Kooperation. Dazu sei ein waffenstarrender Korridor zwischen Westeuropa und Russland geschaffen worden – derzeit wird Polen massiv aufgerüstet –, um Russland zu isolieren.
«Die USA verfolgen eine Langzeitstrategie, die allein ihren Interessen dient», stellt der Publizist klar.
«Sie gehen dabei über Leichen, und ihre Vasallen – dazu gehört Deutschland – machen jede Gemeinheit mit.»
Buchtipp: Wolfgang Bittner: «Ausnahmezustand – Geopolitische Einsichten und Analysen unter Berücksichtigung des Ukraine-Konflikts»
Verlag zeitgeist Print & Online 2023. 288 Seiten; ISBN 978-3-943007-47-3; 19,90 Euro
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