Beim Stichwort Christenverfolgung ist man versucht zu meinen, eine starke Gegenpartei habe sich eben diese Glaubensgruppe herausgesucht, um ihren eigenen Machtanspruch durchzusetzen. Aber das stimmt so nicht ganz. Zur Verfolgung kommt es selten auf direktem Weg.
Meistens ist alles lange friedlich. Heikel bis gefährlich wird es erst, wenn der christliche Glaube jenen Ansprüchen nicht entgegenkommt. Erst dies provoziert ein Kräftemessen, was dann in der Nachschau als eine Verfolgung der Christen wahrgenommen wird. Und es – so verstanden – auch war.
Der gängige Mittelweg ist der Synkretismus. Das Römische Reich hätte ohne ihn nicht existieren können. Die Götter der eroberten Völker wurden im wesentlichen anerkannt und durften weiterverehrt werden. Ihre «Existenz» wurde «nicht geleugnet», aber man ging davon aus, «dass die vielen Götter die Erscheinungsformen der göttlichen Potenz seien», schreibt Ronny Kamrath in seiner Cyprian-Biografie, Seite 81. Damit war üblicherweise alles geklärt.
«Mysterienkulte schlossen nie andere Kulte oder Gottheiten aus, das Christentum aber hat sich nicht als religiöse Ergänzung in einem Polytheismus verstanden» (S. 70).
Damit waren die Konflikte im Spannungsfall vorprogrammiert.
«Der Frevel war die offensichtliche Verleugnung der Priorität der römischen Religion. (...), solange die Staatsgötter als oberste Götter verehrt, der Kaiserkult betrieben und die Sitte nicht verletzt wurde, konnte jeder persönlich im religiösen Bereich denken und tun, was er wollte» (S. 83).
Diese Toleranz des Laissez-faire, genährt aus Taktik und Gleichgültigkeit, stösst immer dann an ihre Grenze, wenn die Zeiten schlechter werden und «das Bedürfnis nach metaphysisch begründeter Sicherheit» wächst (S. 81). Die Mitte des dritten Jahrhunderts ist ein anschauliches Beispiel für beides: für diese Grenzerfahrung wie für die abgeleiteten Handlungsweisen.
An den Grenzen häuften sich die Kriege. Zum Kaiser ausgerufen wurde immer wieder der nächsterfolgreiche Feldherr, was im Jahr 249 auch den Senator Decius auf den Thron brachte.
Zu dieser politischen Instabilität kam in jenen Jahren eine sinkende Edelmetallproduktion und eine verödende Landwirtschaft. Das später so genannte römische Klima-Optimum ging zu Ende, so dass es da und dort sogar zu Hungersnöten kam.
Für die Christen braute sich das zu einer hochprekären Mischung zusammen. Zum einen «fehlte [den Menschen] der gemeinsame Sinnhorizont» früherer Zeiten; (S. 84) zum anderen war ihr Glaube zwar weitgehend geduldet, hatte aber dennoch «den Status einer unerlaubten Religion» (S. 14).
Hinzu kam als wohl entscheidendes Moment, dass seit kurzem, seit dem Jahr 214, praktisch alle freien Bürger des Reiches zugleich Römische Bürger waren. Das verpflichtete sie automatisch «zum Reichs- und Kaiserkult» (S. 68).
Und ganz offenbar wurden weder die alten Götter noch der neue Kaiser gebührend verehrt. Das sollte sich ums Jahr 249 mit einem Edikt des Decius ändern. Jetzt musste jeder sein Opfer bringen, öffentlich und vor Zeugen. Ob Weihrauch, Trank- oder Speisopfer oder das Essen vom Fleisch geopferter Tiere, das wurde verschieden gehandhabt. Die Opferbescheinigung, ausgestellt von der eigens eingesetzten örtlichen Kommisson, wies einen schliesslich als treuen Staatsbürger aus.
Es ging bei dem Ganzen explizit nicht darum, dem eigenen Glauben abzuschwören. Weil aber das Opfern selber eine Gebetshandlung ist, wird es dem Christen «zum Dämonendienst, zum Verleugnen des Glaubens, zur Gotteslästerung und Leugnung Christi» (S. 69).
Die Figuren sind aufgestellt, die Tarife durchgegeben. Was nun? Eine Bescheinigung fälschen oder kaufen? Jemand aus der Kommission bestechen? Oder ganz einfach mitmachen und sich seinen Glauben «für sich selber» bewahren; es könne einem ja niemand ins Herz sehen und sagen, was man wirklich glaubt?
Kein Mensch kann das.
Der sieht nur, «was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an», 1. Samuel 16, Vers 7.
Der Glaube an den einen Gott und Heiland und Erlöser stand nun einer staatlichen Religion vorgeblicher Toleranz gegenüber, die eben dies nicht ertragen wollte und um der Staatsräson willen nicht ertragen konnte. Eine Zeit der Entscheidung und der Sichtung bahnte sich an. Und sie wurde als eine solche auch wahrgenommen.
Bereits dies ist eine Lehre für spätere Generationen, die selber in den Kampf der Geister gestellt waren, gestellt sind. Mehr über diesen Kampf selber im nächsten Wort zum Sonntag.
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Wort zum Sonntag vom 9. Juli 2023: Zustände wie im alten Rom
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf.
Telegram-Kanal: @StimmeundWort
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