Im November 2024 wird Aserbaidschan die UN-Klimakonferenz COP-29 ausrichten – ein Ereignis von globaler Bedeutung, das in einem Land stattfindet, dessen Wirtschaft stark von fossilen Brennstoffen abhängt. Diese Tatsache scheint für die politische Elite in Baku keinen Widerspruch darzustellen. Vielmehr wird die Veranstaltung als weiterer Beweis für Aserbaidschans internationale Bedeutung gefeiert.
Ayaz Museyibov, Sprecher des regierungsnahen «Zentrums für Wirtschaftsreformen und Kommunikation», betont, dass Aserbaidschan bereits als Gastgeber bedeutender globaler Events wie dem Eurovision Song Contest oder internationalen Sportwettkämpfen seine Weltklasse bewiesen habe. Die COP-29, so Museyibov, werde jedoch alles übertreffen, da sie entscheidend zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen könne.
Trotz dieser Inszenierung liegt Präsident Ilham Alijews Fokus kaum auf Umweltfragen. Das schreibt zum Beispiel die erfahrene Journalistin und frühere NZZ-Korrespondentin in Istanbul, Amalia van Gent im Infosperber. Sein Ziel ist es, Aserbaidschan als Schlüsselakteur im Energiehandel zwischen Europa und Zentralasien zu etablieren, denn nach der Sprengung der Nordstream-Pipelines läuft ein großer Teil der europäischen Energieversorgung über den Südkaukasus.
So investiert das Land weiter in die Förderung und Weiterverbreitung von Erdgas und Erdöl, statt auf erneuerbare Energien umzusteigen. Die eigentliche Hoffnung Alijews besteht darin, durch die COP-29 politisches Prestige zu erlangen. Während Kritiker das autoritäre Regime wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen anprangern, sieht Alijew die Konferenz als Gelegenheit, sein Land als respektiertes Mitglied der Weltgemeinschaft zu präsentieren.
Die politische Brisanz der COP-29 zeigt sich jedoch nicht nur in Fragen der Klimapolitik. Armenien, der historische Rivale Aserbaidschans, spielte eine entscheidende Rolle bei der Ermöglichung der Konferenz in Baku. Erst im Dezember 2023 zog Armenien sein Veto gegen Aserbaidschan als Gastgeber zurück. Im Gegenzug wurden 32 armenische Kriegsgefangene freigelassen, die seit dem Krieg 2020 in Aserbaidschan inhaftiert waren. Diese Freilassung stellte jedoch mehr einen symbolischen Akt dar als einen echten Fortschritt in den bilateralen Beziehungen, denn viele armenische Gefangene befinden sich weiterhin in aserbaidschanischen Gefängnissen.
Ein besonders heikles Thema bleibt das Schicksal von 23 armenischen Politikern und Beamten aus Bergkarabach, die nach dem Krieg entgegen den Waffenstillstandvereinbarungen von aserischen Streitkräften festgenommen wurden. Darunter befinden sich hochrangige Persönlichkeiten wie ehemalige Präsidenten und Minister, die von Baku als Terroristen angeklagt wurden. Diese Gefangennahmen verdeutlichen die Strategie Aserbaidschans, den Konflikt um Bergkarabach als rein interne Angelegenheit darzustellen und externe Einflussnahmen zu unterbinden. Gleichzeitig setzt das Regime auf eine harsche Repression, um potenzielle Opposition im eigenen Land zu ersticken.
Die Situation im Südkaukasus bleibt instabil, auch nach zwei Kriegen, in denen die armenische Enklave Bergkarabach vollständig von Aserbaidschan erobert und die autochthon armenische Bevölkerung vollständig vertrieben wurde. Baku fordert immer mehr von Armenien, etwa in Bezug auf Grenzfragen und den sogenannten Sangesur-Korridor, der Aserbaidschan eine direkte Verbindung zu seiner Exklave Nachitschewan sichern soll. Ein echter Frieden scheint noch in weiter Ferne, und viele Beobachter sprechen von einem «Zwangsfrieden», der Armenien, dem auch eine entschlossene diplomatische und politische Unterstützung aus dem Westen fehlt, zu immer neuen Kompromissen zwingt.
Während die Vorbereitungen für die COP-29 in vollem Gange sind, bleibt abzuwarten, ob die internationale Gemeinschaft die Gelegenheit nutzt, Druck auf Baku auszuüben. Zahlreiche Stimmen, darunter prominente Politiker und Intellektuelle aus Armenien, fordern die Freilassung der inhaftierten Armenier als Voraussetzung für eine friedliche Lösung im Südkaukasus. Sollte Aserbaidschan diese Forderung ignorieren, könnte die COP-29 weniger als Klimagipfel, sondern vielmehr als Bühne für geopolitische Spannungen in die Geschichte eingehen. Das traditionell mit Russland in einem Nahverhältnis stehende Armenien versucht seit einigen Jahren, sich dem Westen anzunähern. Allerdings hat es kaum mehr Trümpfe in der Hand, um seinen berechtigten Forderungen Nachdruck zu verleihen. Die Tatsache, dass die Aseris vom Westen faktisch freie Hand für ihre Angriffskriege erhielten, zeigt, dass dem Westen der Handelspartner Aserbaidschan wichtiger ist. Zusätzlich wird dieser von der ethnisch eng verwandten Türkei gestützt.
Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass der Konflikt um Bergkarabach weit komplexer ist, als es auf den ersten Blick erscheint (wir haben zum Beispiel hier und hier darüber berichtet. Weitere Links im zweitgenannten Beitrag). Nach dem Zerfall der Sowjetunion führte der Streit um die Region zu zwei verheerenden Kriegen. Während Armenien in den 1990er Jahren noch als Sieger hervorging und nicht nur Bergkarabach halten konnte, sondern eine Pufferzone um die Enklave schuf, drehte sich das Blatt 2020, als Aserbaidschan mit Unterstützung moderner Militärtechnologie große Teile des Gebiets zurückeroberte. Armenien versucht bisher vergeblich, die Frage einer Rückkehr der Armenier aufs diplomatische Tapet zu bringen, während Baku Karabach als rein innenpolitisches Problem betrachtet.
Die COP-29 wird nicht nur eine Konferenz über Klimaschutz, sondern auch ein Spiegel der geopolitischen Realitäten im Südkaukasus sein, in denen Machtpolitik, Energieinteressen und ungelöste Konflikte aufeinandertreffen.