Das Treiben um eine Richterin, die zu hoch hinaus wollte, ist zunächst einmal abgeschlossen. Die frisch aufgetauchten Vorwürfe, sie habe bei ihrer Dissertation getrickst und abgeschrieben, lieferten nach außen die billige Begründung dafür, dass die sogenannten C-Parteien von ihr abgerückt sind. Den Umschwung bewirkt haben dürfte hingegen der umfassende Protest von außen, die «Kampagne der rechten News-Portale», wie die klassischen linken Parteien ihn dann apostrophiert haben.
Was damit gemeint ist − Kindesmord bis zur Geburt −, muss man an dieser Stelle nicht weiter ausführen. Und dass die Menschenverachtung jener Juristin noch weiter geht, ist inzwischen auch offenbar geworden: Jemanden «ohne herabwürdigende Umstände» zu töten, widerspräche nicht einer (eigentlich) unantastbaren Menschenwürde nach Art. 1 Grundgesetz. Hadmut Danisch analysiert diese Ideologie des Todes im einzelnen.
In Gestalt jener Frau zieht sie jedenfalls nicht weiter ein ins deutsche Bundesverfassungsgericht. Petitionen von Lebensrechtlern und anderen Organisationen und diesmal sogar von kirchlicher Seite haben viele zigtausend Menschen mobilisieren und vor allem moralisch denkende Bundestagsmitglieder von CDU und CSU erreichen können. Mit dem Lebensschutz stand deren Restbestand christlichen Denkens und Handelns auf dem Spiel.
Ein Restbestand. Und wo ist der andere Teil geblieben, der größere? Nicht zu unrecht schimpft hier Sabiene Jahn über «Doppelmoral» und das plötzlich wieder aufgetauchte Schlagwort von der «Christlichkeit». Auf einmal sei sie «wieder da, die moralische Empörung». «‹Würdigt das Leben!› − Ja, bitte. Aber dann vollständig», wie sie meint.
Wo hingegen sei das C geblieben, wenn es um Waffenlieferungen geht, um Sanktionen, die rund um die Welt stets die Schwächsten treffen, um echte Förderung von Familien, so dass Kinder als Zukunft und nicht als Kosten wahrgenommen würden, und vieles mehr? Sie erkennt einen «Diskurs, der mit Gottesfurcht wedelt, aber mit kalter Hand über Körper und Leben entscheidet». Dass die Autorin jene Richterin «gruselig» findet, sich aber dennoch für straffreie Kindstötung im Namen eines Humanimus ausspricht, dieses Rätsel möge sie selber lösen.
Die wiederentdeckte «Christlichkeit» nennt sie «selektiv» und «scheinheilig». Ich möchte hier aber einen Schritt weiter gehen: vom zunächst verteidigten Restbestand weiter auf das inzwischen fremdbesetzte Terrain hin. Denn ganz recht: «Wer von Christlichkeit spricht, soll Verantwortung übernehmen», wie sie schreibt; eine Verantwortung, die aber nicht ideologische Vorgaben erfüllt, sondern sich aus Demut widmet.
De-Mut, das ist nach seiner Wortbedeutung «Dienst-Gesinnung». Und die schaut nach unten und fragt: Was braucht der Schwächere? Was unterstützt die Gemeinschaft? Wie stärken wir die nächste Generation?
Hochmut schaut nach oben. Auch hier führt die Wortgeschichte weiter. Hinter dem Wort «hoch» steht laut «Kluges ethymologischem Wörterbuch der deutschen Sprache» der germanische Stammesname «Chauchos» − «die Hohen». Wenn eine «Gesinnung der Hohen» die Maßstäbe liefert, führt das zu einer Bodenlandung ungefähr dort, wo sich unsere Länder heute befinden − Menschenopfer inklusive.
In Fragen des Lebens und Zusammenlebens kann es kein Neutrum geben, kein ne-utrum («keines von beiden»). Wenn es drauf ankommt, geht es um Leben oder Tod. Die juristisch verbrämte Einladung zum Kindesmord, bekräftigt durch das nur noch bösartig zu nennende Ja von Friedrich Merz, hat nicht wenigen jenen Restbestand an verantwortlich christlichem und natürlichem Rechtsempfinden wieder geweckt.
Lassen wir es «nach geschlagener Schlacht» nicht wieder wegsacken, sondern gehen wir den Weg der ganzen Erneuerung, der wirklich freien Verantwortung. Es wird nicht verwundern, dass sich der in prägnanter Weise in der Bibel wiederfindet:
«Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.» Micha 6, Vers 8
Ein Säkularist mag hier eine neue Fremdbestimmung wittern. Ein Blick ins Original, in eben jenes Wort, könnte auch ihm Freiheit erschließen.
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Wort zum Sonntag vom 6. Juli 2025: von oben geerdet
Lothar Mack war als Gemeindepfarrer und bei verschiedenen Hilfswerken und Redaktionen tätig. Sein kritischer Blick auf Kirche und Zeitgeschehen hat ihn in die Selbständigkeit geführt. Er sammelt und ermutigt Gleichgesinnte über Artikel und Begegnungen und ruft in Gottesdiensten und an Kundgebungen zu eigenständigem gläubigem Denken auf. Sein Telegram-Kanal lautet StimmeundWort.